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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die volkswirtschaftliche Entwicklung Bulgariens

derselben. statistisch ergibt sich die Verteilung der einzelnen Bodenkulturen
wie folgt:

Getreide, Mais, Reis......1 377 615 Hektar
Futterpflanzen........440 859 .,
Weinberge..........110 942 "
Hülsenfrüchte.........32 941 "
Gartenfrüchte.........31 892 "
Al-, Handel- und Jndustriepflanzen .15 891 "
Obst- und Rosengärten.....10 257 "

Nach den Darlegungen des Finanzministers Theodoroff in seiner Budget¬
rede vom November 1911 waren im Jahre 1906 nur 29581 Quadratkilometer
der bebaubaren Fläche des Landes bestellt und 1911 bereits 42178 Quadrat¬
kilometer, was ein starkes Fortschreiten der Bodenkultur bedeutet.

Die gleichen progressiven Ziffern weisen die Statistiker über die Kulturen
der Maulbeerpflanzungen für die Seidenraupenzucht und des Tabakbaues auf.
Bulgarien ist auch die Heimat des von Europa so begehrten Rosenöls, dessen
Produktion im gleichen Verhältnis wie der Luxus zunahm. Der Weinbau ist
besonders in Süd- und Ostbulgarien sehr ausgedehnt, nur müssen bessere
Kulturmethoden zur Veredlung des Weines beitragen und den Rebkrankheiten
energische Matznahmen entgegengesetzt werden.

Wenn man die Besitzungen nach dem Muster der deutschen Betriebsstatistik
einteilt, so findet man, daß der Bauernbetrieb (2 bis 100 Hektar) mit fast
70 Prozent am stärksten vertreten ist, es folgt der Parzellenbetrieb (bis 2 Hektar)
mit fast 30 Prozent und schließlich der Großbetrieb (über 100 Hektar) mit nicht
ganz Prozent.

Die Bauernbetriebe haben seit der Befreiung Bulgariens die Tendenz der
Abnahme und infolge von Verschuldung, von Krisen und verteuerten Lebens¬
bedingungen wachsen die Parzellenbetriebe an. Vor der Befreiung hatten die
Bulgaren nämlich noch den Verdienst aus ihrer Hausindustrie -- wie Spinnerei,
Weberei, Tischlerei und Töpferei --, doch erwies er sich später infolge des Ein¬
dringens ausländischer Fabrikate und infolge der zunehmenden Verwendung von
Maschinen nicht mehr als lohnend. Jetzt bestellen die Frauen das Feld, die
Männer ziehen in Scharen -- jährlich etwa zwölftausend Mann -- nach
Rumänien, Rußland, Serbien und Österreich, verdingen sich dort meist als
Gärtner und kehren bei Beginn des Winters mit vollen Taschen nach Hause
zurück.

Man hält in Bulgarien dieselben Haustiere wie bei uns, besonders stark
sind Schafe und Ziegen vertreten, im ganzen soll es dort 7 Millionen
Schafe geben. Der Viehexport ist unmöglich, da angeblich Veterinäre Maßregeln
die Grenzen von Österreich-Ungarn schließen. Erwähnenswert ist hier auch ein
reger Eierexport nach Westeuropa, weil Bulgarien viel Geflügel aufweist. Auch
Honig und ähnliche Agrarprodukte werden in beschränkten Mengen exportiert.


Die volkswirtschaftliche Entwicklung Bulgariens

derselben. statistisch ergibt sich die Verteilung der einzelnen Bodenkulturen
wie folgt:

Getreide, Mais, Reis......1 377 615 Hektar
Futterpflanzen........440 859 .,
Weinberge..........110 942 „
Hülsenfrüchte.........32 941 „
Gartenfrüchte.........31 892 „
Al-, Handel- und Jndustriepflanzen .15 891 „
Obst- und Rosengärten.....10 257 „

Nach den Darlegungen des Finanzministers Theodoroff in seiner Budget¬
rede vom November 1911 waren im Jahre 1906 nur 29581 Quadratkilometer
der bebaubaren Fläche des Landes bestellt und 1911 bereits 42178 Quadrat¬
kilometer, was ein starkes Fortschreiten der Bodenkultur bedeutet.

Die gleichen progressiven Ziffern weisen die Statistiker über die Kulturen
der Maulbeerpflanzungen für die Seidenraupenzucht und des Tabakbaues auf.
Bulgarien ist auch die Heimat des von Europa so begehrten Rosenöls, dessen
Produktion im gleichen Verhältnis wie der Luxus zunahm. Der Weinbau ist
besonders in Süd- und Ostbulgarien sehr ausgedehnt, nur müssen bessere
Kulturmethoden zur Veredlung des Weines beitragen und den Rebkrankheiten
energische Matznahmen entgegengesetzt werden.

