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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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gebunden) aus und wird gewiß Anklang
finden. In den Illustrationen trifft mit dieser
Neuausgabe teilweise zusammen die bei
Kiepenheuer in Weimar von H, Th, Kroeber
besorgte Edition des gleichen Werkes, die
(geb. 6 Mark, Geschenkausgabe 10 Mark)
in der Ausstattung höheren Ansprüchen ge¬
nügt.

Neben der Goethe-Literatur ist heute die
Hebbel-Literatur außerordentlich angewachsen;
über Hebbel wird sicher allzuviel geschrieben,
und man kann sich nicht Wundern, wenn
auch einmal ein Rückschlag erfolgt. In
der Tat hat vor kurzem ein so bekannter
Mann wie Paul Schlenther zu Hebbels
hundertsten Geburtstag im Berliner Tage¬
blatt einen Jubiläumsartikel geschrieben,
der einer Schmähschrift ähnlich sah. Aber
auch einen solchen letzten Sturm wird Hebbel
überdauern. Wenn ein so umfangreiches
Werk wie die Hebbel-Ausgabe R.M.Werners
in der kurzen Zeit von zwölf Jahren drei
Auflagen hat erleben können, so zeugt das
sicher von einem sehr soliden und dauerhaften
Interesse der Deutschen für dies spröde
nordische Genie. R. M. Werner hat den Ab¬
schluß der Neuausgabe, die er zu Hebbels
Säkularfeier darzubringen gedachte, nicht
mehr erlebt. Bis zum vierzehnten Band hat
er die Säkularauegabe noch selbst besorgt;
diese Bände der eigentlichen Werke Hebbels
liegen denn auch jetzt in dem schönen neuen
Einband vor. Die Bearbeitung von Band 16
und 16 hat Julius Wähle übernommen; sie
werden 1914 Teil 3 und 4 des Anhangs zu
den Werken (Anmerkungen und Lesarten)
bringen. Dieser Anhang ist jetzt in besondere
Bände verwiesen und in den vorliegenden
zwei Teilen durch neue Parallelen aus den
Briefen und Tagebüchern Hebbels sowie durch
Verwertung neuerer Forschung vermehrt").
Durch die Abtrennung des Anhangs ist die
große Ausgabe dem gebildeten Publikum
zweifellos näher gerückt. B. Behrs Verlag
(Friedrich Feddersen) hat den früheren Sub¬
skriptionspreis aufrecht erhalten (für den ge-

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hefteten Band 2,60 Mark, für den gebundenen
3,S0 Mark, in Halbleder 4,60 Mary. Ge¬
genüber einem so imponierender Unternehmen
wie der Ausgabe Werners, war die bisherige
populäre Hebbel- Arso ahldesBibliograPhi°
schen Instituts offensichtlich zu knapp; so ließ
dieser Verlag jetzt unter der Leitung F. Zinker¬
nagels eine erweiterte, auch reichlich kommen¬
tierte Edition erscheinen, die vor allem die
sämtlichen Dramen ("Moloch" und "De-
metrius" inbegriffen), die Gedichtsammlung
von 1867 nebst einem Nachtrag, das Epos
"Mutter und Kind" und eine starke Auswahl
aus den Erzählungen und theoretischen
Schriften bringt (6 Bände in Leinen 12 Mark).
Neben Hebbels Werken werden immer seine
persönlichen Äußerungen, sein menschliches
und dichterisches Streben besonderes Interesse
finden; ist doch über sein Leben jetzt sogar
im Cottaschen Verlag ein Roman erschienen.
Im Verlag der Wernerschem Hebbel-Ausgabe
veröffentlicht W. Bloch-Wunschmnnn eine Zu¬
sammenstellung der Briefe und Tagebücher
des Dichters, in einem großen und dabei
leichten Bande (Preis geb. 6 Mark, in Leinen
10 Mark): "Friedrich Hebbel, ein Lebens-
buch"; aus etwa einem Sechstel des gesamten
überlieferten Materials wird eine Art Auto¬
biographie geformt. Wirklich bieten die ein¬
zigartigen Selbstbekenntnisse Hebbels ganz
besonders guten Stoff für ein solches Ver¬
fahren.

Auch abseits stehenden Dichterpersönlich¬
keiten beginnen sich unsere "Klassiker"-Ausgaben
mehr und mehr zuzuwenden. Es ist
SP. Wukadinowic gelungen, sür den zweibän¬
digen "Grabve" der Goldenen Klassiker¬
bibliothek (zwei Leincnbände 4 Mark) mehr¬
fach neues Material zu benutzen, die Aufsätze
und vor allem die Briefe Grabbes wesentlich
zu vervollständigen. Gewiß steht Grabbe in
seiner traurigen Form- und Zuchtlosigkeit der
strengen Künstlerpersönlichkeit Hebbels fern
und doch sind wieder gewisse Verbindungen
zwischen beiden da, sie treten in der Vorliebe
für einen kurz angebundenen, epigrammatischen
Redestil der dramatischen Personen, in der
häufigen Einführung tyrannischer Charaktere
hervor. Nirgends freilich ist Grabbe ein
ganzer Mann; aber daß dieser Zerrissene,
der oft wie eine komische Figur wirkt, sein

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*) Um Hebbel bemüht sich -- abgesehen
von der ausgebreiteten Spezialforschung --
gleichzeitig P. Börnstein in einer chronologi¬
schen Ausgabe der Werke.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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gebunden) aus und wird gewiß Anklang
finden. In den Illustrationen trifft mit dieser
Neuausgabe teilweise zusammen die bei
Kiepenheuer in Weimar von H, Th, Kroeber
besorgte Edition des gleichen Werkes, die
(geb. 6 Mark, Geschenkausgabe 10 Mark)
in der Ausstattung höheren Ansprüchen ge¬
nügt.

