Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.Bevölkerungsvermehrung und Sozialhygiene von A. Walter i annigfache Gründe sind vorhanden, die eine weitere Verminderung Gleichzeitig wird durch solche Maßnahmen die Möglichkeit der Eheschließung Ausschlaggebend für die Beurteilung des Problems ist der national-wirt¬ Bevölkerungsvermehrung und Sozialhygiene von A. Walter i annigfache Gründe sind vorhanden, die eine weitere Verminderung Gleichzeitig wird durch solche Maßnahmen die Möglichkeit der Eheschließung Ausschlaggebend für die Beurteilung des Problems ist der national-wirt¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327311"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_326811/figures/grenzboten_341897_326811_327311_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Bevölkerungsvermehrung und Sozialhygiene<lb/><note type="byline"> von A. Walter i</note> </head><lb/> <p xml:id="ID_1966"> annigfache Gründe sind vorhanden, die eine weitere Verminderung<lb/> im Tempo der Bevölkerungsvermehrung unerwünscht erscheinen<lb/> lassen. Moralische Bedenken über die absichtliche Einschränkung<lb/> der Geburtenziffer sind noch am ehesten auszuschließen, weil das<lb/> ganze Problem kein rein moralisches ist, sondern von starken<lb/> wirtschaftlichen Beweggründen beeinflußt wird. Diese wirtschaftlichen Ursachen<lb/> werden selbst durch wirtschaftliche Maßnahmen, wie Besserung der Lebens¬<lb/> haltung jener Klassen, die am meisten zum Bevölkerungszuwachs beitragen<lb/> können, Steuererleichterungen für jedes Kind usw. teilweise aufgehoben werden<lb/> können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1967"> Gleichzeitig wird durch solche Maßnahmen die Möglichkeit der Eheschließung<lb/> erleichtert und so die Voraussetzung für eine absolute Steigerung der Bevölkerungs¬<lb/> vermehrung geschaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1968"> Ausschlaggebend für die Beurteilung des Problems ist der national-wirt¬<lb/> schaftliche Gesichtspunkt. Je stärker die Bevölkerung des deutschen Reiches,<lb/> desto stärker ist — neben der Zahl der Produzenten — die der Konsumenten,<lb/> die die ersteren in Nahrung setzen. Desto stärker ist aber auch die Zahl der<lb/> Personen, die wir an die Kolonien und das Ausland abgeben können, um dort<lb/> die Absatzmärkte für die Produkte deutschen Jndustriefleißes zu erweitern. Für<lb/> den Engländer gilt der Leitsatz: „Der Handel folgt der Flagge." Für Deutsch¬<lb/> land, mit seinen wenigen Kolonien und ihrer relativen Ungeeignetheit als<lb/> Siedlungskolonien, kann dieses Leitmotiv nur beschränkte Geltung haben. Wir<lb/> müssen statt dessen den Grundsatz aufstellen: „Der Handel folgt dem Blute."<lb/> Je mehr Personen deutscher Stammeszugehörigkeit im Auslande tätig sind, desto<lb/> nichr Abnehmer für deutsche Exportwaren sind vorhanden. Je größer dann die<lb/> Exportziffern, desto größer auch die Beschäftigungsmöglichkeit, die Heirats¬<lb/> möglichkeit und die Geburtsmöglichkeit in der Heimat.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0499]
[Abbildung]
Bevölkerungsvermehrung und Sozialhygiene
von A. Walter i
annigfache Gründe sind vorhanden, die eine weitere Verminderung
im Tempo der Bevölkerungsvermehrung unerwünscht erscheinen
lassen. Moralische Bedenken über die absichtliche Einschränkung
der Geburtenziffer sind noch am ehesten auszuschließen, weil das
ganze Problem kein rein moralisches ist, sondern von starken
wirtschaftlichen Beweggründen beeinflußt wird. Diese wirtschaftlichen Ursachen
werden selbst durch wirtschaftliche Maßnahmen, wie Besserung der Lebens¬
haltung jener Klassen, die am meisten zum Bevölkerungszuwachs beitragen
können, Steuererleichterungen für jedes Kind usw. teilweise aufgehoben werden
können.
Gleichzeitig wird durch solche Maßnahmen die Möglichkeit der Eheschließung
erleichtert und so die Voraussetzung für eine absolute Steigerung der Bevölkerungs¬
vermehrung geschaffen.
Ausschlaggebend für die Beurteilung des Problems ist der national-wirt¬
schaftliche Gesichtspunkt. Je stärker die Bevölkerung des deutschen Reiches,
desto stärker ist — neben der Zahl der Produzenten — die der Konsumenten,
die die ersteren in Nahrung setzen. Desto stärker ist aber auch die Zahl der
Personen, die wir an die Kolonien und das Ausland abgeben können, um dort
die Absatzmärkte für die Produkte deutschen Jndustriefleißes zu erweitern. Für
den Engländer gilt der Leitsatz: „Der Handel folgt der Flagge." Für Deutsch¬
land, mit seinen wenigen Kolonien und ihrer relativen Ungeeignetheit als
Siedlungskolonien, kann dieses Leitmotiv nur beschränkte Geltung haben. Wir
müssen statt dessen den Grundsatz aufstellen: „Der Handel folgt dem Blute."
Je mehr Personen deutscher Stammeszugehörigkeit im Auslande tätig sind, desto
nichr Abnehmer für deutsche Exportwaren sind vorhanden. Je größer dann die
Exportziffern, desto größer auch die Beschäftigungsmöglichkeit, die Heirats¬
möglichkeit und die Geburtsmöglichkeit in der Heimat.
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