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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Deutsche Rheinmündung

giebigster Weise Vorkehrungen getroffen hat, daß ihr Bedarf durch Anhäufung
von Kohlenvorräten für den Ernstfall gedeckt ist, so würde doch fraglos für
die Ergänzung und Wiederauffüllung ein Wasserweg, der die Verbindung mit
dem Kohlenrevier herstellt, von Bedeutung sein. Gleichfalls läßt es sich wohl
nicht von der Hand weisen, daß das Vorhandensein solchen Kanals für etwa
erforderlich werdende Nachschübe an Kriegsmaterialien in die Marinedepots
unter Umständen von erheblichem Nutzen sein kann. Es ist außerordentlich
bezeichnend, daß ähnliche Momente schon zu Anfang der sechziger Jahre des
vorigen Jahrhunderts der Düsseldorfer Mulvany, ein geborener Ire, der damals
bereits eifrigst diese Kanalidee propagierte, in einem Schreiben an die Handels¬
kammer für Ostfriesland und Papenburg gedachte, und gerade mit Rücksicht auf
dauernden Nachschub jeglicher Art Kriegsbedarf für die Marine ihr eine noch
größere Bedeutung in Kriegszeiten als für merkantile Zwecke in Friedenszeiten
beimaß.

Es berührt indes eigentümlich, wenngleich die tieferen Gründe leicht zu
durchschauen sind, daß gerade in jener Gegend, in der einst dieser weitblickende
Wirtschastspolitiker lebte, sich Interessenkreise finden, die dem Kanalprojekt
weniger Sympathie zuwenden. Man scheint sich offenbar der Erwägung zu ver¬
schließen, daß in erster Linie gerade diese Gebiete im Kriegsfalle außerordent¬
lich empfindlich durch den Mangel verfügbarer Verkehrsmittel getroffen werden
können.

Die militärische Bedeutung, welche dem Rhein--Nordseekanal innewohnt,,
dürfte bei Erwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte für unseres Reiches Zu¬
kunft doch recht schwer ins Gewicht fallen. Wenn demgegenüber aber
kürzlich dies Projekt derart hingestellt wurde, daß es für den Ernstfall gar keine
Vorzüge böte und daher keine Daseinsberechtigung habe, so muß eine solche
Behauptung angesichts der bestehenden Verhältnisse etwas eigenartig an¬
muten. Diese letzteren aber drängen auf Schaffung einer deutschen Rhein¬
mündung, eines Kultur- und Nationalwerkes ersten Ranges. Bedeutet doch,
das sei nicht vergessen, eine deutsche Rheinmündung nicht mehr und nicht
weniger als ein ganz erhebliches Plus in der Machtbilanz des Deutschen.
Reiches.




Deutsche Rheinmündung

giebigster Weise Vorkehrungen getroffen hat, daß ihr Bedarf durch Anhäufung
von Kohlenvorräten für den Ernstfall gedeckt ist, so würde doch fraglos für
die Ergänzung und Wiederauffüllung ein Wasserweg, der die Verbindung mit
dem Kohlenrevier herstellt, von Bedeutung sein. Gleichfalls läßt es sich wohl
nicht von der Hand weisen, daß das Vorhandensein solchen Kanals für etwa
erforderlich werdende Nachschübe an Kriegsmaterialien in die Marinedepots
unter Umständen von erheblichem Nutzen sein kann. Es ist außerordentlich
bezeichnend, daß ähnliche Momente schon zu Anfang der sechziger Jahre des
vorigen Jahrhunderts der Düsseldorfer Mulvany, ein geborener Ire, der damals
bereits eifrigst diese Kanalidee propagierte, in einem Schreiben an die Handels¬
kammer für Ostfriesland und Papenburg gedachte, und gerade mit Rücksicht auf
dauernden Nachschub jeglicher Art Kriegsbedarf für die Marine ihr eine noch
größere Bedeutung in Kriegszeiten als für merkantile Zwecke in Friedenszeiten
beimaß.

