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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Das Erbrecht des Staates

Nicht unwesentlich wird das staatliche Erbrecht des Z 1 Entwurf durch H 5
eingeschränkt, der, nach einigen von der Kommissionsmehrheit beschlossenen
Abänderungen, bestimmt, daß, falls der Fiskus Verwandte der dritten Erbrechts¬
ordnung ausschließt (Abkömmlinge der Großeltern), diesen Haushaltungsgegen¬
stände und auf die Familie bezügliche Schriftstücke, sowie Familienbilder unent¬
geltlich zu überlassen und daß zum Nachlaß gehörige andere bewegliche Sachen
und Grundstücke, falls sie in ihren wesentlichen Bestandteilen von Voreltern
des Erblassers herrühren, den Verwandten (dritter Ordnung) käuflich zu über¬
lassen sind, zu einem Preise, der achtzig Hundertteilen des Ertragswertes gleich¬
kommt.

Zur Erläuterung möge dienen, daß das Bürgerliche Gesetzbuch (Z 1926)
als "gesetzliche Erben der dritten Ordnung" die Großeltern des Erblassers und
deren Abkömmlinge nennt; als gesetzliche Erben der vierten Ordnung (Z 1928)
die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge, und der fünften Ordnung "die ent¬
fernteren Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge" (Z 1929).

Das Jntestaterbrecht der Verwandten war somit bisher ein unbeschränktes.

Der Entwurf läßt mithin -- um auf einen in der Presse viel besprochenen
Punkt zu kommen -- den Neffen und Nichten ihr Jntestaterbrecht (als Ab¬
kömmlingen der Eltern Z 1925 Bürgerliches Gesetzbuch), während er es den
Onkeln und Tanten (als Abkömmlingen der Großeltern) abspricht. Mit anderen
Worten: der "Erbonkel" soll bleiben, nur der "Erbneffe" fällt weg.

Der vierte Absatz des Z 1 hat durch Beschluß der Kommission die Um¬
änderung erfahren, daß bei bestehenden Meinungsverschiedenheiten darüber,
welcher "Fiskus" gesetzlicher Erbe sei, nicht, wie im Entwurf vorgesehen, der
Bundesrat, sondern das Reichsgericht auf Anrufen des Reichskanzlers zu ent¬
scheiden hat.

In der Kommission sprach nur eine verschwindende Minorität (Polen)
gegen eine Beschränkung des Privaterbrechts überhaupt. Dagegen äußerte man
fast einstimmig, die Regierungsvertreter nicht ausgeschlossen, Bedenken im Falle
der Testierunfähigkeit des Erblassers und erachtete den hierfür im Entwurf
(unten näher zu besprechenden) aufgenommenen Z 6 für nicht zureichend.

Der hierauf bezügliche Teil (Abs. 3) des § 6 lautet wörtlich:

"Der Bundesrat trifft nähere Bestimmungen darüber, inwieweit der
Nachlaß eines Erblassers, der nicht fähig war, ein Testament zu errichten, den
durch dieses Gesetz von der Erbfolge ausgeschlossenen Erben zuzuwenden ist."

Testierunfähig ist bekanntlich (§ 2229 in Verbindung mit §Z 104, 105
Bürgerliches Gesetzbuch):

Wer das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und wer wegen
Geistesschwache, Verschwendung oder Trunksucht entmündigt ist. und wer, ab¬
gesehen vom Alter, geschäftsunfähig ist oder sich in einer, wenn auch nur vor¬
übergehenden Störung der Geistestätigkeit befindet.


Das Erbrecht des Staates

Nicht unwesentlich wird das staatliche Erbrecht des Z 1 Entwurf durch H 5
eingeschränkt, der, nach einigen von der Kommissionsmehrheit beschlossenen
Abänderungen, bestimmt, daß, falls der Fiskus Verwandte der dritten Erbrechts¬
ordnung ausschließt (Abkömmlinge der Großeltern), diesen Haushaltungsgegen¬
stände und auf die Familie bezügliche Schriftstücke, sowie Familienbilder unent¬
geltlich zu überlassen und daß zum Nachlaß gehörige andere bewegliche Sachen
und Grundstücke, falls sie in ihren wesentlichen Bestandteilen von Voreltern
des Erblassers herrühren, den Verwandten (dritter Ordnung) käuflich zu über¬
lassen sind, zu einem Preise, der achtzig Hundertteilen des Ertragswertes gleich¬
kommt.

Zur Erläuterung möge dienen, daß das Bürgerliche Gesetzbuch (Z 1926)
als „gesetzliche Erben der dritten Ordnung" die Großeltern des Erblassers und
deren Abkömmlinge nennt; als gesetzliche Erben der vierten Ordnung (Z 1928)
die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge, und der fünften Ordnung „die ent¬
fernteren Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge" (Z 1929).

Das Jntestaterbrecht der Verwandten war somit bisher ein unbeschränktes.

Der Entwurf läßt mithin — um auf einen in der Presse viel besprochenen
Punkt zu kommen — den Neffen und Nichten ihr Jntestaterbrecht (als Ab¬
kömmlingen der Eltern Z 1925 Bürgerliches Gesetzbuch), während er es den
Onkeln und Tanten (als Abkömmlingen der Großeltern) abspricht. Mit anderen
Worten: der „Erbonkel" soll bleiben, nur der „Erbneffe" fällt weg.

Der vierte Absatz des Z 1 hat durch Beschluß der Kommission die Um¬
änderung erfahren, daß bei bestehenden Meinungsverschiedenheiten darüber,
welcher „Fiskus" gesetzlicher Erbe sei, nicht, wie im Entwurf vorgesehen, der
Bundesrat, sondern das Reichsgericht auf Anrufen des Reichskanzlers zu ent¬
scheiden hat.

In der Kommission sprach nur eine verschwindende Minorität (Polen)
gegen eine Beschränkung des Privaterbrechts überhaupt. Dagegen äußerte man
fast einstimmig, die Regierungsvertreter nicht ausgeschlossen, Bedenken im Falle
der Testierunfähigkeit des Erblassers und erachtete den hierfür im Entwurf
(unten näher zu besprechenden) aufgenommenen Z 6 für nicht zureichend.

Der hierauf bezügliche Teil (Abs. 3) des § 6 lautet wörtlich:

„Der Bundesrat trifft nähere Bestimmungen darüber, inwieweit der
Nachlaß eines Erblassers, der nicht fähig war, ein Testament zu errichten, den
durch dieses Gesetz von der Erbfolge ausgeschlossenen Erben zuzuwenden ist."

Testierunfähig ist bekanntlich (§ 2229 in Verbindung mit §Z 104, 105
Bürgerliches Gesetzbuch):

Wer das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und wer wegen
Geistesschwache, Verschwendung oder Trunksucht entmündigt ist. und wer, ab¬
gesehen vom Alter, geschäftsunfähig ist oder sich in einer, wenn auch nur vor¬
übergehenden Störung der Geistestätigkeit befindet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/600>, abgerufen am 19.10.2024.