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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Förderung des Handels zwischen Kolonie und Mutterland

zollpolitischer Hinsicht nie ein Entgegenkommen gezeigt haben. Anderseits gelten
vom Standpunkte jedes einzelnen Schutzgebietes aus sowohl das Deutsche Reich
als auch alle anderen Schutzgebiete als Zollausland; die deutschen Fabrikate
müssen dort denselben Zoll entrichten wie die englischen, französischen und nord¬
amerikanischen, was um so merkwürdiger ist, als die Produkte Englands, Frank¬
reichs und der Vereinigten Staaten in den Kolonien dieser Länder Vorzugs¬
zölle eingeräumt erhalten. Aber auel im Verhältnis zwischen dem Deutschen
Reiche und dritten Staaten teilen die Schutzgebiete nicht die Rechtsstellung des
Mutterlandes, da die Handelsverträge des Deutschen Reiches sich nicht auf die
Kolonien erstrecken und demnach die Erzeugnisse der deutschen Kolonien in
fremden Staaten, mit denen das Reich die Meistbegünstigung vereinbart hat,
nicht ohne weiteres derselben teilhaftig werden.

Mit Rücksicht auf die Förderung, die der deutschen Landwirtschaft durch
Anstellung landwirtschaftlicher Sachverständiger und Errichtung von Versuchs¬
stationen in den deutschen Kolonien zuteil wird, wurde bereits im Plenum des
Kolonialkongresses 1910 aus wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gründen die
Forderung erhoben, auch dem Handel und der Industrie eine Förderung zuteil
werden zu lassen. Wenn wir auch absehen wollen von den großen Mitteln,
welche die ausländischen Kolonialmächte anwenden, so empfiehlt sich doch
dringend wenigstens ein kleines Mittel, welches wir bereits in denjenigen
Ländern zur Anwendung gebracht haben, die für unsere Einfuhr und Ausfuhr
wesentlich in Frage kommen. Durch die Institution der Handels- und land¬
wirtschaftlichen Sachverständigen, die wir in den verschiedensten Gegenden der
Welt haben, sind wir über alle Auslandsmärkte besser unterrichtet als über
unsere eigenen Kolonien. Eingehende Darstellungen, die sich auf die Markt-
und Wettbewerbsverhältnisse des Handels beziehen, werden bis jetzt nur
vom Gouvernement in Daressalam ausgearbeitet und erscheinen alljährlich unter
dem Titel "Deutsch-Ostafrika als Ein- und Ausfuhrmarkt" in den "Berichten
über Handel und Industrie". Im übrigen ist es den Gouvernements und
Bezirksämtern bei allen Bemühungen nicht möglich, das geforderte statistische
Material und die zur Begutachtung kolonialer Unternehmungen notwendigen
Unterlagen zu beschaffen oder es geschieht nur in vereinzelten Fällen und vor¬
übergehend. Infolge der erst so kurzen Entwicklung der gewerblichen Betriebe
unserer Kolonien versagt vielfach die Statistik bei der Bearbeitung des Materials.
Viele zur Erlangung eines wirklich zutreffenden Bildes notwendigen Zahlen
sind überhaupt nicht zu erlangen, so daß oft die Industrie zur Gewinnung
genauerer Unterlagen mit großen Kostenaufwendungen eigene Beauftragte hinaus¬
senden muß, um an Ort und Stelle Prüfungen vorzunehmen.

Die wertvolle amtliche Denkschrift, die alljährlich dem Reichstag über die
Entwicklung unserer Kolonien vorgelegt wird, hat doch kaum einen unmittelbar
praktischen Wert für Exporteure und Importeure und ist auch wohl in erster
Linie nicht dazu bestimmt, den Handel in unseren Kolonien direkt zu fördern.


Die Förderung des Handels zwischen Kolonie und Mutterland

zollpolitischer Hinsicht nie ein Entgegenkommen gezeigt haben. Anderseits gelten
vom Standpunkte jedes einzelnen Schutzgebietes aus sowohl das Deutsche Reich
als auch alle anderen Schutzgebiete als Zollausland; die deutschen Fabrikate
müssen dort denselben Zoll entrichten wie die englischen, französischen und nord¬
amerikanischen, was um so merkwürdiger ist, als die Produkte Englands, Frank¬
reichs und der Vereinigten Staaten in den Kolonien dieser Länder Vorzugs¬
zölle eingeräumt erhalten. Aber auel im Verhältnis zwischen dem Deutschen
Reiche und dritten Staaten teilen die Schutzgebiete nicht die Rechtsstellung des
Mutterlandes, da die Handelsverträge des Deutschen Reiches sich nicht auf die
Kolonien erstrecken und demnach die Erzeugnisse der deutschen Kolonien in
fremden Staaten, mit denen das Reich die Meistbegünstigung vereinbart hat,
nicht ohne weiteres derselben teilhaftig werden.

