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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zwischen Kliniken, für welche die Stadt ein
den Erfordernissen genügendes Krankenhaus
zur Verfügung stellen will.

Die Kosten, die durch Errichtung der
neuen Universität durch Bereitstellung, Ein¬
richtung und Ausstattung der Baulichkeiten
für Hörsäle, Institute und sonstige Räume
entstehen, sollen durch Stiftungen von feiten
der Stadt und von Privatpersonen gedeckt
werden. Dem sächsischen Staat würde also
die Bestreitung der Unterhaltungskosten ein¬
schließlich der Gehälter der Professoren und
der Beamten zufallen.

Es ist heute schwer zu sagen, in welchen
Grenzen sich diese Kosten bewegen werden.
Darin aber scheint nur die zu zweit erwähnte
Broschüre sich einer argen Täuschung hinzu¬
geben, daß sie annimmt, die Dresdener Uni¬
versität würde eine mittlere Universität
bleiben, deren Kosten sich nicht annähernd
mit denen Leipzigs messen könnten. Gerade
die geplante Anlage würde Studenten der
verschiedensten Studienfächer in Dresden zu¬
sammenführen und gerade die Lage Dresdens
würde manchen Studenten einer unserer alten
Universitäten locken, so daß und einem hohen
jährlichen Aufwands zu rechnen wäre. Diese
Finanzfrage wird eine erhebliche Schwierigkeit
für das Problem bilden; daß die Prinzipiellen
Bedenken, die der ganzen Anlage einer solchen
Gesamtuniversität entgegenstehen, dies Projekt
bei der sächsischen Regierung zu Fall bringen
werden, ist nach derer StellungnahmeinSachen
der Deutschen Bücherei in Leipzig leider kaum
anzunehmen. Diese prinzipiellen Be¬
denken aber liegen in den so gänzlich
andersgearteten Zielen und Arbeits¬
methoden der beiden Anstalten, die zu
einer einzigen Gesamtuniversität hier zu-
sammengekoppelt werden sollen. In
Amerika, wo man Universitäten in unserem
Sinne nicht kennt, ist dies um so eher mög¬
lich, als die Naturwissenschaften dort im Lehr¬
plane durchaus vorherrschend sind (das Wort
feimes in seiner dort spezialisierten Bedeu¬
tung ist ja ein so treffender Beleg dafür).
Den deutschen Universitäten aber
könnte eine solche Wmerikanisierung
keinen Segen bringen.

Dr. !V. Picks [Spaltenumbruch]
Aulturgeschichte

DaS Zusammentragen von Rohmaterial
galt bis vor kurzem und gilt zum Teil jetzt
noch bei vielen auf dem Gebiete der geschicht¬
lichen Forschung tätigen Arbeitern als Haupt¬
ausgabe. Hierbei wurde oft zu weit ge¬
gangen; man konnte auf manchen Punkten
des Gebietes geradezu von einer Publikations¬
wut reden. Während aus der Zeit des hohen
Mittelalters bei der relativen Geringfügigkeit
der Überlieferung fast jede Urkunde für
würdig der Publikation gelten muß, ist dies
bei den Aktenmassen, die seit dein 16. Jahr¬
hundert erhalten sind, natürlich nicht mehr
der Fall. Hier gilt es, das wirklich bedeut¬
same auszusondern, und ein Dilettant, der
an Archivalien des 16., 17. und 18. Jahr¬
hunderts gerät und daraus urteilslos Publi¬
ziert, kann geradezu irreführend wirken; im
besten Falle ist seine Veröffentlichung wertlos.
Dem wurde entgegengehalten, daß eine Auf¬
zeichnung, der man beim besten Willen keine
allgemein-historische Bedeutung beimessen kann,
doch jedenfalls kulturhistorisch wertvoll sei.
Unter diesen Gesichtspunkt, dem ein klarer
Begriff von Kulturgeschichte meist nicht ent¬
sprach, glaubte man schließlich alles rücken
zu können. AVer man erkennt jetzt deutlicher
als je, daß derartige Publikationen im all¬
gemeinen nur antiquarischen, nicht aber
historisch-wissenschaftlichen Wert in sich tragen.
Erst von einer schärferen Fassung des Be¬
griffes Kulturgeschichte aus konnte man zu
der nötigen Selbstbeschränkung kommen. In
diesem Zusammenhang ist die Prämierung
bedeutsam, die der verdiente Herausgeber
des "Archivs für Kulturgeschichte", Georg
Steinhausen, am Beginn einer neuen Reihe
seiner Zeitschrift (1910) der Aufgabe seiner
Wissenschaft angedeihen läßt; hiernach hat sie
"aus dem ganzen für die geschichtliche Er¬
kenntnis einer bestimmten Zeit vorhandenen
Material das für deren Gesamtkultur und
Gesamtgeist Bezeichnende festzustellen, unter
Berücksichtigung der Haltung des Durchschnitts¬
menschen". Aus dieser sehr einleuchtenden
Zielsetzung ergibt sich, welcher Platz innerhalb
dieses weiteren Rahmens der lokalen Kultur¬
geschichte, soweit sie auf Beachtung Anspruch
machen kann, zufällt; sie wird die typischen

