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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Kaisermanöver von ^9^3

sammenwirken der Waffen, das Ineinandergreifen der Infanterie und der
Artillerie kommt hauptsächlich in der Division zum Ausdruck. Im Korps¬
verbande fechten die beiden Divistonen mehr oder minder nebeneinander für
sich. Die Haupttätigkeit des kommandierender Generals liegt nicht auf kampf¬
technischem Gebiete. Hält man es aber doch für notwendig, daß die einheit¬
liche Verwendung des Korps im Angriff und in der Verteidigung geübt wird,
weil dies für die Ausbildung von Führer und Truppe unerläßlich ist -- so
genügt es auch nicht, daß dies einmal im Jahre bei zwei Armeekorps des
ganzen Heeres geübt wird, dann muß jedes Korps unter seinem komman¬
dierender General alljährlich zu solchen Übungen herangezogen werden. Dann
darf nicht -- wie es bisher der Fall ist -- die Gefechtsausbildung mit den
Brigadeübungen auf dem Truppenübungsplatz ihr Ende erreichen, sondern sie
muß im Divisions- und Korpsverbande fortgesetzt werden. Dies ist die not¬
wendige Folge. Und genügen unfere Truppenübungsplätze dazu nicht nach Zahl
und Ausdehnung, so müssen sie entsprechend vermehrt und vergrößert werden.
Dies ist eine Forderung, an der man in Zukunft nicht vorbeigehen kann.

Die Kaisermanöver aber dazu zu verwenden, entspricht nicht ihrer eigent¬
lichen Bestimmung. Geschieht dies, so geht die einzige Möglichkeit, Führer auf
operativen Gebiete zu erziehen, verloren. Und dies ist lebhaft zu bedauern.
Der Einwurf, daß sich dies auf anderem Wege, durch theoretische Arbeiten und
Studien erzielen lasse, ist nicht stichhaltig. Es ist etwas ganz anderes, mit
richtigen Truppen im Gelände zu üben, wo alle die vielen Reibungen, wie sie
im Kriege eintreten und die Führung erschweren, wenigstens teilweise in die
Erscheinung treten, als auf dem Papiere zu arbeiten, wo alle diese Hemmnisse
wegfallen. Wir brauchen für den Zukunftskrieg Strategen und nicht nur Taktiker.
Die Zeiten find längst vorüber, wo -- wie es ein Kommandierender bei einer
Kritik einmal sagte -- es genügt, wenn Seine Majestät sich einen Strategen
hält: "Und das sind weder Sie noch ich." Es sollen auch nicht nur Korps --
sondern auch Armeeführer ausgebildet werden. Und wenn auch die Truppen¬
führung im höchsten Sinne eine angeborene Gabe ist, so bedarf sie doch zu ihrer
Entwicklung der Übung. Auch Friedrich der Große hat sich erst allmählich zu
seiner späteren Feldherrngröße entwickelt. Der erste Schlesische Krieg ist seine
Schule gewesen. Ebenso kann man an Napoleon deutlich erkennen, wie sich
seine Feldherrnkunst herausgebildet hat. So schaffe man auch denjenigen Gene¬
ralen, die im Ernstfalle für die höchsten Führerstellen des Heeres ausersehen
find, die Möglichkeit, sich auf operativen Gebiete auszubilden. Dafür sind die
Kaisermanöver vorhanden, das ist ihr hoher Wert, dieser geht aber verloren,
wenn diese Übungen zu anderen Zwecken verwendet werden, die sich auch auf
anderem Wege erreichen lassen.




Die Kaisermanöver von ^9^3

sammenwirken der Waffen, das Ineinandergreifen der Infanterie und der
Artillerie kommt hauptsächlich in der Division zum Ausdruck. Im Korps¬
verbande fechten die beiden Divistonen mehr oder minder nebeneinander für
sich. Die Haupttätigkeit des kommandierender Generals liegt nicht auf kampf¬
technischem Gebiete. Hält man es aber doch für notwendig, daß die einheit¬
liche Verwendung des Korps im Angriff und in der Verteidigung geübt wird,
weil dies für die Ausbildung von Führer und Truppe unerläßlich ist — so
genügt es auch nicht, daß dies einmal im Jahre bei zwei Armeekorps des
ganzen Heeres geübt wird, dann muß jedes Korps unter seinem komman¬
dierender General alljährlich zu solchen Übungen herangezogen werden. Dann
darf nicht — wie es bisher der Fall ist — die Gefechtsausbildung mit den
Brigadeübungen auf dem Truppenübungsplatz ihr Ende erreichen, sondern sie
muß im Divisions- und Korpsverbande fortgesetzt werden. Dies ist die not¬
wendige Folge. Und genügen unfere Truppenübungsplätze dazu nicht nach Zahl
und Ausdehnung, so müssen sie entsprechend vermehrt und vergrößert werden.
Dies ist eine Forderung, an der man in Zukunft nicht vorbeigehen kann.

Die Kaisermanöver aber dazu zu verwenden, entspricht nicht ihrer eigent¬
lichen Bestimmung. Geschieht dies, so geht die einzige Möglichkeit, Führer auf
operativen Gebiete zu erziehen, verloren. Und dies ist lebhaft zu bedauern.
Der Einwurf, daß sich dies auf anderem Wege, durch theoretische Arbeiten und
Studien erzielen lasse, ist nicht stichhaltig. Es ist etwas ganz anderes, mit
richtigen Truppen im Gelände zu üben, wo alle die vielen Reibungen, wie sie
im Kriege eintreten und die Führung erschweren, wenigstens teilweise in die
Erscheinung treten, als auf dem Papiere zu arbeiten, wo alle diese Hemmnisse
wegfallen. Wir brauchen für den Zukunftskrieg Strategen und nicht nur Taktiker.
Die Zeiten find längst vorüber, wo — wie es ein Kommandierender bei einer
Kritik einmal sagte — es genügt, wenn Seine Majestät sich einen Strategen
hält: „Und das sind weder Sie noch ich." Es sollen auch nicht nur Korps —
sondern auch Armeeführer ausgebildet werden. Und wenn auch die Truppen¬
führung im höchsten Sinne eine angeborene Gabe ist, so bedarf sie doch zu ihrer
Entwicklung der Übung. Auch Friedrich der Große hat sich erst allmählich zu
seiner späteren Feldherrngröße entwickelt. Der erste Schlesische Krieg ist seine
Schule gewesen. Ebenso kann man an Napoleon deutlich erkennen, wie sich
seine Feldherrnkunst herausgebildet hat. So schaffe man auch denjenigen Gene¬
ralen, die im Ernstfalle für die höchsten Führerstellen des Heeres ausersehen
find, die Möglichkeit, sich auf operativen Gebiete auszubilden. Dafür sind die
Kaisermanöver vorhanden, das ist ihr hoher Wert, dieser geht aber verloren,
wenn diese Übungen zu anderen Zwecken verwendet werden, die sich auch auf
anderem Wege erreichen lassen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/18>, abgerufen am 24.08.2024.