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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die volkswirtschaftliche Entwicklung Bulgariens

Tief im argen liegt dagegen die Forstwirtschaft. Während in alten Zeiten
das Land mit undurchdringlichen Forsten bedeckt gewesen war, weist heutzutage
nur noch Südbulgarien einen reichen Waldbestand (bis 65 Prozent) auf. Diese
Ausrottung hat ihre Ursache teils in den von den Türken künstlich angelegten
Waldbränden, teils ist sie auf eigene Schuld zurückzuführen. Denn die Bauern
holzten den Wald ab, um Weideland zu bekommen, und der Staat gewährte
allen Leuten völlige Freiheit für die Ausnutzung des Waldbestandes. Im
Jahre 1869 veröffentlichte die türkische Regierung das erste Gesetz, welches eine
gewisse Kontrolle über die Ausnutzung anstrebte; jedoch blieb es wie die meisten
türkischen Verordnungen auf dem Papier stehen, ohne praktisch durchgeführt zu
werden. Erst vom Jahre 1884 kann man von einer tatkräftigen und ziel¬
bewußter Forstpolitik sprechen; einige Jahre später gab die Nationalversamm¬
lung ein Gesetz heraus, das ausgezeichnete praktische Maßregeln enthielt. Es
wurde eine systematische Teilung der Wälder in Blöcke vorgenommen, das
Schlagen von Holz und die Gewinnung von Holzkohle in geregelte Bahnen
geleitet, Förster, Forstinspektoren und Waldhüter wurden angestellt, und Baum¬
schulen auf Staats- und Gemeindebesitz angelegt. Die gesamten Waldungen
Bulgariens werden mit etwa 600 Millionen Franken bewertet. Bulgarien
exportiert alle Arten von Hart- und Weichholz, es importiert Weichholz meist
in der Form von Fabrikaten. Die Exportziffer von 1016639 Franken für
1898 stieg auf 1563691 Franken für 1902. Die Jmportziffer stieg dagegen
ständig.

In den letzten Jahren nahm die Holzindustrie von Bulgarien zu, es arbeiten
jetzt einige Möbelfabriken, auch größere Sägemühlen und eine belgische Zünd-
Holzfabrik. Diesem Industriezweig schadet jedoch der Mangel an Eisenbahnen
zur Beförderung der Produkte. Schließlich erübrigt es sich hier noch die ein¬
zelnen Baumarten anzuführen; am häufigsten sind Eichen und Buchen vertreten,
jedoch sind auch Eschen, Pappeln, Platanen, Ulmen, Weiden, Fichten, Kiefern
und Edeltannen zu finden.

Auch die Minen Bulgariens, die in früheren Zeiten eine bedeutende Rolle
spielten, waren vor der Befreiung vernachlässigt worden. Im Jahre 1879
begann der Staat seine Tätigkeit auf dem Minengebiet durch Eröffnung einer
Braunkohlenmine in der Nähe Sofias. Diese Mine wurde bis zum Jahre 1891
ausgebeutet und lieferte im ganzen 105 000 Tonnen, die ausschließlich von der
Stadt Sofia und der Staatseisenbahn verbraucht wurden. Noch in demselben
Jahre legte der Staat in der Nähe der alten Kohlenmine eine neue an. Außer¬
dem sind dem Staat noch zwei Braunkohlenminen reserviert, von denen die ein¬
träglichere in den vier Jahren 1902 bis 1906 1465 648 Tonnen lieferte. Vom
Jahre 1892 bis 1904 bewilligte die Regierung fünfundzwanzig Konzessionen,
und zwar für 17 Kohlen-. 4 Kupferminen und 4 für Braunstein. In der letzten
Zeit hat sich auf dem Gebiet des Minenwesens eine stärkere Initiative bemerkbar
gemacht. Zu einer tatkräftigen Ausbeute der Minen gründete sich im Jahre 1908


Die volkswirtschaftliche Entwicklung Bulgariens

Tief im argen liegt dagegen die Forstwirtschaft. Während in alten Zeiten
das Land mit undurchdringlichen Forsten bedeckt gewesen war, weist heutzutage
nur noch Südbulgarien einen reichen Waldbestand (bis 65 Prozent) auf. Diese
Ausrottung hat ihre Ursache teils in den von den Türken künstlich angelegten
Waldbränden, teils ist sie auf eigene Schuld zurückzuführen. Denn die Bauern
holzten den Wald ab, um Weideland zu bekommen, und der Staat gewährte
allen Leuten völlige Freiheit für die Ausnutzung des Waldbestandes. Im
Jahre 1869 veröffentlichte die türkische Regierung das erste Gesetz, welches eine
gewisse Kontrolle über die Ausnutzung anstrebte; jedoch blieb es wie die meisten
türkischen Verordnungen auf dem Papier stehen, ohne praktisch durchgeführt zu
werden. Erst vom Jahre 1884 kann man von einer tatkräftigen und ziel¬
bewußter Forstpolitik sprechen; einige Jahre später gab die Nationalversamm¬
lung ein Gesetz heraus, das ausgezeichnete praktische Maßregeln enthielt. Es
wurde eine systematische Teilung der Wälder in Blöcke vorgenommen, das
Schlagen von Holz und die Gewinnung von Holzkohle in geregelte Bahnen
geleitet, Förster, Forstinspektoren und Waldhüter wurden angestellt, und Baum¬
schulen auf Staats- und Gemeindebesitz angelegt. Die gesamten Waldungen
Bulgariens werden mit etwa 600 Millionen Franken bewertet. Bulgarien
exportiert alle Arten von Hart- und Weichholz, es importiert Weichholz meist
in der Form von Fabrikaten. Die Exportziffer von 1016639 Franken für
1898 stieg auf 1563691 Franken für 1902. Die Jmportziffer stieg dagegen
ständig.

