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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Raisermanöver von

handelte es sich also um frontalen Vormatsch und frontales Gefecht eines auf
beiden Seiten angelehnten Armeekorps. Um dieses Verhältnis recht augen¬
scheinlich zu machen, waren die Flügel der Nachbarkorps durch Truppen dar¬
gestellt, die anderen Friedensarmeekorps entnommen waren und die unmittelbar
von der Leitung bewegt wurden. Es war also tatsächlich ein fester Rahmen
geschaffen worden, den die Korps nicht überschreiten konnten. Die Möglichkeit,
sich in irgendeiner Weise beim Marsch oder im Gefecht weiter auszudehnen, war
dadurch genommen.

Wenn man diese Manöveranlage beurteilen will, so muß ohne weiteres
zugegeben werden, daß sie sich auf durchaus krtegsgemäßer Grundlage bewegt
und den Verhältnissen des Ernstfalles entspricht. Im Zukunftskriege der
Millionenheere werden die Armeekorps in engster Versammlung dicht neben¬
einander vorgehen und auch fechten. Es wird auch nur fetten vorkommen,
daß ein Armeekorps ganz allein mit einer selbständigen Aufgabe betraut wird.
Das Vorgehen im großen Verbände wird die Regel sein. Es ist sozusagen
das tägliche Brot der Truppenführung. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es
auch zweckmäßig, daß der Kampf beiderseitig angelehnter Truppenkörper geübt
wird. Es ist auch nicht richtig, daß diese Art der Führung und Truppen-
Verwendung viel leichter ist. als das selbständige Handeln, wo das Gelände
unbeschränkt zur Verfügung steht. Es ist häufiger viel schwerer, mit einem zu¬
gewiesenen Abschnitt auszukommen. Der Führer kann sich nicht das ihm
günstigste Gelände aussuchen, er muß es fo nehmen, wie er es in seinem Ab¬
schnitt vorfindet, er kann sich nicht nach Belieben ausdehnen, der Truppenver-
Wendung sind bestimmte Grenzen gesteckt. Auf die Nachbartruppen muß ständig
Rücksicht genommen werden. Alles das erschwert die Führung und will gelernt
werden. Es ist also sicher ein gesunder Gedanke, daß das Verhalten eines auf
beiden Flügeln angelehnten größeren Truppenverbandes überhaupt zur Dar¬
stellung konnte. es frägt sich aber, ob gerade die Kaisermanöver dazu da sind.

Im allgemeinen können derartige Übungen auf den Truppenübungsplätzen
abgehalten werden, ohne daß es dazu des großen Apparates bedarf, wie er für
die Kaisermanöver aufgeboten wird. Schon häufig haben auf ihnen während
mehrerer Tage Gefechtsübungen geschlossener Divisionen stattgefunden, bei denen
die verschiedenen Formen der Gefechtshandlungen zur Darstellung kamen.
Fraglich könnte es nur sein, ob diese für die Entwicklung eines ganzen Armee¬
korps räumlich ausreichen. Wo dies nicht der Fall sein sollte, könnte aber
durch Verwendung des umliegenden Geländes leicht Abhilfe geschaffen werden.
Fraglich kann es auch sein, ob der Kampf eines angelehnten Armeekorps über¬
haupt einer besonderen Übung bedarf, und ob es nicht genügt, wenn die
Division in dem Kampfverfahren gut ausgebildet ist. Der Einfluß des kom¬
mandierender Generals zeigt sich hauptsächlich in dem Ansetzen der Divisionen,
in der Zuweisung des Gefechtsstreifens, in der Ausscheidung und dem späteren Ein-
setzen der Reserve. Im übrigen sind die Divisionen selbständig. Das Zu-


Die Raisermanöver von

handelte es sich also um frontalen Vormatsch und frontales Gefecht eines auf
beiden Seiten angelehnten Armeekorps. Um dieses Verhältnis recht augen¬
scheinlich zu machen, waren die Flügel der Nachbarkorps durch Truppen dar¬
gestellt, die anderen Friedensarmeekorps entnommen waren und die unmittelbar
von der Leitung bewegt wurden. Es war also tatsächlich ein fester Rahmen
geschaffen worden, den die Korps nicht überschreiten konnten. Die Möglichkeit,
sich in irgendeiner Weise beim Marsch oder im Gefecht weiter auszudehnen, war
dadurch genommen.

Wenn man diese Manöveranlage beurteilen will, so muß ohne weiteres
zugegeben werden, daß sie sich auf durchaus krtegsgemäßer Grundlage bewegt
und den Verhältnissen des Ernstfalles entspricht. Im Zukunftskriege der
Millionenheere werden die Armeekorps in engster Versammlung dicht neben¬
einander vorgehen und auch fechten. Es wird auch nur fetten vorkommen,
daß ein Armeekorps ganz allein mit einer selbständigen Aufgabe betraut wird.
Das Vorgehen im großen Verbände wird die Regel sein. Es ist sozusagen
das tägliche Brot der Truppenführung. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es
auch zweckmäßig, daß der Kampf beiderseitig angelehnter Truppenkörper geübt
wird. Es ist auch nicht richtig, daß diese Art der Führung und Truppen-
Verwendung viel leichter ist. als das selbständige Handeln, wo das Gelände
unbeschränkt zur Verfügung steht. Es ist häufiger viel schwerer, mit einem zu¬
gewiesenen Abschnitt auszukommen. Der Führer kann sich nicht das ihm
günstigste Gelände aussuchen, er muß es fo nehmen, wie er es in seinem Ab¬
schnitt vorfindet, er kann sich nicht nach Belieben ausdehnen, der Truppenver-
Wendung sind bestimmte Grenzen gesteckt. Auf die Nachbartruppen muß ständig
Rücksicht genommen werden. Alles das erschwert die Führung und will gelernt
werden. Es ist also sicher ein gesunder Gedanke, daß das Verhalten eines auf
beiden Flügeln angelehnten größeren Truppenverbandes überhaupt zur Dar¬
stellung konnte. es frägt sich aber, ob gerade die Kaisermanöver dazu da sind.