Wenn man die Besitzungen nach dem Muster der deutschen Betriebsstatistik
einteilt, so findet man, daß der Bauernbetrieb (2 bis 100 Hektar) mit fast
70 Prozent am stärksten vertreten ist, es folgt der Parzellenbetrieb (bis 2 Hektar)
mit fast 30 Prozent und schließlich der Großbetrieb (über 100 Hektar) mit nicht
ganz Prozent.

Die Bauernbetriebe haben seit der Befreiung Bulgariens die Tendenz der
Abnahme und infolge von Verschuldung, von Krisen und verteuerten Lebens¬
bedingungen wachsen die Parzellenbetriebe an. Vor der Befreiung hatten die
Bulgaren nämlich noch den Verdienst aus ihrer Hausindustrie — wie Spinnerei,
Weberei, Tischlerei und Töpferei —, doch erwies er sich später infolge des Ein¬
dringens ausländischer Fabrikate und infolge der zunehmenden Verwendung von
Maschinen nicht mehr als lohnend. Jetzt bestellen die Frauen das Feld, die
Männer ziehen in Scharen — jährlich etwa zwölftausend Mann — nach
Rumänien, Rußland, Serbien und Österreich, verdingen sich dort meist als
Gärtner und kehren bei Beginn des Winters mit vollen Taschen nach Hause
zurück.

Man hält in Bulgarien dieselben Haustiere wie bei uns, besonders stark
sind Schafe und Ziegen vertreten, im ganzen soll es dort 7 Millionen
Schafe geben. Der Viehexport ist unmöglich, da angeblich Veterinäre Maßregeln
die Grenzen von Österreich-Ungarn schließen. Erwähnenswert ist hier auch ein
reger Eierexport nach Westeuropa, weil Bulgarien viel Geflügel aufweist. Auch
Honig und ähnliche Agrarprodukte werden in beschränkten Mengen exportiert.


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[0568] Die volkswirtschaftliche Entwicklung Bulgariens derselben. statistisch ergibt sich die Verteilung der einzelnen Bodenkulturen wie folgt: Getreide, Mais, Reis......1 377 615 Hektar Futterpflanzen........440 859 ., Weinberge..........110 942 „ Hülsenfrüchte.........32 941 „ Gartenfrüchte.........31 892 „ Al-, Handel- und Jndustriepflanzen .15 891 „ Obst- und Rosengärten.....10 257 „ Nach den Darlegungen des Finanzministers Theodoroff in seiner Budget¬ rede vom November 1911 waren im Jahre 1906 nur 29581 Quadratkilometer der bebaubaren Fläche des Landes bestellt und 1911 bereits 42178 Quadrat¬ kilometer, was ein starkes Fortschreiten der Bodenkultur bedeutet. Die gleichen progressiven Ziffern weisen die Statistiker über die Kulturen der Maulbeerpflanzungen für die Seidenraupenzucht und des Tabakbaues auf. Bulgarien ist auch die Heimat des von Europa so begehrten Rosenöls, dessen Produktion im gleichen Verhältnis wie der Luxus zunahm. Der Weinbau ist besonders in Süd- und Ostbulgarien sehr ausgedehnt, nur müssen bessere Kulturmethoden zur Veredlung des Weines beitragen und den Rebkrankheiten energische Matznahmen entgegengesetzt werden. Wenn man die Besitzungen nach dem Muster der deutschen Betriebsstatistik einteilt, so findet man, daß der Bauernbetrieb (2 bis 100 Hektar) mit fast 70 Prozent am stärksten vertreten ist, es folgt der Parzellenbetrieb (bis 2 Hektar) mit fast 30 Prozent und schließlich der Großbetrieb (über 100 Hektar) mit nicht ganz Prozent. Die Bauernbetriebe haben seit der Befreiung Bulgariens die Tendenz der Abnahme und infolge von Verschuldung, von Krisen und verteuerten Lebens¬ bedingungen wachsen die Parzellenbetriebe an. Vor der Befreiung hatten die Bulgaren nämlich noch den Verdienst aus ihrer Hausindustrie — wie Spinnerei, Weberei, Tischlerei und Töpferei —, doch erwies er sich später infolge des Ein¬ dringens ausländischer Fabrikate und infolge der zunehmenden Verwendung von Maschinen nicht mehr als lohnend. Jetzt bestellen die Frauen das Feld, die Männer ziehen in Scharen — jährlich etwa zwölftausend Mann — nach Rumänien, Rußland, Serbien und Österreich, verdingen sich dort meist als Gärtner und kehren bei Beginn des Winters mit vollen Taschen nach Hause zurück. Man hält in Bulgarien dieselben Haustiere wie bei uns, besonders stark sind Schafe und Ziegen vertreten, im ganzen soll es dort 7 Millionen Schafe geben. Der Viehexport ist unmöglich, da angeblich Veterinäre Maßregeln die Grenzen von Österreich-Ungarn schließen. Erwähnenswert ist hier auch ein reger Eierexport nach Westeuropa, weil Bulgarien viel Geflügel aufweist. Auch Honig und ähnliche Agrarprodukte werden in beschränkten Mengen exportiert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/568>, abgerufen am 19.10.2024.