In den letzten Jahren nahm die Holzindustrie von Bulgarien zu, es arbeiten
jetzt einige Möbelfabriken, auch größere Sägemühlen und eine belgische Zünd-
Holzfabrik. Diesem Industriezweig schadet jedoch der Mangel an Eisenbahnen
zur Beförderung der Produkte. Schließlich erübrigt es sich hier noch die ein¬
zelnen Baumarten anzuführen; am häufigsten sind Eichen und Buchen vertreten,
jedoch sind auch Eschen, Pappeln, Platanen, Ulmen, Weiden, Fichten, Kiefern
und Edeltannen zu finden.

Auch die Minen Bulgariens, die in früheren Zeiten eine bedeutende Rolle
spielten, waren vor der Befreiung vernachlässigt worden. Im Jahre 1879
begann der Staat seine Tätigkeit auf dem Minengebiet durch Eröffnung einer
Braunkohlenmine in der Nähe Sofias. Diese Mine wurde bis zum Jahre 1891
ausgebeutet und lieferte im ganzen 105 000 Tonnen, die ausschließlich von der
Stadt Sofia und der Staatseisenbahn verbraucht wurden. Noch in demselben
Jahre legte der Staat in der Nähe der alten Kohlenmine eine neue an. Außer¬
dem sind dem Staat noch zwei Braunkohlenminen reserviert, von denen die ein¬
träglichere in den vier Jahren 1902 bis 1906 1465 648 Tonnen lieferte. Vom
Jahre 1892 bis 1904 bewilligte die Regierung fünfundzwanzig Konzessionen,
und zwar für 17 Kohlen-. 4 Kupferminen und 4 für Braunstein. In der letzten
Zeit hat sich auf dem Gebiet des Minenwesens eine stärkere Initiative bemerkbar
gemacht. Zu einer tatkräftigen Ausbeute der Minen gründete sich im Jahre 1908


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[0569] Die volkswirtschaftliche Entwicklung Bulgariens Tief im argen liegt dagegen die Forstwirtschaft. Während in alten Zeiten das Land mit undurchdringlichen Forsten bedeckt gewesen war, weist heutzutage nur noch Südbulgarien einen reichen Waldbestand (bis 65 Prozent) auf. Diese Ausrottung hat ihre Ursache teils in den von den Türken künstlich angelegten Waldbränden, teils ist sie auf eigene Schuld zurückzuführen. Denn die Bauern holzten den Wald ab, um Weideland zu bekommen, und der Staat gewährte allen Leuten völlige Freiheit für die Ausnutzung des Waldbestandes. Im Jahre 1869 veröffentlichte die türkische Regierung das erste Gesetz, welches eine gewisse Kontrolle über die Ausnutzung anstrebte; jedoch blieb es wie die meisten türkischen Verordnungen auf dem Papier stehen, ohne praktisch durchgeführt zu werden. Erst vom Jahre 1884 kann man von einer tatkräftigen und ziel¬ bewußter Forstpolitik sprechen; einige Jahre später gab die Nationalversamm¬ lung ein Gesetz heraus, das ausgezeichnete praktische Maßregeln enthielt. Es wurde eine systematische Teilung der Wälder in Blöcke vorgenommen, das Schlagen von Holz und die Gewinnung von Holzkohle in geregelte Bahnen geleitet, Förster, Forstinspektoren und Waldhüter wurden angestellt, und Baum¬ schulen auf Staats- und Gemeindebesitz angelegt. Die gesamten Waldungen Bulgariens werden mit etwa 600 Millionen Franken bewertet. Bulgarien exportiert alle Arten von Hart- und Weichholz, es importiert Weichholz meist in der Form von Fabrikaten. Die Exportziffer von 1016639 Franken für 1898 stieg auf 1563691 Franken für 1902. Die Jmportziffer stieg dagegen ständig. In den letzten Jahren nahm die Holzindustrie von Bulgarien zu, es arbeiten jetzt einige Möbelfabriken, auch größere Sägemühlen und eine belgische Zünd- Holzfabrik. Diesem Industriezweig schadet jedoch der Mangel an Eisenbahnen zur Beförderung der Produkte. Schließlich erübrigt es sich hier noch die ein¬ zelnen Baumarten anzuführen; am häufigsten sind Eichen und Buchen vertreten, jedoch sind auch Eschen, Pappeln, Platanen, Ulmen, Weiden, Fichten, Kiefern und Edeltannen zu finden. Auch die Minen Bulgariens, die in früheren Zeiten eine bedeutende Rolle spielten, waren vor der Befreiung vernachlässigt worden. Im Jahre 1879 begann der Staat seine Tätigkeit auf dem Minengebiet durch Eröffnung einer Braunkohlenmine in der Nähe Sofias. Diese Mine wurde bis zum Jahre 1891 ausgebeutet und lieferte im ganzen 105 000 Tonnen, die ausschließlich von der Stadt Sofia und der Staatseisenbahn verbraucht wurden. Noch in demselben Jahre legte der Staat in der Nähe der alten Kohlenmine eine neue an. Außer¬ dem sind dem Staat noch zwei Braunkohlenminen reserviert, von denen die ein¬ träglichere in den vier Jahren 1902 bis 1906 1465 648 Tonnen lieferte. Vom Jahre 1892 bis 1904 bewilligte die Regierung fünfundzwanzig Konzessionen, und zwar für 17 Kohlen-. 4 Kupferminen und 4 für Braunstein. In der letzten Zeit hat sich auf dem Gebiet des Minenwesens eine stärkere Initiative bemerkbar gemacht. Zu einer tatkräftigen Ausbeute der Minen gründete sich im Jahre 1908

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/569>, abgerufen am 19.10.2024.