Im allgemeinen können derartige Übungen auf den Truppenübungsplätzen
abgehalten werden, ohne daß es dazu des großen Apparates bedarf, wie er für
die Kaisermanöver aufgeboten wird. Schon häufig haben auf ihnen während
mehrerer Tage Gefechtsübungen geschlossener Divisionen stattgefunden, bei denen
die verschiedenen Formen der Gefechtshandlungen zur Darstellung kamen.
Fraglich könnte es nur sein, ob diese für die Entwicklung eines ganzen Armee¬
korps räumlich ausreichen. Wo dies nicht der Fall sein sollte, könnte aber
durch Verwendung des umliegenden Geländes leicht Abhilfe geschaffen werden.
Fraglich kann es auch sein, ob der Kampf eines angelehnten Armeekorps über¬
haupt einer besonderen Übung bedarf, und ob es nicht genügt, wenn die
Division in dem Kampfverfahren gut ausgebildet ist. Der Einfluß des kom¬
mandierender Generals zeigt sich hauptsächlich in dem Ansetzen der Divisionen,
in der Zuweisung des Gefechtsstreifens, in der Ausscheidung und dem späteren Ein-
setzen der Reserve. Im übrigen sind die Divisionen selbständig. Das Zu-


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[0017] Die Raisermanöver von handelte es sich also um frontalen Vormatsch und frontales Gefecht eines auf beiden Seiten angelehnten Armeekorps. Um dieses Verhältnis recht augen¬ scheinlich zu machen, waren die Flügel der Nachbarkorps durch Truppen dar¬ gestellt, die anderen Friedensarmeekorps entnommen waren und die unmittelbar von der Leitung bewegt wurden. Es war also tatsächlich ein fester Rahmen geschaffen worden, den die Korps nicht überschreiten konnten. Die Möglichkeit, sich in irgendeiner Weise beim Marsch oder im Gefecht weiter auszudehnen, war dadurch genommen. Wenn man diese Manöveranlage beurteilen will, so muß ohne weiteres zugegeben werden, daß sie sich auf durchaus krtegsgemäßer Grundlage bewegt und den Verhältnissen des Ernstfalles entspricht. Im Zukunftskriege der Millionenheere werden die Armeekorps in engster Versammlung dicht neben¬ einander vorgehen und auch fechten. Es wird auch nur fetten vorkommen, daß ein Armeekorps ganz allein mit einer selbständigen Aufgabe betraut wird. Das Vorgehen im großen Verbände wird die Regel sein. Es ist sozusagen das tägliche Brot der Truppenführung. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es auch zweckmäßig, daß der Kampf beiderseitig angelehnter Truppenkörper geübt wird. Es ist auch nicht richtig, daß diese Art der Führung und Truppen- Verwendung viel leichter ist. als das selbständige Handeln, wo das Gelände unbeschränkt zur Verfügung steht. Es ist häufiger viel schwerer, mit einem zu¬ gewiesenen Abschnitt auszukommen. Der Führer kann sich nicht das ihm günstigste Gelände aussuchen, er muß es fo nehmen, wie er es in seinem Ab¬ schnitt vorfindet, er kann sich nicht nach Belieben ausdehnen, der Truppenver- Wendung sind bestimmte Grenzen gesteckt. Auf die Nachbartruppen muß ständig Rücksicht genommen werden. Alles das erschwert die Führung und will gelernt werden. Es ist also sicher ein gesunder Gedanke, daß das Verhalten eines auf beiden Flügeln angelehnten größeren Truppenverbandes überhaupt zur Dar¬ stellung konnte. es frägt sich aber, ob gerade die Kaisermanöver dazu da sind. Im allgemeinen können derartige Übungen auf den Truppenübungsplätzen abgehalten werden, ohne daß es dazu des großen Apparates bedarf, wie er für die Kaisermanöver aufgeboten wird. Schon häufig haben auf ihnen während mehrerer Tage Gefechtsübungen geschlossener Divisionen stattgefunden, bei denen die verschiedenen Formen der Gefechtshandlungen zur Darstellung kamen. Fraglich könnte es nur sein, ob diese für die Entwicklung eines ganzen Armee¬ korps räumlich ausreichen. Wo dies nicht der Fall sein sollte, könnte aber durch Verwendung des umliegenden Geländes leicht Abhilfe geschaffen werden. Fraglich kann es auch sein, ob der Kampf eines angelehnten Armeekorps über¬ haupt einer besonderen Übung bedarf, und ob es nicht genügt, wenn die Division in dem Kampfverfahren gut ausgebildet ist. Der Einfluß des kom¬ mandierender Generals zeigt sich hauptsächlich in dem Ansetzen der Divisionen, in der Zuweisung des Gefechtsstreifens, in der Ausscheidung und dem späteren Ein- setzen der Reserve. Im übrigen sind die Divisionen selbständig. Das Zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/17>, abgerufen am 22.01.2025.