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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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unter den lokalen Einzelerscheinungen aus¬
zusondern und dadurch das gesamte Zeitbild
zu bereichern haben, oder sie wird die vom
Typischen stark abweichenden Verhältnisse
einer Gegend in ihrer Begründung hervor¬
heben Hiernach sind alle lokalen Publikationen
zu orientieren, sie sind teils als typisch, teils
-- wenn ich diesen Ausdruck prägen darf --
als antitypisch aufzuweisen; dies kann nur
durch Vergleich mit anderen Erscheinungen
geschehen, und hiernach kommt den lokalen
historischen Tatsachen keine autonome wissen¬
schaftliche Bedeutung zu, sondern nur in Be¬
ziehung auf andere Tatsachen, Dies wurde
vielfach nicht berücksichtigt.

In besonderem Maße hat unter un¬
kritischer Publikationsmethode ein Zweig der
Kulturgeschichte gelitten, nämlich die Er-
ziehungs- und Schulgeschichte; fast nirgends
hat man so oft über dem Einzelnen das
Ganze aus dem Auge verloren oder den
Vergleich mit entsprechenden Erscheinungen
unterlassen, fast nirgends sich so oft mit dem
Abdruck der alten Quelle genügen lassen wie
dort. "Da wird nicht nur die Entwicklung
des Schulwesens in einer Landschaft oder
einer Stadt behandelt, nein da erforschte man
mit heißem Bemühen die Geschichte einer
einzelnen Stadt- oder Dorfschule oder gar
nur eines bestimmten Unterrichtsgegenstandes
in einer einzelnen Anstalt," ohne dabei die
Beziehungen zu ähnlichen oder verschiedenen
Verhältnissen in dieser tausendfach gegliederten
Entwicklung im Auge zu behalten. Der
Dilettantismus, der das Recht zur Publikation
im rein persönlichen Interesse für den Einzel¬
gegenstand statt in der wissenschaftlichen
Einordnung des einzelnen in ein ganzes
sucht, mußte hier besonders heftig bekämpft
werden. Diesen Kampf hat mit rühmens¬
werter Entschiedenheit der hierzu berufene
Verein, die Gesellschaft für deutsche Er-
ziehungs- und Schulgeschichte, aufgenommen.
Nachdem schon seit längerer Zeit Prinzipielle
Bedenken laut geworden waren, die sich zum
Teil selbst gegen die Methode der eigenen
Vereinzpublikationen richteten, hat die Gesell¬
schaft 1910 das Programm für die ^lonu-
mönts, (Zermsnise paeciggoZicu dahin ab¬
geändert, daß künftig die Quellen gegen die
Bearbeitungen, die Stoffe von lokaler gegen

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die von allgemeiner Bedeutung zurücktreten.*)
Und die seit 1911 als "Zeitschrift für Ge¬
schichte der Erziehung und des Unterrichts" er¬
scheinende periodische Veröffentlichung (Berlin,
Weidmann) trat in ihrer ersten Nummer bereits
mit einer programmatischen Erklärung hervor,
wonach der territoriale Gesichtspunkt dem
zentralisierenden weichen, die großen bildungs¬
geschichtlichen Zusammenhänge nicht außer acht
gesetzt werden sollen. Man wird sagen können,
daß sich der recht vielseitige Inhalt der ersten
beiden Jahrgänge in der Hauptsache diesem
Programm anschließt. Unter den Abhand¬
lungen heben wir solche über Montaigne und
über Tieck hervor; von besonderer kultur¬
geschichtlicher Bedeutung ist der Aufsatz von
Seitz über den geographischen Unterricht in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts,
sowie die Veröffentlichung von Warncke über
einen wertvollen Fund mittelalterlicher Schul¬
geräte in Lübeck. Neben der Zeitschrift er¬
halten die Mitglieder der Gesellschaft (Bei¬
trag 6 M.) auch Beihefte; unter diesen ist
der jährlich erscheinende Historisch-Pädagogische
Literaturbericht für jeden Forscher auf dem
Gebiete der Entwicklung geistiger Kultur
längst ein unentbehrliches Hilfs- und Nach¬
schlagebuch geworden. Man darf also den
vielfach kulturhistorisch wichtigen Veröffent¬
lichungen der genannten Gesellschaft seit der

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*) Die im Jahre 1910 erschienenen beiden
Bände der Nonumenw (Zermanms paeäa-
Zogica (Weidmcmnsche Buchhandlung, Berlin)
sind in Heft 14 dos Jahrgangs 1911 ange¬
zeigt worden. Sie behandelten die Gelehrten¬
schulen Preußens unter dem Oberschulkollegium
(1787--1806) und das Abiturientenexamen
(Band X1.VI) und die humanistischen Schulen
im Gebiet der bayerischen Pfalz (BandXI^VII).
