Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Sturm Wie einen Stich ins Herz hatte Mara diese Worte empfunden, und mit "Die Angelegenheit ist jetzt nicht mehr Borkülls Sache allein. Da es Mit Mühe gelang es Mara, den Maler zurückzuhalten: "Tun Sie es "Hab ich das, Fräulein Mara?" Der Maler faßte ihre Hand. "Sehr, sehr!" sagte sie warm. "Ich war am Ersticken in dieser Atmosphäre "Sie sollen mich nie verlieren!" klang die Stimme des Malers leise. "Meine Seele klang auf. als ich Sie am Sonntag aus dem Park treten Mara schmiegte sich in des Malers Arni und dachte: "Das ist also das, Da wurde die Dämmerung im Zimmer von dem aufflammenden Wider¬ Grenzboten III 191" 6
Sturm Wie einen Stich ins Herz hatte Mara diese Worte empfunden, und mit „Die Angelegenheit ist jetzt nicht mehr Borkülls Sache allein. Da es Mit Mühe gelang es Mara, den Maler zurückzuhalten: „Tun Sie es „Hab ich das, Fräulein Mara?" Der Maler faßte ihre Hand. „Sehr, sehr!" sagte sie warm. „Ich war am Ersticken in dieser Atmosphäre „Sie sollen mich nie verlieren!" klang die Stimme des Malers leise. „Meine Seele klang auf. als ich Sie am Sonntag aus dem Park treten Mara schmiegte sich in des Malers Arni und dachte: „Das ist also das, Da wurde die Dämmerung im Zimmer von dem aufflammenden Wider¬ Grenzboten III 191» 6
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326263"/> <fw type="header" place="top"> Sturm</fw><lb/> <p xml:id="ID_397"> Wie einen Stich ins Herz hatte Mara diese Worte empfunden, und mit<lb/> einer Heftigkeit, die niemand je an ihr gesehen hatte, war sie für den Maler<lb/> eingetreten. Auf die alte baltische Gastfreiheit hatte sie sich berufen, und das<lb/> vielleicht verfehlte Vorgehen Madelungs mit dem Edelmut seiner Motive ent¬<lb/> schuldigt. Der Baron war darüber erstaunt. Was für ein neuer Wille<lb/> beseelte das Mädchen, das ihm bisher immer gleichgültig und abwesend er¬<lb/> schienen war? Sollte der Maler noch anderes Unheil gestiftet haben? Dieses<lb/> Borküll ist eine wahre Brutstätte abnormer Erscheinungen, dachte Schledehausen<lb/> und laut sagte er:</p><lb/> <p xml:id="ID_398"> „Die Angelegenheit ist jetzt nicht mehr Borkülls Sache allein. Da es<lb/> immer noch ohne Herr ist, muß es sich unsere Vormundschaft gefallen lassen.<lb/> Gut, wenn Sie den Menschen nicht ganz vor die Türe setzen wollen, was ich<lb/> für das beste halte, so sorgen Sie wenigstens dafür, daß er sich auf keinen Fall<lb/> mehr in unseren Konflikt einmischt. Es brennt lichterloh im Lande. Wir sind<lb/> verloren, wenn das Volk jetzt nicht die Faust im Nacken spürt. Auf Rosenhof<lb/> droht offener Aufruhr. Ich komme von dort und muß sofort wieder zurück.<lb/> Jetzt will ich noch ein paar Worte mit Ihren Leuten reden. Lassen Sie mich<lb/> bitte allein mit ihnen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_399"> Mit Mühe gelang es Mara, den Maler zurückzuhalten: „Tun Sie es<lb/> um meinetwillen!" bat sie inständig. „Mama ist Wachs in Schledehausens<lb/> Hand. Wenn er verlangt, daß Sie den Hof verlassen, vergißt sie alles, was<lb/> wir Ihnen zu verdanken haben. Und wir verdanken Ihnen wirklich viel. Sie<lb/> ahnen ja nicht, wie Sie mir wohlgetan haben. . . ."</p><lb/> <p xml:id="ID_400"> „Hab ich das, Fräulein Mara?" Der Maler faßte ihre Hand.</p><lb/> <p xml:id="ID_401"> „Sehr, sehr!" sagte sie warm. „Ich war am Ersticken in dieser Atmosphäre<lb/> von Frömmelei und Disharmonie! Ihre ruhige feste Art. Ihre lebenbejahenden<lb/> Grundsätze haben mich wieder aufgerichtet. Ich mag, ich will Sie nicht fo bald<lb/> wieder verlieren. ..."</p><lb/> <p xml:id="ID_402"> „Sie sollen mich nie verlieren!" klang die Stimme des Malers leise.<lb/> Sein Arm legte sich fest um Maras Schulter und er zog das junge Mädchen<lb/> an sich.