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zwischen Kliniken, für welche die Stadt ein
den Erfordernissen genügendes Krankenhaus
zur Verfügung stellen will.

Die Kosten, die durch Errichtung der
neuen Universität durch Bereitstellung, Ein¬
richtung und Ausstattung der Baulichkeiten
für Hörsäle, Institute und sonstige Räume
entstehen, sollen durch Stiftungen von feiten
der Stadt und von Privatpersonen gedeckt
werden. Dem sächsischen Staat würde also
die Bestreitung der Unterhaltungskosten ein¬
schließlich der Gehälter der Professoren und
der Beamten zufallen.

Es ist heute schwer zu sagen, in welchen
Grenzen sich diese Kosten bewegen werden.
Darin aber scheint nur die zu zweit erwähnte
Broschüre sich einer argen Täuschung hinzu¬
geben, daß sie annimmt, die Dresdener Uni¬
versität würde eine mittlere Universität
bleiben, deren Kosten sich nicht annähernd
mit denen Leipzigs messen könnten. Gerade
die geplante Anlage würde Studenten der
verschiedensten Studienfächer in Dresden zu¬
sammenführen und gerade die Lage Dresdens
würde manchen Studenten einer unserer alten
Universitäten locken, so daß und einem hohen
jährlichen Aufwands zu rechnen wäre. Diese
Finanzfrage wird eine erhebliche Schwierigkeit
für das Problem bilden; daß die Prinzipiellen
Bedenken, die der ganzen Anlage einer solchen
Gesamtuniversität entgegenstehen, dies Projekt
bei der sächsischen Regierung zu Fall bringen
werden, ist nach derer StellungnahmeinSachen
der Deutschen Bücherei in Leipzig leider kaum
anzunehmen. Diese prinzipiellen Be¬
denken aber liegen in den so gänzlich
andersgearteten Zielen und Arbeits¬
methoden der beiden Anstalten, die zu
einer einzigen Gesamtuniversität hier zu-
sammengekoppelt werden sollen. In
Amerika, wo man Universitäten in unserem
Sinne nicht kennt, ist dies um so eher mög¬
lich, als die Naturwissenschaften dort im Lehr¬
plane durchaus vorherrschend sind (das Wort
feimes in seiner dort spezialisierten Bedeu¬
tung ist ja ein so treffender Beleg dafür).
Den deutschen Universitäten aber
könnte eine solche Wmerikanisierung
keinen Segen bringen.