Beide Werke waren damals noch nicht ab¬
geschlossen. Erst in den Jahren 1911 und
1912 ist mit zwei weiteren Bänden (Band
XI^VIII und Band I.) der ersteren und mit
dem zweiten Bande (XI^IX) des letzteren
Werkes ein Abschluß erreicht worden. Im
kürzlich ausgegebenen Band 1>I behandelt
Seminnrdirektor O. Uttendörfer das Er¬
ziehungswesen Zinzendorff und der Brüder¬
gemeinde in seinen Anfängen.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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unter den lokalen Einzelerscheinungen aus¬
zusondern und dadurch das gesamte Zeitbild
zu bereichern haben, oder sie wird die vom
Typischen stark abweichenden Verhältnisse
einer Gegend in ihrer Begründung hervor¬
heben Hiernach sind alle lokalen Publikationen
zu orientieren, sie sind teils als typisch, teils
— wenn ich diesen Ausdruck prägen darf —
als antitypisch aufzuweisen; dies kann nur
durch Vergleich mit anderen Erscheinungen
geschehen, und hiernach kommt den lokalen
historischen Tatsachen keine autonome wissen¬
schaftliche Bedeutung zu, sondern nur in Be¬
ziehung auf andere Tatsachen, Dies wurde
vielfach nicht berücksichtigt.

In besonderem Maße hat unter un¬
kritischer Publikationsmethode ein Zweig der
Kulturgeschichte gelitten, nämlich die Er-
ziehungs- und Schulgeschichte; fast nirgends
hat man so oft über dem Einzelnen das
Ganze aus dem Auge verloren oder den
Vergleich mit entsprechenden Erscheinungen
unterlassen, fast nirgends sich so oft mit dem
Abdruck der alten Quelle genügen lassen wie
dort. „Da wird nicht nur die Entwicklung
des Schulwesens in einer Landschaft oder
einer Stadt behandelt, nein da erforschte man
mit heißem Bemühen die Geschichte einer
einzelnen Stadt- oder Dorfschule oder gar
nur eines bestimmten Unterrichtsgegenstandes
in einer einzelnen Anstalt," ohne dabei die
Beziehungen zu ähnlichen oder verschiedenen
Verhältnissen in dieser tausendfach gegliederten
Entwicklung im Auge zu behalten. Der
Dilettantismus, der das Recht zur Publikation
im rein persönlichen Interesse für den Einzel¬
gegenstand statt in der wissenschaftlichen
Einordnung des einzelnen in ein ganzes
sucht, mußte hier besonders heftig bekämpft
werden. Diesen Kampf hat mit rühmens¬
werter Entschiedenheit der hierzu berufene
Verein, die Gesellschaft für deutsche Er-
ziehungs- und Schulgeschichte, aufgenommen.
