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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Rhein-See-Kanal

Teil an uns zu ziehen, dann werden damit keine Interessen der bisherigen
Rheinschiffahrt verletzt, dem deutschen Volksvermögen aber alljährlich Millionen
erspart. Auf die Möglichkeit der Kohlenausfuhr nach Schiffsabgaben und nach
Kanalabmessungen sind meiner Meinung nach in erster Linie alle Berechnungen
zu gründen. Es ist mir zweifellos, daß bei dieser Grundlage auch die Vor¬
schläge phantastischer Kanalabmessungen in sich zusammenbrechen. Die Kohlen-
versrachtung aus England z. B. arbeitet meines Wissens in der Hauptsache mit
nur mittelgroßen Schiffen. Vom allgemeinen Verkehr kommt sür den geplanten
Kanal nur der, allerdings erweiterungsfähige, Verkehr nach dem europäischen
Norden in Betracht. Die Ostseeschiffahrt kann aber, nicht nur wegen der Tief¬
gangsverhältnisse der wichtigsten Ostseehäfen, sondern auch wegen der noch
rückständigen Wirtschaftsverhültnisse des Nordens nur mittelgroße Seeschiffe
gebrauchen. Die, übrigens sicherlich vorübergehende, Sprunghafte Steigerung der
Schisfsgrößen im transatlantischen Verkehr kommt also für den Kanal nicht in Betracht.
Anderseits aber sind solche Schiffsgrößen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Kohlen- und Eisengroßindustrie erwünscht und mit der Zeit nötig, die über die¬
jenigen wesentlich hinausgehen, die auf dem Rhein regelmäßig verkehren können.
In dieser Beziehung ist nun die Feststellung wichtig, daß, mag Holland sich
absichtlich mit dem Ausbau der Rheinrinne keine allzugroße Mühe gegeben haben,
ihm eine Vertiefung des Fahrwassers, wie sie aus den oben erörterten Gesichts¬
punkten heraus in Frage kommt, schon aus technischen Gründen nicht möglich war.
Weil sich aber der Rhein nicht wesentlich weiter vertiefen läßt, deshalb glaube
ich allerdings, daß ein Kanal in mittleren Abmessungen einmal, wenngleich erst
in ferner Zukunft, kommen wird, wenn genaue Pläne die Ausführung mit
nicht zu großen Kosten sicherstellen.

Ein Flußschiffkanal, ähnlich den Abmessungen des Herzberg-Taaksschen Ent¬
wurfs, genügt aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht. Jeder Kanal, der keine
wesentlich größeren Schiffsgefäße zuließe, wie der Rhein nach Ausbau der tech¬
nisch erreichbaren Fahrrinne, würde verfehlt sein. Nach alter Erfahrung sucht
der Verkehr unter ähnlichen Bedingungen stets den natürlichen Wasserweg. Wird
der Kanal gebaut, dann muß er nicht nur in seinen Abmessungen die Mitte
halten zwischen Übertreibungen und halben Lösungen, er muß dann vor allem
auch möglichst wenig Verkehrshindernisse zeigen. Lieber zur rechten Zeit
100 Millionen mehr einbauen, als den Verkehr und Unterhalt durch viele
Schleusen für immer erschweren.

Was die Linienführung anbetrifft, so ist eine Durchführung des Kanals
durch das dichte Verkehrsnetz des Duisburger Reviers ausgeschlossen. Es ist
kein ernst zu nehmender Gedanke, einige Dutzend mehrgleisiger Eisenbahnen,
Wege und Wasserläufe unter dem Kanal durchführen zu wollen. Die Steigerung
der Betriebskosten und die Verkehrserschwerungen für die betroffenen Bahnen
würden zusammen mit den Abschreibungen und Zinsen der dafür nötigen Bauten
volkswirtschaftlich jeden Nutzen wieder aufheben. Der Kanal darf aber nur


Rhein-See-Kanal

Teil an uns zu ziehen, dann werden damit keine Interessen der bisherigen
Rheinschiffahrt verletzt, dem deutschen Volksvermögen aber alljährlich Millionen
erspart. Auf die Möglichkeit der Kohlenausfuhr nach Schiffsabgaben und nach
Kanalabmessungen sind meiner Meinung nach in erster Linie alle Berechnungen
zu gründen. Es ist mir zweifellos, daß bei dieser Grundlage auch die Vor¬
schläge phantastischer Kanalabmessungen in sich zusammenbrechen. Die Kohlen-
versrachtung aus England z. B. arbeitet meines Wissens in der Hauptsache mit
nur mittelgroßen Schiffen. Vom allgemeinen Verkehr kommt sür den geplanten
Kanal nur der, allerdings erweiterungsfähige, Verkehr nach dem europäischen
Norden in Betracht. Die Ostseeschiffahrt kann aber, nicht nur wegen der Tief¬
gangsverhältnisse der wichtigsten Ostseehäfen, sondern auch wegen der noch
rückständigen Wirtschaftsverhültnisse des Nordens nur mittelgroße Seeschiffe
gebrauchen. Die, übrigens sicherlich vorübergehende, Sprunghafte Steigerung der
Schisfsgrößen im transatlantischen Verkehr kommt also für den Kanal nicht in Betracht.
Anderseits aber sind solche Schiffsgrößen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Kohlen- und Eisengroßindustrie erwünscht und mit der Zeit nötig, die über die¬
jenigen wesentlich hinausgehen, die auf dem Rhein regelmäßig verkehren können.
In dieser Beziehung ist nun die Feststellung wichtig, daß, mag Holland sich
absichtlich mit dem Ausbau der Rheinrinne keine allzugroße Mühe gegeben haben,
ihm eine Vertiefung des Fahrwassers, wie sie aus den oben erörterten Gesichts¬
punkten heraus in Frage kommt, schon aus technischen Gründen nicht möglich war.
Weil sich aber der Rhein nicht wesentlich weiter vertiefen läßt, deshalb glaube
ich allerdings, daß ein Kanal in mittleren Abmessungen einmal, wenngleich erst
in ferner Zukunft, kommen wird, wenn genaue Pläne die Ausführung mit
nicht zu großen Kosten sicherstellen.