Mit Rücksicht auf die Förderung, die der deutschen Landwirtschaft durch
Anstellung landwirtschaftlicher Sachverständiger und Errichtung von Versuchs¬
stationen in den deutschen Kolonien zuteil wird, wurde bereits im Plenum des
Kolonialkongresses 1910 aus wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gründen die
Forderung erhoben, auch dem Handel und der Industrie eine Förderung zuteil
werden zu lassen. Wenn wir auch absehen wollen von den großen Mitteln,
welche die ausländischen Kolonialmächte anwenden, so empfiehlt sich doch
dringend wenigstens ein kleines Mittel, welches wir bereits in denjenigen
Ländern zur Anwendung gebracht haben, die für unsere Einfuhr und Ausfuhr
wesentlich in Frage kommen. Durch die Institution der Handels- und land¬
wirtschaftlichen Sachverständigen, die wir in den verschiedensten Gegenden der
Welt haben, sind wir über alle Auslandsmärkte besser unterrichtet als über
unsere eigenen Kolonien. Eingehende Darstellungen, die sich auf die Markt-
und Wettbewerbsverhältnisse des Handels beziehen, werden bis jetzt nur
vom Gouvernement in Daressalam ausgearbeitet und erscheinen alljährlich unter
dem Titel „Deutsch-Ostafrika als Ein- und Ausfuhrmarkt" in den „Berichten
über Handel und Industrie". Im übrigen ist es den Gouvernements und
Bezirksämtern bei allen Bemühungen nicht möglich, das geforderte statistische
Material und die zur Begutachtung kolonialer Unternehmungen notwendigen
Unterlagen zu beschaffen oder es geschieht nur in vereinzelten Fällen und vor¬
übergehend. Infolge der erst so kurzen Entwicklung der gewerblichen Betriebe
unserer Kolonien versagt vielfach die Statistik bei der Bearbeitung des Materials.
Viele zur Erlangung eines wirklich zutreffenden Bildes notwendigen Zahlen
sind überhaupt nicht zu erlangen, so daß oft die Industrie zur Gewinnung
genauerer Unterlagen mit großen Kostenaufwendungen eigene Beauftragte hinaus¬
senden muß, um an Ort und Stelle Prüfungen vorzunehmen.

Die wertvolle amtliche Denkschrift, die alljährlich dem Reichstag über die
Entwicklung unserer Kolonien vorgelegt wird, hat doch kaum einen unmittelbar
praktischen Wert für Exporteure und Importeure und ist auch wohl in erster
Linie nicht dazu bestimmt, den Handel in unseren Kolonien direkt zu fördern.


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[0370] Die Förderung des Handels zwischen Kolonie und Mutterland zollpolitischer Hinsicht nie ein Entgegenkommen gezeigt haben. Anderseits gelten vom Standpunkte jedes einzelnen Schutzgebietes aus sowohl das Deutsche Reich als auch alle anderen Schutzgebiete als Zollausland; die deutschen Fabrikate müssen dort denselben Zoll entrichten wie die englischen, französischen und nord¬ amerikanischen, was um so merkwürdiger ist, als die Produkte Englands, Frank¬ reichs und der Vereinigten Staaten in den Kolonien dieser Länder Vorzugs¬ zölle eingeräumt erhalten. Aber auel im Verhältnis zwischen dem Deutschen Reiche und dritten Staaten teilen die Schutzgebiete nicht die Rechtsstellung des Mutterlandes, da die Handelsverträge des Deutschen Reiches sich nicht auf die Kolonien erstrecken und demnach die Erzeugnisse der deutschen Kolonien in fremden Staaten, mit denen das Reich die Meistbegünstigung vereinbart hat, nicht ohne weiteres derselben teilhaftig werden. Mit Rücksicht auf die Förderung, die der deutschen Landwirtschaft durch Anstellung landwirtschaftlicher Sachverständiger und Errichtung von Versuchs¬ stationen in den deutschen Kolonien zuteil wird, wurde bereits im Plenum des Kolonialkongresses 1910 aus wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gründen die Forderung erhoben, auch dem Handel und der Industrie eine Förderung zuteil werden zu lassen. Wenn wir auch absehen wollen von den großen Mitteln, welche die ausländischen Kolonialmächte anwenden, so empfiehlt sich doch dringend wenigstens ein kleines Mittel, welches wir bereits in denjenigen Ländern zur Anwendung gebracht haben, die für unsere Einfuhr und Ausfuhr wesentlich in Frage kommen. Durch die Institution der Handels- und land¬ wirtschaftlichen Sachverständigen, die wir in den verschiedensten Gegenden der Welt haben, sind wir über alle Auslandsmärkte besser unterrichtet als über unsere eigenen Kolonien. Eingehende Darstellungen, die sich auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse des Handels beziehen, werden bis jetzt nur vom Gouvernement in Daressalam ausgearbeitet und erscheinen alljährlich unter dem Titel „Deutsch-Ostafrika als Ein- und Ausfuhrmarkt" in den „Berichten über Handel und Industrie". Im übrigen ist es den Gouvernements und Bezirksämtern bei allen Bemühungen nicht möglich, das geforderte statistische Material und die zur Begutachtung kolonialer Unternehmungen notwendigen Unterlagen zu beschaffen oder es geschieht nur in vereinzelten Fällen und vor¬ übergehend. Infolge der erst so kurzen Entwicklung der gewerblichen Betriebe unserer Kolonien versagt vielfach die Statistik bei der Bearbeitung des Materials. Viele zur Erlangung eines wirklich zutreffenden Bildes notwendigen Zahlen sind überhaupt nicht zu erlangen, so daß oft die Industrie zur Gewinnung genauerer Unterlagen mit großen Kostenaufwendungen eigene Beauftragte hinaus¬ senden muß, um an Ort und Stelle Prüfungen vorzunehmen. Die wertvolle amtliche Denkschrift, die alljährlich dem Reichstag über die Entwicklung unserer Kolonien vorgelegt wird, hat doch kaum einen unmittelbar praktischen Wert für Exporteure und Importeure und ist auch wohl in erster Linie nicht dazu bestimmt, den Handel in unseren Kolonien direkt zu fördern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/370>, abgerufen am 25.08.2024.