Nachdem schon seit längerer Zeit Prinzipielle
Bedenken laut geworden waren, die sich zum
Teil selbst gegen die Methode der eigenen
Vereinzpublikationen richteten, hat die Gesell¬
schaft 1910 das Programm für die ^lonu-
mönts, (Zermsnise paeciggoZicu dahin ab¬
geändert, daß künftig die Quellen gegen die
Bearbeitungen, die Stoffe von lokaler gegen

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die von allgemeiner Bedeutung zurücktreten.*)
Und die seit 1911 als „Zeitschrift für Ge¬
schichte der Erziehung und des Unterrichts" er¬
scheinende periodische Veröffentlichung (Berlin,
Weidmann) trat in ihrer ersten Nummer bereits
mit einer programmatischen Erklärung hervor,
wonach der territoriale Gesichtspunkt dem
zentralisierenden weichen, die großen bildungs¬
geschichtlichen Zusammenhänge nicht außer acht
gesetzt werden sollen. Man wird sagen können,
daß sich der recht vielseitige Inhalt der ersten
beiden Jahrgänge in der Hauptsache diesem
Programm anschließt. Unter den Abhand¬
lungen heben wir solche über Montaigne und
über Tieck hervor; von besonderer kultur¬
geschichtlicher Bedeutung ist der Aufsatz von
Seitz über den geographischen Unterricht in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts,
sowie die Veröffentlichung von Warncke über
einen wertvollen Fund mittelalterlicher Schul¬
geräte in Lübeck. Neben der Zeitschrift er¬
halten die Mitglieder der Gesellschaft (Bei¬
trag 6 M.) auch Beihefte; unter diesen ist
der jährlich erscheinende Historisch-Pädagogische
Literaturbericht für jeden Forscher auf dem
Gebiete der Entwicklung geistiger Kultur
längst ein unentbehrliches Hilfs- und Nach¬
schlagebuch geworden. Man darf also den
vielfach kulturhistorisch wichtigen Veröffent¬
lichungen der genannten Gesellschaft seit der

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*) Die im Jahre 1910 erschienenen beiden
Bände der Nonumenw (Zermanms paeäa-
Zogica (Weidmcmnsche Buchhandlung, Berlin)
sind in Heft 14 dos Jahrgangs 1911 ange¬
zeigt worden. Sie behandelten die Gelehrten¬
schulen Preußens unter dem Oberschulkollegium
(1787—1806) und das Abiturientenexamen
(Band X1.VI) und die humanistischen Schulen
im Gebiet der bayerischen Pfalz (BandXI^VII).
Beide Werke waren damals noch nicht ab¬
geschlossen. Erst in den Jahren 1911 und
1912 ist mit zwei weiteren Bänden (Band
XI^VIII und Band I.) der ersteren und mit
dem zweiten Bande (XI^IX) des letzteren
Werkes ein Abschluß erreicht worden. Im
kürzlich ausgegebenen Band 1>I behandelt
Seminnrdirektor O. Uttendörfer das Er¬
ziehungswesen Zinzendorff und der Brüder¬
gemeinde in seinen Anfängen.
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[0058] Maßgebliches und Unmaßgebliches unter den lokalen Einzelerscheinungen aus¬ zusondern und dadurch das gesamte Zeitbild zu bereichern haben, oder sie wird die vom Typischen stark abweichenden Verhältnisse einer Gegend in ihrer Begründung hervor¬ heben Hiernach sind alle lokalen Publikationen zu orientieren, sie sind teils als typisch, teils — wenn ich diesen Ausdruck prägen darf — als antitypisch aufzuweisen; dies kann nur durch Vergleich mit anderen Erscheinungen geschehen, und hiernach kommt den lokalen historischen Tatsachen keine autonome wissen¬ schaftliche Bedeutung zu, sondern nur in Be¬ ziehung auf andere Tatsachen, Dies wurde vielfach nicht berücksichtigt. In besonderem Maße hat unter un¬ kritischer Publikationsmethode ein Zweig der Kulturgeschichte gelitten, nämlich die Er- ziehungs- und Schulgeschichte; fast nirgends hat man so oft über dem Einzelnen das Ganze aus