Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.Reform der linieren Verwaltung Ohne einen solchen leitenden Gedanken, der für die Neugestaltung der Dinge Es soll daher in erster Linie unsere Aufgabe sein, uns mit der Reform Ohne Zweifel wird der leitende Gedanke für die Reform der Verwaltung Hüten muß man sich, an Stelle des Wortes "Vereinfachung" "Moderni¬ Fragen wir uns nun. nach welcher Richtung die anzustrebende Verein¬ Reform der linieren Verwaltung Ohne einen solchen leitenden Gedanken, der für die Neugestaltung der Dinge Es soll daher in erster Linie unsere Aufgabe sein, uns mit der Reform Ohne Zweifel wird der leitende Gedanke für die Reform der Verwaltung Hüten muß man sich, an Stelle des Wortes „Vereinfachung" „Moderni¬ Fragen wir uns nun. nach welcher Richtung die anzustrebende Verein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327130"/> <fw type="header" place="top"> Reform der linieren Verwaltung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1240" prev="#ID_1239"> Ohne einen solchen leitenden Gedanken, der für die Neugestaltung der Dinge<lb/> maßgebend sein soll, kann es sich wohl um mehr oder weniger große Ände¬<lb/> rungen, nicht aber um eine Reform handeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_1241"> Es soll daher in erster Linie unsere Aufgabe sein, uns mit der Reform<lb/> der Verwaltung des Innern im allgemeinen zu beschäftigen, um erst dann<lb/> einige Wege anzudeuten, welche mit Rücksicht auf die allgemeinen Gesichtspunkte<lb/> gangbar erscheinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1242"> Ohne Zweifel wird der leitende Gedanke für die Reform der Verwaltung<lb/> des Innern durch das Wort „Vereinfachung" am besten seinen Ausdruck finden.<lb/> Die neue Geschäftsanweisung für die Regierungen gibt dies unzweideutig zu<lb/> erkennen. Und wo auch immer Mängel der Verwaltung zur Sprache gebracht<lb/> worden sind, da ist es wohl stets in dem Sinne geschehen, daß Vereinfachung<lb/> nottut.</p><lb/> <p xml:id="ID_1243"> Hüten muß man sich, an Stelle des Wortes „Vereinfachung" „Moderni¬<lb/> sierung" zu setzen, wie dies hin und wieder geschehen ist. „Modernisierung"<lb/> ist schon vom Standpunkt der Gegenwart ein unbestimmter Begriff, bei dem<lb/> sich jeder etwas anderes denken kann. Noch bedenklicher ist es, daß dieser<lb/> Begriff, wie alles, was mit der Mode zu tun hat, recht veränderlich ist.<lb/> Staatliche Einrichtungen müssen aber für eine längere Dauer berechnet sein und<lb/> zudem sich auf einer Grundlage aufbauen, für die in der Hauptsache immer<lb/> die gleichen Gesetze gelten. Es liegt dies im Wesen des stets aus gleichen<lb/> Ursachen hervorgehenden Staates begründet. Eine Modernisierung würde dem¬<lb/> nach einen doppelten Nachteil in sich schließen. Einmal dadurch, daß sie durch<lb/> allzu starke Betonung vorübergehender Zeitanschauungen den Interessen des<lb/> Staates, daher auch den Interessen der Allgemeinheit, zuwider wäre; das<lb/> andere Mal dadurch, daß sie auch den wechselnden Anschauungen des Publikums<lb/> bald nicht mehr genügen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1244" next="#ID_1245"> Fragen wir uns nun. nach welcher Richtung die anzustrebende Verein¬<lb/> fachung möglich wäre, so muß zunächst der Ansicht entgegengetreten werden, als<lb/> gelte es bei der Reform die Verwaltung von einem Zopf aus uralter Zeit,<lb/> der an allem bösen Bureaukratismus und den oft gerügten Schwerfälligkeiten<lb/> schuld sein soll, zu befreien. Nichts ist wohl unrichtiger als eine derartige<lb/> Anschauung. Geht man ein Jahrhundert zurück und blättert in der alten noch<lb/> heute zum Teil gültigen Regierungsinstruktion zum 23. Oktober 1817, so kann<lb/> man sich leicht überzeugen, daß sie im Grunde recht einfach und vor allen<lb/> Dingen ein einheitlich und folgerichtig durchdachtes Ganze war. Da waren<lb/> zwei, später drei Abteilungen, in denen gleichmäßig durch Abstimmung die Ent¬<lb/> scheidung herbeigeführt wurde, während dem Präsidenten der Regierung gewisse<lb/> Sonderrechte zukamen. Auf diese Weise lag der Schwerpunkt bei den De¬<lb/> zernenten, die mit Recht ihren Namen führten. Sie waren sozusagen die Seele<lb/> der Regierung, und es war eben der große Vorzug jener Instruktion, daß es<lb/> sine solche Seele überhaupt gab. Heute arbeiten zwei Abteilungen der Regierung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Reform der linieren Verwaltung
Ohne einen solchen leitenden Gedanken, der für die Neugestaltung der Dinge
maßgebend sein soll, kann es sich wohl um mehr oder weniger große Ände¬
rungen, nicht aber um eine Reform handeln.