Dr. !V. Picks [Spaltenumbruch]
Aulturgeschichte

DaS Zusammentragen von Rohmaterial
galt bis vor kurzem und gilt zum Teil jetzt
noch bei vielen auf dem Gebiete der geschicht¬
lichen Forschung tätigen Arbeitern als Haupt¬
ausgabe. Hierbei wurde oft zu weit ge¬
gangen; man konnte auf manchen Punkten
des Gebietes geradezu von einer Publikations¬
wut reden. Während aus der Zeit des hohen
Mittelalters bei der relativen Geringfügigkeit
der Überlieferung fast jede Urkunde für
würdig der Publikation gelten muß, ist dies
bei den Aktenmassen, die seit dein 16. Jahr¬
hundert erhalten sind, natürlich nicht mehr
der Fall. Hier gilt es, das wirklich bedeut¬
same auszusondern, und ein Dilettant, der
an Archivalien des 16., 17. und 18. Jahr¬
hunderts gerät und daraus urteilslos Publi¬
ziert, kann geradezu irreführend wirken; im
besten Falle ist seine Veröffentlichung wertlos.
Dem wurde entgegengehalten, daß eine Auf¬
zeichnung, der man beim besten Willen keine
allgemein-historische Bedeutung beimessen kann,
doch jedenfalls kulturhistorisch wertvoll sei.
Unter diesen Gesichtspunkt, dem ein klarer
Begriff von Kulturgeschichte meist nicht ent¬
sprach, glaubte man schließlich alles rücken
zu können. AVer man erkennt jetzt deutlicher
als je, daß derartige Publikationen im all¬
gemeinen nur antiquarischen, nicht aber
historisch-wissenschaftlichen Wert in sich tragen.
Erst von einer schärferen Fassung des Be¬
griffes Kulturgeschichte aus konnte man zu
der nötigen Selbstbeschränkung kommen. In
diesem Zusammenhang ist die Prämierung
bedeutsam, die der verdiente Herausgeber
des „Archivs für Kulturgeschichte", Georg
Steinhausen, am Beginn einer neuen Reihe
seiner Zeitschrift (1910) der Aufgabe seiner
Wissenschaft angedeihen läßt; hiernach hat sie
„aus dem ganzen für die geschichtliche Er¬
kenntnis einer bestimmten Zeit vorhandenen
Material das für deren Gesamtkultur und
Gesamtgeist Bezeichnende festzustellen, unter
Berücksichtigung der Haltung des Durchschnitts¬
menschen". Aus dieser sehr einleuchtenden
Zielsetzung ergibt sich, welcher Platz innerhalb
dieses weiteren Rahmens der lokalen Kultur¬
geschichte, soweit sie auf Beachtung Anspruch
machen kann, zufällt; sie wird die typischen