dem Auge verloren oder den Vergleich mit entsprechenden Erscheinungen unterlassen, fast nirgends sich so oft mit dem Abdruck der alten Quelle genügen lassen wie dort. „Da wird nicht nur die Entwicklung des Schulwesens in einer Landschaft oder einer Stadt behandelt, nein da erforschte man mit heißem Bemühen die Geschichte einer einzelnen Stadt- oder Dorfschule oder gar nur eines bestimmten Unterrichtsgegenstandes in einer einzelnen Anstalt," ohne dabei die Beziehungen zu ähnlichen oder verschiedenen Verhältnissen in dieser tausendfach gegliederten Entwicklung im Auge zu behalten. Der Dilettantismus, der das Recht zur Publikation im rein persönlichen Interesse für den Einzel¬ gegenstand statt in der wissenschaftlichen Einordnung des einzelnen in ein ganzes sucht, mußte hier besonders heftig bekämpft werden. Diesen Kampf hat mit rühmens¬ werter Entschiedenheit der hierzu berufene Verein, die Gesellschaft für deutsche Er- ziehungs- und Schulgeschichte, aufgenommen. Nachdem schon seit längerer Zeit Prinzipielle Bedenken laut geworden waren, die sich zum Teil selbst gegen die Methode der eigenen Vereinzpublikationen richteten, hat die Gesell¬ schaft 1910 das Programm für die ^lonu- mönts, (Zermsnise paeciggoZicu dahin ab¬ geändert, daß künftig die Quellen gegen die Bearbeitungen, die Stoffe von lokaler gegen die von allgemeiner Bedeutung zurücktreten.*) Und die seit 1911 als „Zeitschrift für Ge¬ schichte der Erziehung und des Unterrichts" er¬ scheinende periodische Veröffentlichung (Berlin, Weidmann) trat in ihrer ersten Nummer bereits mit einer programmatischen Erklärung hervor, wonach der territoriale Gesichtspunkt dem zentralisierenden weichen, die großen bildungs¬ geschichtlichen Zusammenhänge nicht außer acht gesetzt werden sollen. Man wird sagen können, daß sich der recht vielseitige Inhalt der ersten beiden Jahrgänge in der Hauptsache diesem Programm anschließt. Unter den Abhand¬ lungen heben wir solche über Montaigne und über Tieck hervor; von besonderer kultur¬ geschichtlicher Bedeutung ist der Aufsatz von Seitz über den geographischen Unterricht in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, sowie die Veröffentlichung von Warncke über einen wertvollen Fund mittelalterlicher Schul¬ geräte in Lübeck. Neben der Zeitschrift er¬ halten die Mitglieder der Gesellschaft (Bei¬ trag 6 M.) auch Beihefte; unter diesen ist der jährlich erscheinende Historisch-Pädagogische Literaturbericht für jeden Forscher auf dem Gebiete der Entwicklung geistiger Kultur längst ein unentbehrliches Hilfs- und Nach¬ schlagebuch geworden. Man darf also den vielfach kulturhistorisch wichtigen Veröffent¬ lichungen der genannten Gesellschaft seit der *) Die im Jahre 1910 erschienenen beiden Bände der Nonumenw (Zermanms paeäa- Zogica (Weidmcmnsche Buchhandlung, Berlin) sind in Heft 14 dos Jahrgangs 1911 ange¬ zeigt worden. Sie behandelten die Gelehrten¬ schulen Preußens unter dem Oberschulkollegium (1787—1806) und das Abiturientenexamen (Band X1.VI) und die humanistischen Schulen im Gebiet der bayerischen Pfalz (BandXI^VII). Beide Werke waren damals noch nicht ab¬ geschlossen. Erst in den Jahren 1911 und 1912 ist mit zwei weiteren Bänden (Band XI^VIII und Band I.) der ersteren und mit dem zweiten Bande (XI^IX) des letzteren Werkes ein Abschluß erreicht worden. Im kürzlich ausgegebenen Band 1>I behandelt Seminnrdirektor O. Uttendörfer das Er¬ ziehungswesen Zinzendorff und der Brüder¬ gemeinde in seinen Anfängen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/58>, abgerufen am 19.10.2024.