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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Das Erbrecht des Staates

In Justizrat Bambergers Schriften ("Für das Erbrecht des Reiches 1912")
finden wir die Worte: "Darum erscheint die schleunige Tilgung der Schuld als
die dringendste, vornehmste Aufgabe der deutschen Finanzpolitik."

Von demselben Verfasser finden wir folgende Notiz in Ur. 289 der Täg¬
lichen Rundschau:

"Es ist nicht angängig, heimfallende Erbschaften zur Deckung von laufenden
Ausgaben zu verwenden. Es ist sehr erfreulich, wenn man des Erbrechts nicht
zur Durchführung der Wehrvorlage bedarf. Die Einnahmen sollen verwandt
werden zur Verstärkung des unzulänglichen Kriegsschatzes und zur planmäßigen
Abstoßung der Schuld von 5 Milliarden."

Im Vierteljahrsheft (2. Heft. 1913) zur Statistik des Deutschen Reiches
werden die gesamten zu Beginn des Rechnungsjahres 1912 bestehenden Schulden
des Reiches auf 4802300000 Mark beziffert.

Ende 1875 betrugen sie nur 120,3 Millionen I

Daß in der Kommissionssitzung vom 24. Juni 1913 der Umstand be¬
mängelt wurde, daß das staatliche Erbrecht als selbständiges Finanzgesetz nicht
als Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (wie 1908) eingebracht worden ist,
ist eingangs erwähnt worden.

Anderseits wurde es in der Sitzung vom 10. Juni als bedenklich bezeichnet,
eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorzunehmen.

"Die Erbordnung, (Erbrecht) . . . verändert sich mit den wirtschaftlichen
und sozialen Verhältnissen und den ihr daraus wachsenden Ausgaben," sagt
dagegen Professor von Scheel.

Durch die endgültige Erledigung der zur einmaligen wie dauernden
Deckung der Ausgaben für die Wehrmachtsverstärkung eingebrachten Vorlagen
ist der Hauptzweck des Entwurfes von 1913 -- zu der Deckung mit beizu¬
tragen -- gegenstandslos geworden.

Wie wir gesehen haben, fanden sich aber noch genügende Gründe, um
den Entwurf nicht fallen zu lassen.

Was den Sonderzweck -- die Verwendung -- der eventuellen Einnahmen
anlangt, so bleibt der Bambergersche Vorschlag (vgl. oben) sehr beachtlich.

Faßt man die erwähnten Betrachtungen, Vorschläge, Einwendungen usw.
kurz zusammen, so lassen sich etwa folgende Sätze aufstellen:

1. gegen ein Erbrecht des Staates liegen keine Bedenken vor;
2. der Entwurf ist nochmals von den verschiedensten Standpunkten,
niemals aber vom parteipolitischer Standpunkt, gründlich zu prüfen;
3. die Testierfreiheit muß unbedingt erhalten werden.



Das Erbrecht des Staates

In Justizrat Bambergers Schriften („Für das Erbrecht des Reiches 1912")
finden wir die Worte: „Darum erscheint die schleunige Tilgung der Schuld als
die dringendste, vornehmste Aufgabe der deutschen Finanzpolitik."

Von demselben Verfasser finden wir folgende Notiz in Ur. 289 der Täg¬
lichen Rundschau:

„Es ist nicht angängig, heimfallende Erbschaften zur Deckung von laufenden
Ausgaben zu verwenden. Es ist sehr erfreulich, wenn man des Erbrechts nicht
zur Durchführung der Wehrvorlage bedarf. Die Einnahmen sollen verwandt
werden zur Verstärkung des unzulänglichen Kriegsschatzes und zur planmäßigen
Abstoßung der Schuld von 5 Milliarden."

Im Vierteljahrsheft (2. Heft. 1913) zur Statistik des Deutschen Reiches
werden die gesamten zu Beginn des Rechnungsjahres 1912 bestehenden Schulden
des Reiches auf 4802300000 Mark beziffert.

Ende 1875 betrugen sie nur 120,3 Millionen I

Daß in der Kommissionssitzung vom 24. Juni 1913 der Umstand be¬
mängelt wurde, daß das staatliche Erbrecht als selbständiges Finanzgesetz nicht
als Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (wie 1908) eingebracht worden ist,
ist eingangs erwähnt worden.