Es berührt indes eigentümlich, wenngleich die tieferen Gründe leicht zu
durchschauen sind, daß gerade in jener Gegend, in der einst dieser weitblickende
Wirtschastspolitiker lebte, sich Interessenkreise finden, die dem Kanalprojekt
weniger Sympathie zuwenden. Man scheint sich offenbar der Erwägung zu ver¬
schließen, daß in erster Linie gerade diese Gebiete im Kriegsfalle außerordent¬
lich empfindlich durch den Mangel verfügbarer Verkehrsmittel getroffen werden
können.

Die militärische Bedeutung, welche dem Rhein—Nordseekanal innewohnt,,
dürfte bei Erwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte für unseres Reiches Zu¬
kunft doch recht schwer ins Gewicht fallen. Wenn demgegenüber aber
kürzlich dies Projekt derart hingestellt wurde, daß es für den Ernstfall gar keine
Vorzüge böte und daher keine Daseinsberechtigung habe, so muß eine solche
Behauptung angesichts der bestehenden Verhältnisse etwas eigenartig an¬
muten. Diese letzteren aber drängen auf Schaffung einer deutschen Rhein¬
mündung, eines Kultur- und Nationalwerkes ersten Ranges. Bedeutet doch,
das sei nicht vergessen, eine deutsche Rheinmündung nicht mehr und nicht
weniger als ein ganz erhebliches Plus in der Machtbilanz des Deutschen.
Reiches.




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[0160] Deutsche Rheinmündung giebigster Weise Vorkehrungen getroffen hat, daß ihr Bedarf durch Anhäufung von Kohlenvorräten für den Ernstfall gedeckt ist, so würde doch fraglos für die Ergänzung und Wiederauffüllung ein Wasserweg, der die Verbindung mit dem Kohlenrevier herstellt, von Bedeutung sein. Gleichfalls läßt es sich wohl nicht von der Hand weisen, daß das Vorhandensein solchen Kanals für etwa erforderlich werdende Nachschübe an Kriegsmaterialien in die Marinedepots unter Umständen von erheblichem Nutzen sein kann. Es ist außerordentlich bezeichnend, daß ähnliche Momente schon zu Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts der Düsseldorfer Mulvany, ein geborener Ire, der damals bereits eifrigst diese Kanalidee propagierte, in einem Schreiben an die Handels¬ kammer für Ostfriesland und Papenburg gedachte, und gerade mit Rücksicht auf dauernden Nachschub jeglicher Art Kriegsbedarf für die Marine ihr eine noch größere Bedeutung in Kriegszeiten als für merkantile Zwecke in Friedenszeiten beimaß. Es berührt indes eigentümlich, wenngleich die tieferen Gründe leicht zu durchschauen sind, daß gerade in jener Gegend, in der einst dieser weitblickende Wirtschastspolitiker lebte, sich Interessenkreise finden, die dem Kanalprojekt weniger Sympathie zuwenden. Man scheint sich offenbar der Erwägung zu ver¬ schließen, daß in erster Linie gerade diese Gebiete im Kriegsfalle außerordent¬ lich empfindlich durch den Mangel verfügbarer Verkehrsmittel getroffen werden können. Die militärische Bedeutung, welche dem Rhein—Nordseekanal innewohnt,, dürfte bei Erwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte für unseres Reiches Zu¬ kunft doch recht schwer ins Gewicht fallen. Wenn demgegenüber aber kürzlich dies Projekt derart hingestellt wurde, daß es für den Ernstfall gar keine Vorzüge böte und daher keine Daseinsberechtigung habe, so muß eine solche Behauptung angesichts der bestehenden Verhältnisse etwas eigenartig an¬ muten. Diese letzteren aber drängen auf Schaffung einer deutschen Rhein¬ mündung, eines Kultur- und Nationalwerkes ersten Ranges. Bedeutet doch, das sei nicht vergessen, eine deutsche Rheinmündung nicht mehr und nicht weniger als ein ganz erhebliches Plus in der Machtbilanz des Deutschen. Reiches.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/160>, abgerufen am 28.07.2024.