Es soll daher in erster Linie unsere Aufgabe sein, uns mit der Reform
der Verwaltung des Innern im allgemeinen zu beschäftigen, um erst dann
einige Wege anzudeuten, welche mit Rücksicht auf die allgemeinen Gesichtspunkte
gangbar erscheinen.
Ohne Zweifel wird der leitende Gedanke für die Reform der Verwaltung
des Innern durch das Wort „Vereinfachung" am besten seinen Ausdruck finden.
Die neue Geschäftsanweisung für die Regierungen gibt dies unzweideutig zu
erkennen. Und wo auch immer Mängel der Verwaltung zur Sprache gebracht
worden sind, da ist es wohl stets in dem Sinne geschehen, daß Vereinfachung
nottut.
Hüten muß man sich, an Stelle des Wortes „Vereinfachung" „Moderni¬
sierung" zu setzen, wie dies hin und wieder geschehen ist. „Modernisierung"
ist schon vom Standpunkt der Gegenwart ein unbestimmter Begriff, bei dem
sich jeder etwas anderes denken kann. Noch bedenklicher ist es, daß dieser
Begriff, wie alles, was mit der Mode zu tun hat, recht veränderlich ist.
Staatliche Einrichtungen müssen aber für eine längere Dauer berechnet sein und
zudem sich auf einer Grundlage aufbauen, für die in der Hauptsache immer
die gleichen Gesetze gelten. Es liegt dies im Wesen des stets aus gleichen
Ursachen hervorgehenden Staates begründet. Eine Modernisierung würde dem¬
nach einen doppelten Nachteil in sich schließen. Einmal dadurch, daß sie durch
allzu starke Betonung vorübergehender Zeitanschauungen den Interessen des
Staates, daher auch den Interessen der Allgemeinheit, zuwider wäre; das
andere Mal dadurch, daß sie auch den wechselnden Anschauungen des Publikums
bald nicht mehr genügen würde.
Fragen wir uns nun. nach welcher Richtung die anzustrebende Verein¬
fachung möglich wäre, so muß zunächst der Ansicht entgegengetreten werden, als
gelte es bei der Reform die Verwaltung von einem Zopf aus uralter Zeit,
der an allem bösen Bureaukratismus und den oft gerügten Schwerfälligkeiten
schuld sein soll, zu befreien. Nichts ist wohl unrichtiger als eine derartige
Anschauung. Geht man ein Jahrhundert zurück und blättert in der alten noch
heute zum Teil gültigen Regierungsinstruktion zum 23. Oktober 1817, so kann
man sich leicht überzeugen, daß sie im Grunde recht einfach und vor allen
Dingen ein einheitlich und folgerichtig durchdachtes Ganze war. Da waren
zwei, später drei Abteilungen, in denen gleichmäßig durch Abstimmung die Ent¬
scheidung herbeigeführt wurde, während dem Präsidenten der Regierung gewisse
Sonderrechte zukamen. Auf diese Weise lag der Schwerpunkt bei den De¬
zernenten, die mit Recht ihren Namen führten. Sie waren sozusagen die Seele
der Regierung, und es war eben der große Vorzug jener Instruktion, daß es
sine solche Seele überhaupt gab. Heute arbeiten zwei Abteilungen der Regierung
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