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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Förderung des Handels zwischen Uolonie und Mutterland

seinem Referat*) über "die Entwicklung und Aussichten des Handels der Kolo¬
nien" darauf hingewiesen, daß Frankreich seine große Erdnußproduktion in West¬
afrika fast vollständig in französischen Fabriken verarbeitet, und daß bei uns
dagegen z. B. Kakao und Palmöl aus Kamerun in beträchtlichen Mengen nach
England, die Häuteausfuhr -- neuerdings auch Sisal -- aus Ostafrika nach
Nordamerika und die Kopra zum größten Teil nach Frankreich geht. Obgleich
wir ferner in bezug auf Kupfer von dem Hauptproduktionsland Amerika in
bedenklicher Weise abhängig sind, gelangt nicht einmal das Kupfer der Otavi-
mmen in Südwestafrika auf direktem Wege nach Deutschland; denn es wird von
Amerika aufgekauft, dort verhüllet und dann erst zu Monopolpreisen wieder an
Deutschland verkauft. Obgleich der größte Teil des Wertes der in den deutschen
Kolonien erzeugten industriellen Rohstoffe und Kolonialwaren nach Deutschland
ausgeführt wird, so kommen dennoch mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit der
Produktion die nicht nach Deutschland gehenden Produkte doch sehr in Betracht.
Ostafrika bezieht z. B. nur 35 Prozent seiner Einfuhr aus Deutschland. Woher
stammt aber die übrige Einfuhr? Wohin gehen die Produkte unserer Kolonien?
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß unser eigener Kolonialhandel im
Laufe einer längeren Entwicklung sehr wohl an die Stelle unseres Handels mit
überseeischen Gebieten treten kann; denn die Rohmaterialien liefern uns die
fremden Kolonien nur zu verhältnismäßig hohen Preisen, während sie unseren
Fabrikaten die Einfuhr erschweren. Wie z. B. Prof. Wohltmann**) behauptet,
kann Deutschland mindestens im Laufe eines Jahrhunderts seinen gesamten
Bedarf an kolonialen Rohstoffen in seinen Kolonien gewinnen, welche haupt¬
fächlich als Lieferanten folgender Produkte in Frage kommen: Textilrohstoffe,
wie Baumwolle, Hanf, Wolle, Seide; ölproduzierende Pflanzen, wie Erdnüsse,
Scham und Kokosnüsse; sogenannte Kolonialwaren, wie Kakao, Kaffee, Reis,
ferner Kautschuk, Gerbstoffe, tierische Produkte, Phosphat, Tabak, Kopai und
Bergwerksprodukte.

Es darf als sicher gelten, daß einerseits die Produktion unseres Mutter¬
landes für alle Rohmaterialien aus den deutschen Kolonien aufnahmefähig ist,
und daß sie anderseits alle Einfuhrartikel liefern kann, deren unsere Kolonien
bedürfen. Wenn also die Rohmaterialien unserer Kolonien nicht sämtlich nach
Deutschland abgesetzt werden, so liegt dies nicht an der mangelnden Aufnahme¬
fähigkeit unseres Marktes; denn in dieser Beziehung sind -- mit Ausnahme
von England und Frankreich -- unsere Aussichten besser als die anderer
Kolonialländer, die, wie z. B. Portugal, nicht in der Lage sind, alle Produkte
ihrer Kolonien zu verarbeiten und ihnen dafür die Fabrikate zu liefern, die in
den Kolonien benötigt werden. Sollte im übrigen unsere heimische Baumwoll¬
industrie nicht auch die billigen Stapelartikel liefern können, mit welchen die
englische Industrie unsere Kolonien versorgt? Sicherlich wäre sie dazu im-




*) Verhandlungen des Kongresses Seite 764 ff.
*") Tropenpflanzer Ur. 1, Jahrgang 1909.
Die Förderung des Handels zwischen Uolonie und Mutterland

seinem Referat*) über „die Entwicklung und Aussichten des Handels der Kolo¬
nien" darauf hingewiesen, daß Frankreich seine große Erdnußproduktion in West¬
afrika fast vollständig in französischen Fabriken verarbeitet, und daß bei uns
dagegen z. B. Kakao und Palmöl aus Kamerun in beträchtlichen Mengen nach
England, die Häuteausfuhr — neuerdings auch Sisal — aus Ostafrika nach
Nordamerika und die Kopra zum größten Teil nach Frankreich geht. Obgleich
wir ferner in bezug auf Kupfer von dem Hauptproduktionsland Amerika in
bedenklicher Weise abhängig sind, gelangt nicht einmal das Kupfer der Otavi-
mmen in Südwestafrika auf direktem Wege nach Deutschland; denn es wird von
Amerika aufgekauft, dort verhüllet und dann erst zu Monopolpreisen wieder an
Deutschland verkauft. Obgleich der größte Teil des Wertes der in den deutschen
Kolonien erzeugten industriellen Rohstoffe und Kolonialwaren nach Deutschland
ausgeführt wird, so kommen dennoch mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit der
Produktion die nicht nach Deutschland gehenden Produkte doch sehr in Betracht.
Ostafrika bezieht z. B. nur 35 Prozent seiner Einfuhr aus Deutschland. Woher
stammt aber die übrige Einfuhr? Wohin gehen die Produkte unserer Kolonien?
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß unser eigener Kolonialhandel im
Laufe einer längeren Entwicklung sehr wohl an die Stelle unseres Handels mit
überseeischen Gebieten treten kann; denn die Rohmaterialien liefern uns die
fremden Kolonien nur zu verhältnismäßig hohen Preisen, während sie unseren
Fabrikaten die Einfuhr erschweren. Wie z. B. Prof. Wohltmann**) behauptet,
kann Deutschland mindestens im Laufe eines Jahrhunderts seinen gesamten
Bedarf an kolonialen Rohstoffen in seinen Kolonien gewinnen, welche haupt¬
fächlich als Lieferanten folgender Produkte in Frage kommen: Textilrohstoffe,
wie Baumwolle, Hanf, Wolle, Seide; ölproduzierende Pflanzen, wie Erdnüsse,
Scham und Kokosnüsse; sogenannte Kolonialwaren, wie Kakao, Kaffee, Reis,
ferner Kautschuk, Gerbstoffe, tierische Produkte, Phosphat, Tabak, Kopai und
Bergwerksprodukte.

