Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.Russische Polenpolitik das Utopische des Gedankens erkannt hat; man begnügt sich mit korrekten Be¬ Man bescheidet sich nach außen hin mit der Erhaltung des Russentums, Man sucht die Umladen zurück unter die russische Kirche zu bringen, nach¬ In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister! Bringen die bisherigen Erwägungen uns dem Verständnis der Motive 85*
Russische Polenpolitik das Utopische des Gedankens erkannt hat; man begnügt sich mit korrekten Be¬ Man bescheidet sich nach außen hin mit der Erhaltung des Russentums, Man sucht die Umladen zurück unter die russische Kirche zu bringen, nach¬ In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister! Bringen die bisherigen Erwägungen uns dem Verständnis der Motive 85*
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Russische Polenpolitik
das Utopische des Gedankens erkannt hat; man begnügt sich mit korrekten Be¬
ziehungen zum Vatikan.
Man bescheidet sich nach außen hin mit der Erhaltung des Russentums,
wo es auch nur noch das geringste Lebenszeichen verrät. Man begnügt sich
angeblich mit der Rolle des Verteidigers bedrohten nationalen Besitzes. Hiermit
kommen wir an einen Drehpunkt! Hier ist die Stelle der russischen amtlichen
Politik, von der aus betrachtet sie uns doch nicht so harmlos erscheinen darf:
zum mindesten mutet sie uns widerspruchsvoll, ja geheimnisvoll an. Wir sehen
uns plötzlich Maßnahmen gegenüber, die in direktem Widerspruch stehen, zu
der im Namen des Staatsbegriffs stehenden Gesetzgebung in der Polenfrage
und wir sehen aus der Defensive sich eine recht energische Offensive entwickeln.
Da gilt es sich denn zu erinnern, daß das Zarenreich bis auf den heutigen
Tag in Spannung gehalten wird durch den Kampf, den der alte Kijew-
Moskauer Glaubensstaat, den Peter der Große durch Schaffung des Heiligsten
Srmods glaubte dem modernen Staatsbegriff unterworfen zu haben, gegen jede
moderne Entwicklung im Staatsleben führte. Im Heiligsten spröd lebt dieser
alte Staatsbegriff bis heute fort, ernstlich gefährdet eigentlich erst im Jahre
1905, als liberale Russen zusammen mit einem Teil der orthodoxen Geist¬
lichkeit die Einberufung eines Kirchenkonzils forderten und der erste Nachfolger
Pobjedonosszews sich bereit erklärt hatte, ein Kirchenkonzil einzuberufen.
Man sucht die Umladen zurück unter die russische Kirche zu bringen, nach¬
dem man den polnischen Bauern überhaupt, also auch den unierten, wirtschaftlich
gegen die polnischen Grundherren gestärkt hatte. Weiter sucht das Nussen-
tum mit Mitteln kirchlicher Zucht, der Verwaltung und der Wirtschaft
von Litauen, Westrußland und Kleinrußland her, in das durch die Herrschaft
des Code Napoleon und das Hypothekenstatut in sich geschlossene Verwaltungs-
gebiet des Zartums einzudringen und die Absprengung des sogenannten Cholmer
Landes, aber auch die Revolution unter den Ruthenen in Ostgalizien durch
geschickte Agenten vorzubereiten. Die Polenfrage soll für Nußland nach Möglich¬
keit auf das kleine Gebiet beschränkt werden, in dem die wirklichen katholischen
Polen ethnographisch herrschen! Die Polen als solche läßt man im Zartum
noch unbehelligt, solange sie nicht Propaganda unter der „russischen" Bevölkerung
treiben oder gegen den russischen Staat und seine Bundesgenossen der inneren
und auswärtigen Politik Front machen. Die Versuche, den polnischen Katholizismus
zu entnationalisieren, hat man dem Anschein nach aufgegeben.
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister!
Bringen die bisherigen Erwägungen uns dem Verständnis der Motive
der russischen Polenpolitik etwas näher, so lassen einige Tatsachen aus der
praktischen Politik uns wieder an der Richtigkeit des betretenen Weges zweifeln.
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