Ein Flußschiffkanal, ähnlich den Abmessungen des Herzberg-Taaksschen Ent¬
wurfs, genügt aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht. Jeder Kanal, der keine
wesentlich größeren Schiffsgefäße zuließe, wie der Rhein nach Ausbau der tech¬
nisch erreichbaren Fahrrinne, würde verfehlt sein. Nach alter Erfahrung sucht
der Verkehr unter ähnlichen Bedingungen stets den natürlichen Wasserweg. Wird
der Kanal gebaut, dann muß er nicht nur in seinen Abmessungen die Mitte
halten zwischen Übertreibungen und halben Lösungen, er muß dann vor allem
auch möglichst wenig Verkehrshindernisse zeigen. Lieber zur rechten Zeit
100 Millionen mehr einbauen, als den Verkehr und Unterhalt durch viele
Schleusen für immer erschweren.

Was die Linienführung anbetrifft, so ist eine Durchführung des Kanals
durch das dichte Verkehrsnetz des Duisburger Reviers ausgeschlossen. Es ist
kein ernst zu nehmender Gedanke, einige Dutzend mehrgleisiger Eisenbahnen,
Wege und Wasserläufe unter dem Kanal durchführen zu wollen. Die Steigerung
der Betriebskosten und die Verkehrserschwerungen für die betroffenen Bahnen
würden zusammen mit den Abschreibungen und Zinsen der dafür nötigen Bauten
volkswirtschaftlich jeden Nutzen wieder aufheben. Der Kanal darf aber nur


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[0613] Rhein-See-Kanal Teil an uns zu ziehen, dann werden damit keine Interessen der bisherigen Rheinschiffahrt verletzt, dem deutschen Volksvermögen aber alljährlich Millionen erspart. Auf die Möglichkeit der Kohlenausfuhr nach Schiffsabgaben und nach Kanalabmessungen sind meiner Meinung nach in erster Linie alle Berechnungen zu gründen. Es ist mir zweifellos, daß bei dieser Grundlage auch die Vor¬ schläge phantastischer Kanalabmessungen in sich zusammenbrechen. Die Kohlen- versrachtung aus England z. B. arbeitet meines Wissens in der Hauptsache mit nur mittelgroßen Schiffen. Vom allgemeinen Verkehr kommt sür den geplanten Kanal nur der, allerdings erweiterungsfähige, Verkehr nach dem europäischen Norden in Betracht. Die Ostseeschiffahrt kann aber, nicht nur wegen der Tief¬ gangsverhältnisse der wichtigsten Ostseehäfen, sondern auch wegen der noch rückständigen Wirtschaftsverhültnisse des Nordens nur mittelgroße Seeschiffe gebrauchen. Die, übrigens sicherlich vorübergehende, Sprunghafte Steigerung der Schisfsgrößen im transatlantischen Verkehr kommt also für den Kanal nicht in Betracht. Anderseits aber sind solche Schiffsgrößen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Kohlen- und Eisengroßindustrie erwünscht und mit der Zeit nötig, die über die¬ jenigen wesentlich hinausgehen, die auf dem Rhein regelmäßig verkehren können. In dieser Beziehung ist nun die Feststellung wichtig, daß, mag Holland sich absichtlich mit dem Ausbau der Rheinrinne keine allzugroße Mühe gegeben haben, ihm eine Vertiefung des Fahrwassers, wie sie aus den oben erörterten Gesichts¬ punkten heraus in Frage kommt, schon aus technischen Gründen nicht möglich war. Weil sich aber der Rhein nicht wesentlich weiter vertiefen läßt, deshalb glaube ich allerdings, daß ein Kanal in mittleren Abmessungen einmal, wenngleich erst in ferner Zukunft, kommen wird, wenn genaue Pläne die Ausführung mit nicht zu großen Kosten sicherstellen. Ein Flußschiffkanal, ähnlich den Abmessungen des Herzberg-Taaksschen Ent¬ wurfs, genügt aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht. Jeder Kanal, der keine wesentlich größeren Schiffsgefäße zuließe, wie der Rhein nach Ausbau der tech¬ nisch erreichbaren Fahrrinne, würde verfehlt sein. Nach alter Erfahrung sucht der Verkehr unter ähnlichen Bedingungen stets den natürlichen Wasserweg. Wird der Kanal gebaut, dann muß er nicht nur in seinen Abmessungen die Mitte halten zwischen Übertreibungen und halben Lösungen, er muß dann vor allem auch möglichst wenig Verkehrshindernisse zeigen. Lieber zur rechten Zeit 100 Millionen mehr einbauen, als den Verkehr und Unterhalt durch viele Schleusen für immer erschweren. Was die Linienführung anbetrifft, so ist eine Durchführung des Kanals durch das dichte Verkehrsnetz des Duisburger Reviers ausgeschlossen. Es ist kein ernst zu nehmender Gedanke, einige Dutzend mehrgleisiger Eisenbahnen, Wege und Wasserläufe unter dem Kanal durchführen zu wollen. Die Steigerung der Betriebskosten und die Verkehrserschwerungen für die betroffenen Bahnen würden zusammen mit den Abschreibungen und Zinsen der dafür nötigen Bauten volkswirtschaftlich jeden Nutzen wieder aufheben. Der Kanal darf aber nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/613>, abgerufen am 19.10.2024.