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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten

immer mit förmlichen Worten ausgedrückten -- Unterwerfungserklärung, wenn
der königliche Träger des Sanktionsrechts auch mit seiner Person für irgendwelche
von ihm sanktionierten Rechtsnormen haften sollte. Eine derartige positive
Unterwerfungserklärung des königlichen Gesetzgebers brachte das Allgemeine
Landrecht schon hinsichtlich seiner Privatrechtsverhältnisse. Die §Z 17, 18
II 13 bestimmten unter dem Marginale "Privatrechte des Landesherrn und
seiner Familie": § 17. "Rechtsangelegenheiten, welche die Personen- und
Familienrechte des Landesherrn und seines Hauses betreffen, werden nach den
Hausverfassungen und Verträgen bestimmt'" Z 18. "Andere Privathandlungen
und Geschäfte derselben sind nach den Gesetzen des Landes zu beurteilen."
Eine prozeßrechtliche Ergänzung dazu enthielt der Z 80 der Einleitung: "Auch
Rechtsstreitigkeiten zwischen den: Oberhaupt des Staates und seinen Untertanen
sollen bei den ordentlichen Gerichten nach den Vorschriften der Gesetze erörtert
und entschieden werden."

Wenn im vorkonstitutionellen Preußen der König im Interesse der Auf'
rechterhaltung der allgemeinen Rechtsordnung ein Kriminalgesetz sanktionierte,
tat er es jedoch selbstverständlich nicht in der Absicht, für sich selbst volle Handlungs¬
freiheit gegenüber "der Norni an sich" vorzubehalten. Seine gesetzgeberische
Absicht war nur darauf gerichtet, die Straffolgen eines normwidrigen Tuns
d. h. Strafverfahren und Strafvollstreckung von seiner Person auszuschließen.
Dies Resultat ergibt sich namentlich indirekt auch aus der Bestimmung der
preußischen Kriminalordnung von 1805 Z 251: "Wider Prinzen und Prin¬
zessinnen des königlichen Hauses, wider regierende geistliche und weltliche deutsche
Reichsfürsten, desgleichen wider andere regierende deutsche Reichsstände findet
keine Untersuchung und keine Verhaftung statt, es sei denn, daß sie von dem
Oberhaupt des Staates einem Gericht oder einem einzelnen Justizbedienten
aufgetragen werden." Wenn also den gedachten Personenkategorien gegenüber
in der preußischen Monarchie nur ausnahmsweise, mit speziellen Auftrag des
Königs ein Strafverfahren stattfinden konnte, so war natürlich erst recht gegen¬
über der Person des Königs selbst an sich ein Strafverfahren unzulässig. Als
dann Preußen mit der Einführung der Verfassungsurkunde die konstitutionelle
Bahn betrat, geschah dies bereits unter Zugrundelegung der Dreiglicderung
der Staatsfunktionen in die gesetzgebende, richterliche und vollziehende Gewalt
(Art. 62, 86, 45), aber auch nur mit dem Vorbehalt der grundsätzlichen per¬
sönlichen Freiheit des Königs in der Sanktionserteilung zu den nunmehr mit
dem Dezisivvotum der Volksvertretung formulierten Landesgesetzen. Es blieb
ein allgemein-notwendiger Auslegungsgrundsatz, daß der König Landesgesetzen,
welche gewisse persönliche Pflichten und Leistungen vorschrieben, an sich nur
rin dem Vorbehalt der Befreiung seiner eigenen Person die Sanktion erteilte --
in Anbetracht der allgemeinen Lebenswahrheit, daß niemand selbst sich ohne Not
Beschränkungen auferlegt. Es bedürfte einer ausdrücklichen -- eventuell aber
auch aus den Umstünden des Falls zu folgernden -- Unterwerfungserklärung,


Die Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten

immer mit förmlichen Worten ausgedrückten — Unterwerfungserklärung, wenn
der königliche Träger des Sanktionsrechts auch mit seiner Person für irgendwelche
von ihm sanktionierten Rechtsnormen haften sollte. Eine derartige positive
Unterwerfungserklärung des königlichen Gesetzgebers brachte das Allgemeine
Landrecht schon hinsichtlich seiner Privatrechtsverhältnisse. Die §Z 17, 18
II 13 bestimmten unter dem Marginale „Privatrechte des Landesherrn und
seiner Familie": § 17. „Rechtsangelegenheiten, welche die Personen- und
Familienrechte des Landesherrn und seines Hauses betreffen, werden nach den
Hausverfassungen und Verträgen bestimmt'" Z 18. „Andere Privathandlungen
und Geschäfte derselben sind nach den Gesetzen des Landes zu beurteilen."
Eine prozeßrechtliche Ergänzung dazu enthielt der Z 80 der Einleitung: „Auch
Rechtsstreitigkeiten zwischen den: Oberhaupt des Staates und seinen Untertanen
sollen bei den ordentlichen Gerichten nach den Vorschriften der Gesetze erörtert
und entschieden werden."