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[0057] Maßgebliches und Unmaßgebliches zwischen Kliniken, für welche die Stadt ein den Erfordernissen genügendes Krankenhaus zur Verfügung stellen will. Die Kosten, die durch Errichtung der neuen Universität durch Bereitstellung, Ein¬ richtung und Ausstattung der Baulichkeiten für Hörsäle, Institute und sonstige Räume entstehen, sollen durch Stiftungen von feiten der Stadt und von Privatpersonen gedeckt werden. Dem sächsischen Staat würde also die Bestreitung der Unterhaltungskosten ein¬ schließlich der Gehälter der Professoren und der Beamten zufallen. Es ist heute schwer zu sagen, in welchen Grenzen sich diese Kosten bewegen werden. Darin aber scheint nur die zu zweit erwähnte Broschüre sich einer argen Täuschung hinzu¬ geben, daß sie annimmt, die Dresdener Uni¬ versität würde eine mittlere Universität bleiben, deren Kosten sich nicht annähernd mit denen Leipzigs messen könnten. Gerade die geplante Anlage würde Studenten der verschiedensten Studienfächer in Dresden zu¬ sammenführen und gerade die Lage Dresdens würde manchen Studenten einer unserer alten Universitäten locken, so daß und einem hohen jährlichen Aufwands zu rechnen wäre. Diese Finanzfrage wird eine erhebliche Schwierigkeit für das Problem bilden; daß die Prinzipiellen Bedenken, die der ganzen Anlage einer solchen Gesamtuniversität entgegenstehen, dies Projekt bei der sächsischen Regierung zu Fall bringen werden, ist nach derer StellungnahmeinSachen der Deutschen Bücherei in Leipzig leider kaum anzunehmen. Diese prinzipiellen Be¬ denken aber liegen in den so gänzlich andersgearteten Zielen und Arbeits¬ methoden der beiden Anstalten, die zu einer einzigen Gesamtuniversität hier zu- sammengekoppelt werden sollen. In Amerika, wo man Universitäten in unserem Sinne nicht kennt, ist dies um so eher mög¬ lich, als die Naturwissenschaften dort im Lehr¬ plane durchaus vorherrschend sind (das Wort feimes in seiner dort spezialisierten Bedeu¬ tung ist ja ein so treffender Beleg dafür). Den deutschen Universitäten aber könnte eine solche Wmerikanisierung keinen Segen bringen. Dr. !V. Picks Aulturgeschichte DaS Zusammentragen von Rohmaterial galt bis vor kurzem und gilt zum Teil jetzt noch bei vielen auf dem Gebiete der geschicht¬ lichen Forschung tätigen Arbeitern als Haupt¬ ausgabe. Hierbei wurde oft zu weit ge¬ gangen; man konnte auf manchen Punkten des Gebietes geradezu von einer Publikations¬ wut reden. Während aus der Zeit des hohen Mittelalters bei der relativen Geringfügigkeit der Überlieferung fast jede Urkunde für würdig der Publikation gelten muß, ist dies bei den Aktenmassen, die seit dein 16. Jahr¬ hundert erhalten sind, natürlich nicht mehr der Fall. Hier gilt es, das wirklich bedeut¬ same auszusondern, und ein Dilettant, der an Archivalien des 16., 17. und 18. Jahr¬ hunderts gerät und daraus urteilslos Publi¬ ziert, kann geradezu irreführend wirken; im besten Falle ist seine Veröffentlichung wertlos. Dem wurde entgegengehalten, daß eine Auf¬ zeichnung, der man beim besten Willen keine allgemein-historische Bedeutung beimessen kann, doch jedenfalls kulturhistorisch wertvoll sei. Unter diesen Gesichtspunkt, dem ein klarer Begriff von Kulturgeschichte meist nicht ent¬ sprach, glaubte man schließlich alles rücken zu können. AVer man erkennt jetzt deutlicher als je, daß derartige Publikationen im all¬ gemeinen nur antiquarischen, nicht aber historisch-wissenschaftlichen Wert in sich tragen. Erst von einer schärferen Fassung des Be¬ griffes Kulturgeschichte aus konnte man zu der nötigen Selbstbeschränkung kommen. In diesem Zusammenhang ist die Prämierung bedeutsam, die der verdiente Herausgeber des „Archivs für Kulturgeschichte", Georg Steinhausen, am Beginn einer neuen Reihe seiner Zeitschrift (1910) der Aufgabe seiner Wissenschaft angedeihen läßt; hiernach hat sie „aus dem ganzen für die geschichtliche Er¬ kenntnis einer bestimmten Zeit vorhandenen Material das für deren Gesamtkultur und Gesamtgeist Bezeichnende festzustellen, unter Berücksichtigung der Haltung des Durchschnitts¬ menschen". Aus dieser sehr einleuchtenden Zielsetzung ergibt sich, welcher Platz innerhalb dieses weiteren Rahmens der lokalen Kultur¬ geschichte, soweit sie auf Beachtung Anspruch machen kann, zufällt; sie wird die typischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/57>, abgerufen am 19.10.2024.