Es darf als sicher gelten, daß einerseits die Produktion unseres Mutter¬
landes für alle Rohmaterialien aus den deutschen Kolonien aufnahmefähig ist,
und daß sie anderseits alle Einfuhrartikel liefern kann, deren unsere Kolonien
bedürfen. Wenn also die Rohmaterialien unserer Kolonien nicht sämtlich nach
Deutschland abgesetzt werden, so liegt dies nicht an der mangelnden Aufnahme¬
fähigkeit unseres Marktes; denn in dieser Beziehung sind — mit Ausnahme
von England und Frankreich — unsere Aussichten besser als die anderer
Kolonialländer, die, wie z. B. Portugal, nicht in der Lage sind, alle Produkte
ihrer Kolonien zu verarbeiten und ihnen dafür die Fabrikate zu liefern, die in
den Kolonien benötigt werden. Sollte im übrigen unsere heimische Baumwoll¬
industrie nicht auch die billigen Stapelartikel liefern können, mit welchen die
englische Industrie unsere Kolonien versorgt? Sicherlich wäre sie dazu im-




*) Verhandlungen des Kongresses Seite 764 ff.
*") Tropenpflanzer Ur. 1, Jahrgang 1909.
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[0374] Die Förderung des Handels zwischen Uolonie und Mutterland seinem Referat*) über „die Entwicklung und Aussichten des Handels der Kolo¬ nien" darauf hingewiesen, daß Frankreich seine große Erdnußproduktion in West¬ afrika fast vollständig in französischen Fabriken verarbeitet, und daß bei uns dagegen z. B. Kakao und Palmöl aus Kamerun in beträchtlichen Mengen nach England, die Häuteausfuhr — neuerdings auch Sisal — aus Ostafrika nach Nordamerika und die Kopra zum größten Teil nach Frankreich geht. Obgleich wir ferner in bezug auf Kupfer von dem Hauptproduktionsland Amerika in bedenklicher Weise abhängig sind, gelangt nicht einmal das Kupfer der Otavi- mmen in Südwestafrika auf direktem Wege nach Deutschland; denn es wird von Amerika aufgekauft, dort verhüllet und dann erst zu Monopolpreisen wieder an Deutschland verkauft. Obgleich der größte Teil des Wertes der in den deutschen Kolonien erzeugten industriellen Rohstoffe und Kolonialwaren nach Deutschland ausgeführt wird, so kommen dennoch mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit der Produktion die nicht nach Deutschland gehenden Produkte doch sehr in Betracht. Ostafrika bezieht z. B. nur 35 Prozent seiner Einfuhr aus Deutschland. Woher stammt aber die übrige Einfuhr? Wohin gehen die Produkte unserer Kolonien? Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß unser eigener Kolonialhandel im Laufe einer längeren Entwicklung sehr wohl an die Stelle unseres Handels mit überseeischen Gebieten treten kann; denn die Rohmaterialien liefern uns die fremden Kolonien nur zu verhältnismäßig hohen Preisen, während sie unseren Fabrikaten die Einfuhr erschweren. Wie z. B. Prof. Wohltmann**) behauptet, kann Deutschland mindestens im Laufe eines Jahrhunderts seinen gesamten Bedarf an kolonialen Rohstoffen in seinen Kolonien gewinnen, welche haupt¬ fächlich als Lieferanten folgender Produkte in Frage kommen: Textilrohstoffe, wie Baumwolle, Hanf, Wolle, Seide; ölproduzierende Pflanzen, wie Erdnüsse, Scham und Kokosnüsse; sogenannte Kolonialwaren, wie Kakao, Kaffee, Reis, ferner Kautschuk, Gerbstoffe, tierische Produkte, Phosphat, Tabak, Kopai und Bergwerksprodukte. Es darf als sicher gelten, daß einerseits die Produktion unseres Mutter¬ landes für alle Rohmaterialien aus den deutschen Kolonien aufnahmefähig ist, und daß sie anderseits alle Einfuhrartikel liefern kann, deren unsere Kolonien bedürfen. Wenn also die Rohmaterialien unserer Kolonien nicht sämtlich nach Deutschland abgesetzt werden, so liegt dies nicht an der mangelnden Aufnahme¬ fähigkeit unseres Marktes; denn in dieser Beziehung sind — mit Ausnahme von England und Frankreich — unsere Aussichten besser als die anderer Kolonialländer, die, wie z. B. Portugal, nicht in der Lage sind, alle Produkte ihrer Kolonien zu verarbeiten und ihnen dafür die Fabrikate zu liefern, die in den Kolonien benötigt werden. Sollte im übrigen unsere heimische Baumwoll¬ industrie nicht auch die billigen Stapelartikel liefern können, mit welchen die englische Industrie unsere Kolonien versorgt? Sicherlich wäre sie dazu im- *) Verhandlungen des Kongresses Seite 764 ff. *") Tropenpflanzer Ur. 1, Jahrgang 1909.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/374>, abgerufen am 24.08.2024.