Neben der Goethe-Literatur ist heute die
Hebbel-Literatur außerordentlich angewachsen;
über Hebbel wird sicher allzuviel geschrieben,
und man kann sich nicht Wundern, wenn
auch einmal ein Rückschlag erfolgt. In
der Tat hat vor kurzem ein so bekannter
Mann wie Paul Schlenther zu Hebbels
hundertsten Geburtstag im Berliner Tage¬
blatt einen Jubiläumsartikel geschrieben,
der einer Schmähschrift ähnlich sah. Aber
auch einen solchen letzten Sturm wird Hebbel
überdauern. Wenn ein so umfangreiches
Werk wie die Hebbel-Ausgabe R.M.Werners
in der kurzen Zeit von zwölf Jahren drei
Auflagen hat erleben können, so zeugt das
sicher von einem sehr soliden und dauerhaften
Interesse der Deutschen für dies spröde
nordische Genie. R. M. Werner hat den Ab¬
schluß der Neuausgabe, die er zu Hebbels
Säkularfeier darzubringen gedachte, nicht
mehr erlebt. Bis zum vierzehnten Band hat
er die Säkularauegabe noch selbst besorgt;
diese Bände der eigentlichen Werke Hebbels
liegen denn auch jetzt in dem schönen neuen
Einband vor. Die Bearbeitung von Band 16
und 16 hat Julius Wähle übernommen; sie
werden 1914 Teil 3 und 4 des Anhangs zu
den Werken (Anmerkungen und Lesarten)
bringen. Dieser Anhang ist jetzt in besondere
Bände verwiesen und in den vorliegenden
zwei Teilen durch neue Parallelen aus den
Briefen und Tagebüchern Hebbels sowie durch
Verwertung neuerer Forschung vermehrt").
Durch die Abtrennung des Anhangs ist die
große Ausgabe dem gebildeten Publikum
zweifellos näher gerückt. B. Behrs Verlag
(Friedrich Feddersen) hat den früheren Sub¬
skriptionspreis aufrecht erhalten (für den ge-

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hefteten Band 2,60 Mark, für den gebundenen
3,S0 Mark, in Halbleder 4,60 Mary. Ge¬
genüber einem so imponierender Unternehmen
wie der Ausgabe Werners, war die bisherige
populäre Hebbel- Arso ahldesBibliograPhi°
schen Instituts offensichtlich zu knapp; so ließ
dieser Verlag jetzt unter der Leitung F. Zinker¬
nagels eine erweiterte, auch reichlich kommen¬
tierte Edition erscheinen, die vor allem die
sämtlichen Dramen („Moloch" und „De-
metrius" inbegriffen), die Gedichtsammlung
von 1867 nebst einem Nachtrag, das Epos
„Mutter und Kind" und eine starke Auswahl
aus den Erzählungen und theoretischen
Schriften bringt (6 Bände in Leinen 12 Mark).
Neben Hebbels Werken werden immer seine
persönlichen Äußerungen, sein menschliches
und dichterisches Streben besonderes Interesse
finden; ist doch über sein Leben jetzt sogar
im Cottaschen Verlag ein Roman erschienen.
Im Verlag der Wernerschem Hebbel-Ausgabe
veröffentlicht W. Bloch-Wunschmnnn eine Zu¬
sammenstellung der Briefe und Tagebücher
des Dichters, in einem großen und dabei
leichten Bande (Preis geb. 6 Mark, in Leinen
10 Mark): „Friedrich Hebbel, ein Lebens-
buch"; aus etwa einem Sechstel des gesamten
überlieferten Materials wird eine Art Auto¬
biographie geformt. Wirklich bieten die ein¬
zigartigen Selbstbekenntnisse Hebbels ganz
besonders guten Stoff für ein solches Ver¬
fahren.

Auch abseits stehenden Dichterpersönlich¬
keiten beginnen sich unsere „Klassiker"-Ausgaben
mehr und mehr zuzuwenden. Es ist
SP. Wukadinowic gelungen, sür den zweibän¬
digen „Grabve" der Goldenen Klassiker¬
bibliothek (zwei Leincnbände 4 Mark) mehr¬
fach neues Material zu benutzen, die Aufsätze
und vor allem die Briefe Grabbes wesentlich
zu vervollständigen. Gewiß steht Grabbe in
seiner traurigen Form- und Zuchtlosigkeit der
strengen Künstlerpersönlichkeit Hebbels fern
und doch sind wieder gewisse Verbindungen
zwischen beiden da, sie treten in der Vorliebe
für einen kurz angebundenen, epigrammatischen
Redestil der dramatischen Personen, in der
häufigen Einführung tyrannischer Charaktere
hervor. Nirgends freilich ist Grabbe ein
ganzer Mann; aber daß dieser Zerrissene,
der oft wie eine komische Figur wirkt, sein

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*) Um Hebbel bemüht sich — abgesehen
von der ausgebreiteten Spezialforschung —
gleichzeitig P. Börnstein in einer chronologi¬
schen Ausgabe der Werke.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/489>, abgerufen am 24.08.2024.