Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Nach den Posener Raisertagen europäischen Verwicklung, und auch dann nur nach einer langen und mühsamen So sieht die Lage aus, wenn man den Dingen einigermaßen auf den Nach den Posener Raisertagen europäischen Verwicklung, und auch dann nur nach einer langen und mühsamen So sieht die Lage aus, wenn man den Dingen einigermaßen auf den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326670"/> <fw type="header" place="top"> Nach den Posener Raisertagen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2412" prev="#ID_2411"> europäischen Verwicklung, und auch dann nur nach einer langen und mühsamen<lb/> Vorarbeit. Diese Vorarbeit richtet sich auf die stille und zähe, mit allen<lb/> Mitteln angestrebte Vermehrung, Stärkung, Sammlung und möglichst voll¬<lb/> ständige Absonderung des polnischen Elements in unserer Ostmark. Solange<lb/> diese Arbeit nicht geglückt oder wenigstens bis zu einem bestimmten Punkte<lb/> durchgeführt ist, muß jeder Versuch der Polen, unser Ostmarkengebiet für ihre<lb/> nationalen Hoffnungen mit in Anspruch zu nehmen, aussichtslos bleiben. Diese<lb/> Aussichtslosigkeit ist aber gerade das, was wir herbeiführen wollen. Haben wir<lb/> die Minierarbeit der Polen auf unserem eigenen Grund und Boden soweit durch¬<lb/> kreuzt und gehemmt, so ist die einzige Möglichkeit für einen moan8 vivencli<lb/> gegeben. Darüber hinaus Feinde der Polen zu sein, haben wir gar keinen Grund.<lb/> Also gerade auf diesem Wege des beständigen und unermüdlichen Entgegenarbeitens<lb/> gegen alles, was dem Polentum Vorschub leistet, liegt die einzige, jedenfalls die<lb/> nächste Möglichkeit zum Frieden. Wer in blindem Vertrauen auf die Loyalität<lb/> einzelner Polen diesen Vorpostendienst gegenüber dem Polentum an einer Stelle<lb/> unterbricht und stört, der verlängert den Kampf, erreicht also gerade das<lb/> Gegenteil von dem, was mit der Versöhnlichkeit beabsichtigt wird.,</p><lb/> <p xml:id="ID_2413"> So sieht die Lage aus, wenn man den Dingen einigermaßen auf den<lb/> Grund geht. Deshalb darf auch nicht darauf verzichtet werden, den wahren<lb/> Sachverhalt immer aufs neue in das rechte Licht zu stellen, damit sich ein<lb/> immer weiterer Kreis überzeugt, daß es sich nicht um die Lust an Aufregung<lb/> und Hetzerei handelt, sondern um ernst überlegte Notwendigkeiten. Es ist<lb/> freilich eine alte Erfahrung im Leben, daß Warnungen in der Regel nichts<lb/> helfen; es will eben jeder seine eigenen Erfahrungen machen. So scheint es<lb/> auch den - preußischen Staatsmännern mit wenigen Ausnahmen in der Polen¬<lb/> frage zu gehen. Man meint, jedes Kind müßte nachgerade einsehen, daß das<lb/> allerschlimmste die Schwankungen und Experimente sind, und man dürfte nun<lb/> endlich auf einen festen Kurs rechnen. Und doch erlebt man immer wieder,<lb/> daß die alten Fehler getreulich wiederholt und mit den alten, längst über¬<lb/> wunden geglaubten Gründen verteidigt werden. Das ist wohl geeignet, bitter<lb/> und mutlos zu stimmen, aber vielleicht, wenn wir Schaden genug gehabt<lb/> haben, kommt doch einmal eine Zeit, in der die Einsicht dessen, was not tut,<lb/> allgemein wird. Und im Hinblick darauf soll man auch jetzt trotz entmutigender<lb/> Eindrücke nicht müde werden, den nationalen Standpunkt gegen kurzsichtige und<lb/> verfehlte Versöhnungsideen zu verteidigen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0500]
Nach den Posener Raisertagen
europäischen Verwicklung, und auch dann nur nach einer langen und mühsamen
Vorarbeit. Diese Vorarbeit richtet sich auf die stille und zähe, mit allen
Mitteln angestrebte Vermehrung, Stärkung, Sammlung und möglichst voll¬
ständige Absonderung des polnischen Elements in unserer Ostmark. Solange
diese Arbeit nicht geglückt oder wenigstens bis zu einem bestimmten Punkte
durchgeführt ist, muß jeder Versuch der Polen, unser Ostmarkengebiet für ihre
nationalen Hoffnungen mit in Anspruch zu nehmen, aussichtslos bleiben. Diese
Aussichtslosigkeit ist aber gerade das, was wir herbeiführen wollen. Haben wir
die Minierarbeit der Polen auf unserem eigenen Grund und Boden soweit durch¬
kreuzt und gehemmt, so ist die einzige Möglichkeit für einen moan8 vivencli
gegeben. Darüber hinaus Feinde der Polen zu sein, haben wir gar keinen Grund.
Also gerade auf diesem Wege des beständigen und unermüdlichen Entgegenarbeitens
gegen alles, was dem Polentum Vorschub leistet, liegt die einzige, jedenfalls die
nächste Möglichkeit zum Frieden. Wer in blindem Vertrauen auf die Loyalität
einzelner Polen diesen Vorpostendienst gegenüber dem Polentum an einer Stelle
unterbricht und stört, der verlängert den Kampf, erreicht also gerade das
Gegenteil von dem, was mit der Versöhnlichkeit beabsichtigt wird.,
So sieht die Lage aus, wenn man den Dingen einigermaßen auf den
Grund geht. Deshalb darf auch nicht darauf verzichtet werden, den wahren
Sachverhalt immer aufs neue in das rechte Licht zu stellen, damit sich ein
immer weiterer Kreis überzeugt, daß es sich nicht um die Lust an Aufregung
und Hetzerei handelt, sondern um ernst überlegte Notwendigkeiten. Es ist
freilich eine alte Erfahrung im Leben, daß Warnungen in der Regel nichts
helfen; es will eben jeder seine eigenen Erfahrungen machen. So scheint es
auch den - preußischen Staatsmännern mit wenigen Ausnahmen in der Polen¬
frage zu gehen. Man meint, jedes Kind müßte nachgerade einsehen, daß das
allerschlimmste die Schwankungen und Experimente sind, und man dürfte nun
endlich auf einen festen Kurs rechnen. Und doch erlebt man immer wieder,
daß die alten Fehler getreulich wiederholt und mit den alten, längst über¬
wunden geglaubten Gründen verteidigt werden. Das ist wohl geeignet, bitter
und mutlos zu stimmen, aber vielleicht, wenn wir Schaden genug gehabt
haben, kommt doch einmal eine Zeit, in der die Einsicht dessen, was not tut,
allgemein wird. Und im Hinblick darauf soll man auch jetzt trotz entmutigender
Eindrücke nicht müde werden, den nationalen Standpunkt gegen kurzsichtige und
verfehlte Versöhnungsideen zu verteidigen.
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