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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Geschichte von Hakon, dem Sohne l^arcks

trennten, wieder gut machen wolle, was er, verführt durch die Verleumdung
und durch den Meineid schlechter Menschen, an ihm gefehlt habe und bat nun
Vigfus, daß er bis auf den Grund den Bau, den der englische Meister aufge¬
führt hatte, niederreiße und dem ganzen Werke eine einheitliche Form gebe.
Vigfus tat so und der Bau des Palastes wurde zu Ende geführt, bevor die
Schiffe im Sommer von England absegelten. Der König veranstaltete hierauf
ein großes Gelage, daß er dem Vigfus zu Ehren wegen der Vollendung des
Palastes gab. Die Engländer priesen den Bau außerordentlich, wie er es ver¬
diente. Als das Gelage sein Ende gefunden, schenkte der König dem Vigfus
zwei Schiffe, beladen mit kostbarer Ware und sprach freundliche Worte des
Lobes. Vigfus traf nun seine Vorbereitungen zur Abreise nach Norwegen; er
besaß das Fahrzeug, daß ihm Svein geschenkt und ein zweites ebenso, großes
Schiff, daß er in England gekauft hatte; er belud beide mit Waren, die er
für die ihm vom Dänenkönig geschenkten Güter eingetauscht hatte. Er gab
diesen vier Schiffen mit seiner Kunstfertigkeit ein überaus schmuckes Äußere
und versah sie mit vergoldeten Wetterfahnen und verschieden gefärbten Segeln.

Hierauf steuerte er von England weg in die See, erhielt guten Wind und
erreichte eines Abends die Küste Norwegens gerade da, wo Vit, seine Heimat
lag; er brachte die Schiffe in einen Schlupfwinkel, bestieg mit einigen Männern
ein Boot und ruderte still zu dem Hofe hin, den er vor langer Zeit verlassen
hatte; er ging allein ans Land und hinauf zu dem Hofe, aber es gefiel ihm
hier sehr übel, so daß ihn gleich ein mächtiger Zorn erfaßte; denn es waren
an dem Gehöfte große Veränderungen vorgenommen und die Wände desselben
frisch geleert worden; aus diesem Grunde hielt er es für sicher, daß seine Frau
sich einen neuen Gatten gewählt; er ging hinauf in die Räume, die ihm bekannt
waren und suchte den Ort, wo seine Frau schlafen mochte, denn die Schlaf¬
kammer, von der früher Erwähnung geschah, war leer. Er kam nun in ein
Obergemach, in dem ein Bett stand und in demselben sah er seine Frau liegen
und in ihren Armen einen schönen Mann; es schien ihm nun sicher zu stehen,
daß seine Vermutung richtig gewesen, und ein tätlicher Haß erfüllte sein Herz,
so daß er auf der Stelle dem Manne das Leben nehmen wollte; aber mit
Gottes Hilfe kam ihm der dritte Ratschlag König Socius in Erinnerung, der
ihm verbot, einen Totschlag so rasch zu begehen, wie ihm seine Leidenschaft
antrieb. Er trat jetzt vom Bette zurück, soweit es innerhalb des Zimmers
möglich war und beschloß da stehen zu bleiben, während er ein Paternoster
sprach. Der Erfolg blieb ans; denn der Zorn hatte ihn dicht ans Bett geführt,
kaum daß das Gebet zu Ende war.

Er eilte zum zweiten Male zurück und beschloß bei sich, er wolle mit allem
dem, was er litt, seine Rettung aus Lebensgefahr in England vergelten und
so den Ratschlag König Socius befolgen; aber es ging ihm jetzt genau so wie
früher. Zum dritten Male zog er sich zurück, aber schon stand er, als er das
Gebet beendet hatte, am Bette mit gezücktem Schwert, ergriff den Jüngling an


Die Geschichte von Hakon, dem Sohne l^arcks

trennten, wieder gut machen wolle, was er, verführt durch die Verleumdung
und durch den Meineid schlechter Menschen, an ihm gefehlt habe und bat nun
Vigfus, daß er bis auf den Grund den Bau, den der englische Meister aufge¬
führt hatte, niederreiße und dem ganzen Werke eine einheitliche Form gebe.
Vigfus tat so und der Bau des Palastes wurde zu Ende geführt, bevor die
Schiffe im Sommer von England absegelten. Der König veranstaltete hierauf
ein großes Gelage, daß er dem Vigfus zu Ehren wegen der Vollendung des
Palastes gab. Die Engländer priesen den Bau außerordentlich, wie er es ver¬
diente. Als das Gelage sein Ende gefunden, schenkte der König dem Vigfus
zwei Schiffe, beladen mit kostbarer Ware und sprach freundliche Worte des
Lobes. Vigfus traf nun seine Vorbereitungen zur Abreise nach Norwegen; er
besaß das Fahrzeug, daß ihm Svein geschenkt und ein zweites ebenso, großes
Schiff, daß er in England gekauft hatte; er belud beide mit Waren, die er
für die ihm vom Dänenkönig geschenkten Güter eingetauscht hatte. Er gab
diesen vier Schiffen mit seiner Kunstfertigkeit ein überaus schmuckes Äußere
und versah sie mit vergoldeten Wetterfahnen und verschieden gefärbten Segeln.

