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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten

wenn der König mit seiner Person den von ihm sanktionierten Landesgesetzen
gegenüber hasten sollte. Was die Kriminalgesetze des Landes anlangt, so blieb
in Ansehung der Haftungsfrage der königlichen Person die Rechtslage in
konstitutioneller Zeit ebenso, wie in der vorkonstitutionellen Zeit. Da die
Kriminalgesetze im Interesse der Aufrechthaltung der allgemeinen Rechtsordnung
ergingen, war es eine aus den besonderen Umständen des Falls ohne weiteres
sich ergebende Auslegungsfolge, daß der König "der Norm an sich" ebenfalls
Achtung zu zollen hatte. Aber die preußische Verfassungsurkunde hielt es nun¬
mehr doch für geraten, die persönliche Befreiung des Königs von den Straffolgen
eines normwidrigen Tuns, d. h. von Strafverfahren und Strafvollstreckung durch
einen positiven Rechtssatz selbst zu gewährleisten. Das geschah durch den
Artikel 43: "Die Person des Königs ist unverletzlich."

Die Steuergesetze des Staats, die in konstitutioneller Zeit über die Leistung
von direkten Steuern ergingen, unterlagen aber ebenfalls der geschilderten all¬
gemein-notwendigen Auslegungsweise. Sie durften auf die Person des Königs
nur mitbezogen werden, wenn dieser Wille des Sanktionserteilers expi-L88is
verbi8 oder durch unzweideutige konkludente Handlungen erklärt war. Da
theoretisch die Grenzscheidung zwischen "direkten" und "indirekten" Steuern
unter Umständen zweifelhaft sein kann, entschied gegebenenfalls der konkret
zu ermittelnde Wille des Gesetzgebers, ob eine angeordnete Steuerleistung von
ihm als "direkt" oder als "indirekt" gedacht war. Diese gegenüber Steuer¬
gesetzen in Betracht kommende allgemeine Auslegungsweise kann selbstverständlich
auch dadurch nicht beeinträchtigt werden, daß die Verfassungsurkunde im
Artikel 4 alle Preußen (d. h. preußischen Staatsuntertanen) "vor dem Gesetz"
für gleich erklärte, und daß der Artikel 101 nun als Programm für die Zukunft
aussprach: "In Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt
werden; die bestehende Steuergesetzgebung wird einer Revision unterworfen und
dabei jede Bevorzugung abgeschafft." Diese Bestimmungen hinderten unter keinen
Umständen die aus der Freiheit der Sanktionserteilung notwendig zu folgernde
persönliche Freiheit des Königs von direkten Steuerleistungen. Bei einzelnen
(nicht bei allen!) Gelegenheiten wurde auch uach Erlaß der Verfassung -- zur
Herbeiführung voller Klarheit -- die persönliche Exemtion des Königs in direkten
Steuergesetzen positiv ausgesprochen (vgl. z. B. Gesetz betreffend die Aufhebung
der Grundsteuerbefreiungen vom 24. Februar 1850 H 2 Ziff. e), und damit das
in vorliegender Untersuchung gewonnene Resultat nur bekräftigt. Bezeichnend ist
es jedenfalls für die Situation, daß das preußische Einkommensteuergesetz vom
24. Juni 1891 und das Ergänzungssteuergesetz vom 14. Juli 1893, beide jetzt
in der Fassung vom 19. Juni 1906, die Befreiung ausdrücklich nur für "die
Mitglieder des königlichen Hauses" (Z 3) aussprechen. Nach der in Betracht
kommenden Gesetzessprache gehört der König nicht selbst zu den "Mitgliedern
des königlichen Hauses" (v. Romme-Zorn, Staatsrecht der preußischen Monarchie
II, S. 20 f., 138. -- Siehe auch die Gegenüberstellung "Landesherr und sein


Die Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten

wenn der König mit seiner Person den von ihm sanktionierten Landesgesetzen
gegenüber hasten sollte. Was die Kriminalgesetze des Landes anlangt, so blieb
in Ansehung der Haftungsfrage der königlichen Person die Rechtslage in
konstitutioneller Zeit ebenso, wie in der vorkonstitutionellen Zeit. Da die
Kriminalgesetze im Interesse der Aufrechthaltung der allgemeinen Rechtsordnung
ergingen, war es eine aus den besonderen Umständen des Falls ohne weiteres
sich ergebende Auslegungsfolge, daß der König „der Norm an sich" ebenfalls
Achtung zu zollen hatte. Aber die preußische Verfassungsurkunde hielt es nun¬
mehr doch für geraten, die persönliche Befreiung des Königs von den Straffolgen
eines normwidrigen Tuns, d. h. von Strafverfahren und Strafvollstreckung durch
einen positiven Rechtssatz selbst zu gewährleisten. Das geschah durch den
Artikel 43: „Die Person des Königs ist unverletzlich."

Die Steuergesetze des Staats, die in konstitutioneller Zeit über die Leistung
von direkten Steuern ergingen, unterlagen aber ebenfalls der geschilderten all¬
gemein-notwendigen Auslegungsweise. Sie durften auf die Person des Königs
nur mitbezogen werden, wenn dieser Wille des Sanktionserteilers expi-L88is
verbi8 oder durch unzweideutige konkludente Handlungen erklärt war. Da
theoretisch die Grenzscheidung zwischen „direkten" und „indirekten" Steuern
unter Umständen zweifelhaft sein kann, entschied gegebenenfalls der konkret
zu ermittelnde Wille des Gesetzgebers, ob eine angeordnete Steuerleistung von
ihm als „direkt" oder als „indirekt" gedacht war. Diese gegenüber Steuer¬
gesetzen in Betracht kommende allgemeine Auslegungsweise kann selbstverständlich
auch dadurch nicht beeinträchtigt werden, daß die Verfassungsurkunde im
Artikel 4 alle Preußen (d. h. preußischen Staatsuntertanen) „vor dem Gesetz"
für gleich erklärte, und daß der Artikel 101 nun als Programm für die Zukunft
aussprach: „In Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt
werden; die bestehende Steuergesetzgebung wird einer Revision unterworfen und
dabei jede Bevorzugung abgeschafft." Diese Bestimmungen hinderten unter keinen
Umständen die aus der Freiheit der Sanktionserteilung notwendig zu folgernde
persönliche Freiheit des Königs von direkten Steuerleistungen. Bei einzelnen
(nicht bei allen!) Gelegenheiten wurde auch uach Erlaß der Verfassung — zur
Herbeiführung voller Klarheit — die persönliche Exemtion des Königs in direkten
Steuergesetzen positiv ausgesprochen (vgl. z. B. Gesetz betreffend die Aufhebung
der Grundsteuerbefreiungen vom 24. Februar 1850 H 2 Ziff. e), und damit das
in vorliegender Untersuchung gewonnene Resultat nur bekräftigt. Bezeichnend ist
es jedenfalls für die Situation, daß das preußische Einkommensteuergesetz vom
24. Juni 1891 und das Ergänzungssteuergesetz vom 14. Juli 1893, beide jetzt
in der Fassung vom 19. Juni 1906, die Befreiung ausdrücklich nur für „die
Mitglieder des königlichen Hauses" (Z 3) aussprechen. Nach der in Betracht
kommenden Gesetzessprache gehört der König nicht selbst zu den „Mitgliedern
des königlichen Hauses" (v. Romme-Zorn, Staatsrecht der preußischen Monarchie
II, S. 20 f., 138. — Siehe auch die Gegenüberstellung „Landesherr und sein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/124>, abgerufen am 23.07.2024.