</p><lb/> <p xml:id="ID_403"> „Meine Seele klang auf. als ich Sie am Sonntag aus dem Park treten<lb/> sah, und hat nicht aufgehört zu klingen, seitdem ich unter einem Dach mit Ihnen<lb/> leben durfte. Was bedeutet das. Mara? Nur gleichgestimmte Saiten tönen<lb/> so! Und das sind unsere Seelen! Gleichgestimmt schwangen sie sich zueinander<lb/> Wir mußten uns begegnen, liebstes Mädchen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_404"> Mara schmiegte sich in des Malers Arni und dachte: „Das ist also das,<lb/> was du ersehnt hast!"</p><lb/> <p xml:id="ID_405" next="#ID_406"> Da wurde die Dämmerung im Zimmer von dem aufflammenden Wider¬<lb/> schein eines Feuers erhellt. Erschreckt stürzte Mara ans Fenster. Madelung<lb/> fand dabei Zeit, das Bild von dem er ein Stück aus seinem Versteck hervorragen sah.<lb/> vollends unter die Decke zu schieben. Er war während der letzten Szene das peinliche</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 191» 6</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
Sturm
Wie einen Stich ins Herz hatte Mara diese Worte empfunden, und mit
einer Heftigkeit, die niemand je an ihr gesehen hatte, war sie für den Maler
eingetreten. Auf die alte baltische Gastfreiheit hatte sie sich berufen, und das
vielleicht verfehlte Vorgehen Madelungs mit dem Edelmut seiner Motive ent¬
schuldigt. Der Baron war darüber erstaunt. Was für ein neuer Wille
beseelte das Mädchen, das ihm bisher immer gleichgültig und abwesend er¬
schienen war? Sollte der Maler noch anderes Unheil gestiftet haben? Dieses
Borküll ist eine wahre Brutstätte abnormer Erscheinungen, dachte Schledehausen
und laut sagte er:
„Die Angelegenheit ist jetzt nicht mehr Borkülls Sache allein. Da es
immer noch ohne Herr ist, muß es sich unsere Vormundschaft gefallen lassen.
Gut, wenn Sie den Menschen nicht ganz vor die Türe setzen wollen, was ich
für das beste halte, so sorgen Sie wenigstens dafür, daß er sich auf keinen Fall
mehr in unseren Konflikt einmischt. Es brennt lichterloh im Lande. Wir sind
verloren, wenn das Volk jetzt nicht die Faust im Nacken spürt. Auf Rosenhof
droht offener Aufruhr. Ich komme von dort und muß sofort wieder zurück.
Jetzt will ich noch ein paar Worte mit Ihren Leuten reden. Lassen Sie mich
bitte allein mit ihnen!"
Mit Mühe gelang es Mara, den Maler zurückzuhalten: „Tun Sie es
um meinetwillen!" bat sie inständig. „Mama ist Wachs in Schledehausens
Hand. Wenn er verlangt, daß Sie den Hof verlassen, vergißt sie alles, was
wir Ihnen zu verdanken haben. Und wir verdanken Ihnen wirklich viel. Sie
ahnen ja nicht, wie Sie mir wohlgetan haben. . . ."
„Hab ich das, Fräulein Mara?" Der Maler faßte ihre Hand.
„Sehr, sehr!" sagte sie warm. „Ich war am Ersticken in dieser Atmosphäre
von Frömmelei und Disharmonie! Ihre ruhige feste Art. Ihre lebenbejahenden
Grundsätze haben mich wieder aufgerichtet. Ich mag, ich will Sie nicht fo bald
wieder verlieren. ..."
„Sie sollen mich nie verlieren!" klang die Stimme des Malers leise.
Sein Arm legte sich fest um Maras Schulter und er zog das junge Mädchen
an sich.
„Meine Seele klang auf. als ich Sie am Sonntag aus dem Park treten
sah, und hat nicht aufgehört zu klingen, seitdem ich unter einem Dach mit Ihnen
leben durfte. Was bedeutet das. Mara? Nur gleichgestimmte Saiten tönen
so! Und das sind unsere Seelen! Gleichgestimmt schwangen sie sich zueinander
Wir mußten uns begegnen, liebstes Mädchen!"
Mara schmiegte sich in des Malers Arni und dachte: „Das ist also das,
was du ersehnt hast!"
Da wurde die Dämmerung im Zimmer von dem aufflammenden Wider¬
schein eines Feuers erhellt. Erschreckt stürzte Mara ans Fenster. Madelung
fand dabei Zeit, das Bild von dem er ein Stück aus seinem Versteck hervorragen sah.
vollends unter die Decke zu schieben. Er war während der letzten Szene das peinliche
Grenzboten III 191» 6
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