Hierauf steuerte er von England weg in die See, erhielt guten Wind und
erreichte eines Abends die Küste Norwegens gerade da, wo Vit, seine Heimat
lag; er brachte die Schiffe in einen Schlupfwinkel, bestieg mit einigen Männern
ein Boot und ruderte still zu dem Hofe hin, den er vor langer Zeit verlassen
hatte; er ging allein ans Land und hinauf zu dem Hofe, aber es gefiel ihm
hier sehr übel, so daß ihn gleich ein mächtiger Zorn erfaßte; denn es waren
an dem Gehöfte große Veränderungen vorgenommen und die Wände desselben
frisch geleert worden; aus diesem Grunde hielt er es für sicher, daß seine Frau
sich einen neuen Gatten gewählt; er ging hinauf in die Räume, die ihm bekannt
waren und suchte den Ort, wo seine Frau schlafen mochte, denn die Schlaf¬
kammer, von der früher Erwähnung geschah, war leer. Er kam nun in ein
Obergemach, in dem ein Bett stand und in demselben sah er seine Frau liegen
und in ihren Armen einen schönen Mann; es schien ihm nun sicher zu stehen,
daß seine Vermutung richtig gewesen, und ein tätlicher Haß erfüllte sein Herz,
so daß er auf der Stelle dem Manne das Leben nehmen wollte; aber mit
Gottes Hilfe kam ihm der dritte Ratschlag König Socius in Erinnerung, der
ihm verbot, einen Totschlag so rasch zu begehen, wie ihm seine Leidenschaft
antrieb. Er trat jetzt vom Bette zurück, soweit es innerhalb des Zimmers
möglich war und beschloß da stehen zu bleiben, während er ein Paternoster
sprach. Der Erfolg blieb ans; denn der Zorn hatte ihn dicht ans Bett geführt,
kaum daß das Gebet zu Ende war.

Er eilte zum zweiten Male zurück und beschloß bei sich, er wolle mit allem
dem, was er litt, seine Rettung aus Lebensgefahr in England vergelten und
so den Ratschlag König Socius befolgen; aber es ging ihm jetzt genau so wie
früher. Zum dritten Male zog er sich zurück, aber schon stand er, als er das
Gebet beendet hatte, am Bette mit gezücktem Schwert, ergriff den Jüngling an


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[0233] Die Geschichte von Hakon, dem Sohne l^arcks trennten, wieder gut machen wolle, was er, verführt durch die Verleumdung und durch den Meineid schlechter Menschen, an ihm gefehlt habe und bat nun Vigfus, daß er bis auf den Grund den Bau, den der englische Meister aufge¬ führt hatte, niederreiße und dem ganzen Werke eine einheitliche Form gebe. Vigfus tat so und der Bau des Palastes wurde zu Ende geführt, bevor die Schiffe im Sommer von England absegelten. Der König veranstaltete hierauf ein großes Gelage, daß er dem Vigfus zu Ehren wegen der Vollendung des Palastes gab. Die Engländer priesen den Bau außerordentlich, wie er es ver¬ diente. Als das Gelage sein Ende gefunden, schenkte der König dem Vigfus zwei Schiffe, beladen mit kostbarer Ware und sprach freundliche Worte des Lobes. Vigfus traf nun seine Vorbereitungen zur Abreise nach Norwegen; er besaß das Fahrzeug, daß ihm Svein geschenkt und ein zweites ebenso, großes Schiff, daß er in England gekauft hatte; er belud beide mit Waren, die er für die ihm vom Dänenkönig geschenkten Güter eingetauscht hatte. Er gab diesen vier Schiffen mit seiner Kunstfertigkeit ein überaus schmuckes Äußere und versah sie mit vergoldeten Wetterfahnen und verschieden gefärbten Segeln. Hierauf steuerte er von England weg in die See, erhielt guten Wind und erreichte eines Abends die Küste Norwegens gerade da, wo Vit, seine Heimat lag; er brachte die Schiffe in einen Schlupfwinkel, bestieg mit einigen Männern ein Boot und ruderte still zu dem Hofe hin, den er vor langer Zeit verlassen hatte; er ging allein ans Land und hinauf zu dem Hofe, aber es gefiel ihm hier sehr übel, so daß ihn gleich ein mächtiger Zorn erfaßte; denn es waren an dem Gehöfte große Veränderungen vorgenommen und die Wände desselben frisch geleert worden; aus diesem Grunde hielt er es für sicher, daß seine Frau sich einen neuen Gatten gewählt; er ging hinauf in die Räume, die ihm bekannt waren und suchte den Ort, wo seine Frau schlafen mochte, denn die Schlaf¬ kammer, von der früher Erwähnung geschah, war leer. Er kam nun in ein Obergemach, in dem ein Bett stand und in demselben sah er seine Frau liegen und in ihren Armen einen schönen Mann; es schien ihm nun sicher zu stehen, daß seine Vermutung richtig gewesen, und ein tätlicher Haß erfüllte sein Herz, so daß er auf der Stelle dem Manne das Leben nehmen wollte; aber mit Gottes Hilfe kam ihm der dritte Ratschlag König Socius in Erinnerung, der ihm verbot, einen Totschlag so rasch zu begehen, wie ihm seine Leidenschaft antrieb. Er trat jetzt vom Bette zurück, soweit es innerhalb des Zimmers möglich war und beschloß da stehen zu bleiben, während er ein Paternoster sprach. Der Erfolg blieb ans; denn der Zorn hatte ihn dicht ans Bett geführt, kaum daß das Gebet zu Ende war. Er eilte zum zweiten Male zurück und beschloß bei sich, er wolle mit allem dem, was er litt, seine Rettung aus Lebensgefahr in England vergelten und so den Ratschlag König Socius befolgen; aber es ging ihm jetzt genau so wie früher. Zum dritten Male zog er sich zurück, aber schon stand er, als er das Gebet beendet hatte, am Bette mit gezücktem Schwert, ergriff den Jüngling an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/233>, abgerufen am 23.07.2024.