Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.(Llchjagd Skizze von Reinhard Weer er Zug hielt mit einem harten, unvermittelter Ruck, der uns "Wie, erst vier?" Er knurrte und fluchte in allen Ton¬ In einem dritten Abteil des Wagens war unser Gepäck aufgestapelt; die (Llchjagd Skizze von Reinhard Weer er Zug hielt mit einem harten, unvermittelter Ruck, der uns „Wie, erst vier?" Er knurrte und fluchte in allen Ton¬ In einem dritten Abteil des Wagens war unser Gepäck aufgestapelt; die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327285"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_326811/figures/grenzboten_341897_326811_327285_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> (Llchjagd<lb/> Skizze <note type="byline"> von Reinhard Weer </note></head><lb/> <p xml:id="ID_1854"> er Zug hielt mit einem harten, unvermittelter Ruck, der uns<lb/> schlaftrunken von unseren Bänken auffahren ließ. Mein finnischer<lb/> Freund und Jagdgefährte entzündete ein Streichholz und nestelte<lb/> die Uhr aus der Westentasche.</p><lb/> <p xml:id="ID_1855"> „Wie, erst vier?" Er knurrte und fluchte in allen Ton¬<lb/> arten. „Also bestenfalls Station Korpi. Dann haben wir bei diesem Schnecken¬<lb/> tempo noch an die zwei Stunden Fahrt bis Otalampi!" Er stand auf, gähnte<lb/> wie ein Vorweltriese und stapfte schwerfällig mit seinen derben Jagdstiefeln in<lb/> dem schmalen Raum zwischen den Bänken auf und ab, während ich ein kleines<lb/> Stück der schwach beeisten Fensterscheibe freihauchte, um einen Ausblick auf<lb/> din Bahnsteig zu gewinnen. „Wie behagt Ihnen denn die nächtliche Fahrt<lb/> im Güterzug?" meinte er in einem Ton zwischen Brummen und Lachen, „sür<lb/> den zivilisierten Herrn Mitteleuropäer ist das wohl eine neue Art des Reifens?"<lb/> „Lieber Vinquist," begann ich mit gefahrdrohenden Pathos — aber er entzog<lb/> sich eiligst meiner Suada durch eine Flucht nach dem Nebenabteil, in dem das<lb/> unbeschäftigte Zugpersonal schlief. Ich hörte, wie er sie in seiner burschikosen<lb/> Art weckte und zur Herstellung des Morgenkaffees ermunterte. Bald konnten<lb/> wir dann, zusammen mit den Bahnleuten, durch ein einfaches Frühstück, bei<lb/> dem der landesübliche Branntwein natürlich nicht fehlen durfte, unsere schläf¬<lb/> rigen Lebensgeister wieder anfachen. Beim Rauchgekräusel der Zigaretten, dem<lb/> richtigen Finnländer zu jeder Tages- und Nachtzeit unentbehrlich, kam bald<lb/> eine ganz angeregte Unterhaltung in Gang. Passionierte Sport- und Jagd¬<lb/> liebhaber, wie alle Nordländer, wurden diese einfachen Leute, während wir<lb/> das schwarze Getränk Hinuntergossen, nicht milde, uns über alle Details der<lb/> beabsichtigten Jagd auszufragen und Vermutungen über deren Verlauf und<lb/> Erfolg anzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1856" next="#ID_1857"> In einem dritten Abteil des Wagens war unser Gepäck aufgestapelt; die<lb/> Gewehre wurden aus ihren Lederfutteralen herausgeholt und von dem Bahn¬<lb/> personal einer eingehenden sachverständigen Besichtigung unterzogen. Dann</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0473]
[Abbildung]
(Llchjagd
Skizze von Reinhard Weer
er Zug hielt mit einem harten, unvermittelter Ruck, der uns
schlaftrunken von unseren Bänken auffahren ließ. Mein finnischer
Freund und Jagdgefährte entzündete ein Streichholz und nestelte
die Uhr aus der Westentasche.
„Wie, erst vier?" Er knurrte und fluchte in allen Ton¬
arten. „Also bestenfalls Station Korpi. Dann haben wir bei diesem Schnecken¬
tempo noch an die zwei Stunden Fahrt bis Otalampi!" Er stand auf, gähnte
wie ein Vorweltriese und stapfte schwerfällig mit seinen derben Jagdstiefeln in
dem schmalen Raum zwischen den Bänken auf und ab, während ich ein kleines
Stück der schwach beeisten Fensterscheibe freihauchte, um einen Ausblick auf
din Bahnsteig zu gewinnen. „Wie behagt Ihnen denn die nächtliche Fahrt
im Güterzug?" meinte er in einem Ton zwischen Brummen und Lachen, „sür
den zivilisierten Herrn Mitteleuropäer ist das wohl eine neue Art des Reifens?"
„Lieber Vinquist," begann ich mit gefahrdrohenden Pathos — aber er entzog
sich eiligst meiner Suada durch eine Flucht nach dem Nebenabteil, in dem das
unbeschäftigte Zugpersonal schlief. Ich hörte, wie er sie in seiner burschikosen
Art weckte und zur Herstellung des Morgenkaffees ermunterte. Bald konnten
wir dann, zusammen mit den Bahnleuten, durch ein einfaches Frühstück, bei
dem der landesübliche Branntwein natürlich nicht fehlen durfte, unsere schläf¬
rigen Lebensgeister wieder anfachen. Beim Rauchgekräusel der Zigaretten, dem
richtigen Finnländer zu jeder Tages- und Nachtzeit unentbehrlich, kam bald
eine ganz angeregte Unterhaltung in Gang. Passionierte Sport- und Jagd¬
liebhaber, wie alle Nordländer, wurden diese einfachen Leute, während wir
das schwarze Getränk Hinuntergossen, nicht milde, uns über alle Details der
beabsichtigten Jagd auszufragen und Vermutungen über deren Verlauf und
Erfolg anzustellen.
In einem dritten Abteil des Wagens war unser Gepäck aufgestapelt; die
Gewehre wurden aus ihren Lederfutteralen herausgeholt und von dem Bahn¬
personal einer eingehenden sachverständigen Besichtigung unterzogen. Dann
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