Wenn im vorkonstitutionellen Preußen der König im Interesse der Auf'
rechterhaltung der allgemeinen Rechtsordnung ein Kriminalgesetz sanktionierte,
tat er es jedoch selbstverständlich nicht in der Absicht, für sich selbst volle Handlungs¬
freiheit gegenüber „der Norni an sich" vorzubehalten. Seine gesetzgeberische
Absicht war nur darauf gerichtet, die Straffolgen eines normwidrigen Tuns
d. h. Strafverfahren und Strafvollstreckung von seiner Person auszuschließen.
Dies Resultat ergibt sich namentlich indirekt auch aus der Bestimmung der
preußischen Kriminalordnung von 1805 Z 251: „Wider Prinzen und Prin¬
zessinnen des königlichen Hauses, wider regierende geistliche und weltliche deutsche
Reichsfürsten, desgleichen wider andere regierende deutsche Reichsstände findet
keine Untersuchung und keine Verhaftung statt, es sei denn, daß sie von dem
Oberhaupt des Staates einem Gericht oder einem einzelnen Justizbedienten
aufgetragen werden." Wenn also den gedachten Personenkategorien gegenüber
in der preußischen Monarchie nur ausnahmsweise, mit speziellen Auftrag des
Königs ein Strafverfahren stattfinden konnte, so war natürlich erst recht gegen¬
über der Person des Königs selbst an sich ein Strafverfahren unzulässig. Als
dann Preußen mit der Einführung der Verfassungsurkunde die konstitutionelle
Bahn betrat, geschah dies bereits unter Zugrundelegung der Dreiglicderung
der Staatsfunktionen in die gesetzgebende, richterliche und vollziehende Gewalt
(Art. 62, 86, 45), aber auch nur mit dem Vorbehalt der grundsätzlichen per¬
sönlichen Freiheit des Königs in der Sanktionserteilung zu den nunmehr mit
dem Dezisivvotum der Volksvertretung formulierten Landesgesetzen. Es blieb
ein allgemein-notwendiger Auslegungsgrundsatz, daß der König Landesgesetzen,
welche gewisse persönliche Pflichten und Leistungen vorschrieben, an sich nur
rin dem Vorbehalt der Befreiung seiner eigenen Person die Sanktion erteilte —
in Anbetracht der allgemeinen Lebenswahrheit, daß niemand selbst sich ohne Not
Beschränkungen auferlegt. Es bedürfte einer ausdrücklichen — eventuell aber
auch aus den Umstünden des Falls zu folgernden — Unterwerfungserklärung,


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[0123] Die Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten immer mit förmlichen Worten ausgedrückten — Unterwerfungserklärung, wenn der königliche Träger des Sanktionsrechts auch mit seiner Person für irgendwelche von ihm sanktionierten Rechtsnormen haften sollte. Eine derartige positive Unterwerfungserklärung des königlichen Gesetzgebers brachte das Allgemeine Landrecht schon hinsichtlich seiner Privatrechtsverhältnisse. Die §Z 17, 18 II 13 bestimmten unter dem Marginale „Privatrechte des Landesherrn und seiner Familie": § 17. „Rechtsangelegenheiten, welche die Personen- und Familienrechte des Landesherrn und seines Hauses betreffen, werden nach den Hausverfassungen und Verträgen bestimmt'" Z 18. „Andere Privathandlungen und Geschäfte derselben sind nach den Gesetzen des Landes zu beurteilen." Eine prozeßrechtliche Ergänzung dazu enthielt der Z 80 der Einleitung: „Auch Rechtsstreitigkeiten zwischen den: Oberhaupt des Staates und seinen Untertanen sollen bei den ordentlichen Gerichten nach den Vorschriften der Gesetze erörtert und entschieden werden." Wenn im vorkonstitutionellen Preußen der König im Interesse der Auf' rechterhaltung der allgemeinen Rechtsordnung ein Kriminalgesetz sanktionierte, tat er es jedoch selbstverständlich nicht in der Absicht, für sich selbst volle Handlungs¬ freiheit gegenüber „der Norni an sich" vorzubehalten. Seine gesetzgeberische Absicht war nur darauf gerichtet, die Straffolgen eines normwidrigen Tuns d. h. Strafverfahren und Strafvollstreckung von seiner Person auszuschließen. Dies Resultat ergibt sich namentlich indirekt auch aus der Bestimmung der preußischen Kriminalordnung von 1805 Z 251: „Wider Prinzen und Prin¬ zessinnen des königlichen Hauses, wider regierende geistliche und weltliche deutsche Reichsfürsten, desgleichen wider andere regierende deutsche Reichsstände findet keine Untersuchung und keine Verhaftung statt, es sei denn, daß sie von dem Oberhaupt des Staates einem Gericht oder einem einzelnen Justizbedienten aufgetragen werden." Wenn also den gedachten Personenkategorien gegenüber in der preußischen Monarchie nur ausnahmsweise, mit speziellen Auftrag des Königs ein Strafverfahren stattfinden konnte, so war natürlich erst recht gegen¬ über der Person des Königs selbst an sich ein Strafverfahren unzulässig. Als dann Preußen mit der Einführung der Verfassungsurkunde die konstitutionelle Bahn betrat, geschah dies bereits unter Zugrundelegung der Dreiglicderung der Staatsfunktionen in die gesetzgebende, richterliche und vollziehende Gewalt (Art. 62, 86, 45), aber auch nur mit dem Vorbehalt der grundsätzlichen per¬ sönlichen Freiheit des Königs in der Sanktionserteilung zu den nunmehr mit dem Dezisivvotum der Volksvertretung formulierten Landesgesetzen. Es blieb ein allgemein-notwendiger Auslegungsgrundsatz, daß der König Landesgesetzen, welche gewisse persönliche Pflichten und Leistungen vorschrieben, an sich nur rin dem Vorbehalt der Befreiung seiner eigenen Person die Sanktion erteilte — in Anbetracht der allgemeinen Lebenswahrheit, daß niemand selbst sich ohne Not Beschränkungen auferlegt. Es bedürfte einer ausdrücklichen — eventuell aber auch aus den Umstünden des Falls zu folgernden — Unterwerfungserklärung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/123>, abgerufen am 23.07.2024.