Anderseits wurde es in der Sitzung vom 10. Juni als bedenklich bezeichnet,
eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorzunehmen.

„Die Erbordnung, (Erbrecht) . . . verändert sich mit den wirtschaftlichen
und sozialen Verhältnissen und den ihr daraus wachsenden Ausgaben," sagt
dagegen Professor von Scheel.

Durch die endgültige Erledigung der zur einmaligen wie dauernden
Deckung der Ausgaben für die Wehrmachtsverstärkung eingebrachten Vorlagen
ist der Hauptzweck des Entwurfes von 1913 — zu der Deckung mit beizu¬
tragen — gegenstandslos geworden.

Wie wir gesehen haben, fanden sich aber noch genügende Gründe, um
den Entwurf nicht fallen zu lassen.

Was den Sonderzweck — die Verwendung — der eventuellen Einnahmen
anlangt, so bleibt der Bambergersche Vorschlag (vgl. oben) sehr beachtlich.

Faßt man die erwähnten Betrachtungen, Vorschläge, Einwendungen usw.
kurz zusammen, so lassen sich etwa folgende Sätze aufstellen:

1. gegen ein Erbrecht des Staates liegen keine Bedenken vor;
2. der Entwurf ist nochmals von den verschiedensten Standpunkten,
niemals aber vom parteipolitischer Standpunkt, gründlich zu prüfen;
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[0610] Das Erbrecht des Staates In Justizrat Bambergers Schriften („Für das Erbrecht des Reiches 1912") finden wir die Worte: „Darum erscheint die schleunige Tilgung der Schuld als die dringendste, vornehmste Aufgabe der deutschen Finanzpolitik." Von demselben Verfasser finden wir folgende Notiz in Ur. 289 der Täg¬ lichen Rundschau: „Es ist nicht angängig, heimfallende Erbschaften zur Deckung von laufenden Ausgaben zu verwenden. Es ist sehr erfreulich, wenn man des Erbrechts nicht zur Durchführung der Wehrvorlage bedarf. Die Einnahmen sollen verwandt werden zur Verstärkung des unzulänglichen Kriegsschatzes und zur planmäßigen Abstoßung der Schuld von 5 Milliarden." Im Vierteljahrsheft (2. Heft. 1913) zur Statistik des Deutschen Reiches werden die gesamten zu Beginn des Rechnungsjahres 1912 bestehenden Schulden des Reiches auf 4802300000 Mark beziffert. Ende 1875 betrugen sie nur 120,3 Millionen I Daß in der Kommissionssitzung vom 24. Juni 1913 der Umstand be¬ mängelt wurde, daß das staatliche Erbrecht als selbständiges Finanzgesetz nicht als Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (wie 1908) eingebracht worden ist, ist eingangs erwähnt worden. Anderseits wurde es in der Sitzung vom 10. Juni als bedenklich bezeichnet, eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorzunehmen. „Die Erbordnung, (Erbrecht) . . . verändert sich mit den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen und den ihr daraus wachsenden Ausgaben," sagt dagegen Professor von Scheel. Durch die endgültige Erledigung der zur einmaligen wie dauernden Deckung der Ausgaben für die Wehrmachtsverstärkung eingebrachten Vorlagen ist der Hauptzweck des Entwurfes von 1913 — zu der Deckung mit beizu¬ tragen — gegenstandslos geworden. Wie wir gesehen haben, fanden sich aber noch genügende Gründe, um den Entwurf nicht fallen zu lassen. Was den Sonderzweck — die Verwendung — der eventuellen Einnahmen anlangt, so bleibt der Bambergersche Vorschlag (vgl. oben) sehr beachtlich. Faßt man die erwähnten Betrachtungen, Vorschläge, Einwendungen usw. kurz zusammen, so lassen sich etwa folgende Sätze aufstellen: 1. gegen ein Erbrecht des Staates liegen keine Bedenken vor; 2. der Entwurf ist nochmals von den verschiedensten Standpunkten, niemals aber vom parteipolitischer Standpunkt, gründlich zu prüfen; 3. die Testierfreiheit muß unbedingt erhalten werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/610>, abgerufen am 20.10.2024.