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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Nach den posener Raiscrtagon

Politik immer mit sich bringt, verursacht, und deshalb meint man, es müsse
immer wieder der Versuch erneuert werden, geeignete Elemente aus den Reihen
der Polen zu uns herüberzuziehen. So dürfe auch das nationale Programm,
das man ja im Prinzip nicht gut verleugnen könne, in der Praxis nicht allzu
schroff ausgeführt werden, sondern im Hinblick darauf, daß der Zweck jedes
Kampfes am letzten Ende der Friede und die Versöhnung sei. Dementsprechend
scheint man die Hoffnung zu hegen, daß in der polnischen Aristokratie sich
Elemente finden würden, die eine Art von Brücke zwischen Deutschtum und
Polentum bilden könnten, und man war hochbeglückt, daß nach einer Reihe
von vergeblichen Versuchen es endlich gelang, einige polnische Magnaten an des
Kaisers Tafel zu locken.

Die hier skizzierten Ansichten sind ja durchaus nichts Neues; sie waren von
jeher verbreitet, hatten aber bis vor vier Jahren an den maßgebenden Stellen
glücklicherweise keinen Kurswert. Seit dem Rücktritt des Fürsten Bülow und
besonders, seitdem Herr von Schorlemer als Landwirtschaftsminister an die
Stelle des Herrn von Arnim trat, wurde der Kurs der Polenpolitik langsam
aber sicher auf jenen Jdeenkreis eingestellt. Während zuerst noch die vollzogene
Schwenkung entschieden abgeleugnet wurde, sind wir jetzt bereits soweit, daß
aus der neuen Methode kein Hehl mehr gemacht wird, wenn auch fortgesetzt --
und zwar, wie ich fest überzeugt bin, in gutem Glauben -- behauptet wird,
daß diese Methode keine Schwenkung bedeute, sondern im Prinzip an der
früheren Ostmarkenpolitik festhalte. Auch darin sind wir jetzt bereits einen guten
Schritt weiter, daß, wie schon angedeutet wurde, die eingeleiteten Versöhnungs¬
pläne in der geschilderten Weise offen in einem Teil der Presse angepriesen werden.

Gegen solche Auffassungen Front zu machen, ist keine angenehme Aufgabe,
nicht etwa wegen zu fürchtender Angriffe, sondern weil man dabei gegen ein
Mißverständnis zu kämpfen hat, das dem Gegner die Verteidigung sehr leicht
macht. Die Gegnerschaft gegen Versöhnungs- und Vermittlungspolitik und die
Befürwortung einer energischen und entschiedenen Ostmarkenpolilik wird ge¬
wöhnlich in einen Topf geworfen mit den gutgemeinten, aber nicht immer
nützlich wirkenden Äußerungen eines überspannten Gefühlspatriotismus, dessen
Lebenselement beständige Aufregung ist. Ich weiß mich aber von jeder
Exaltiertheit frei und darf vielleicht darauf hinweisen, daß ich in meinem Buch
über die Polenfrage ("Die Polennot im deutschen Osten") als grundlegendes
Bekenntnis über meine Auffassung dieser Frage die Worte geschrieben habe: "Es
gilt, eine Politik festzulegen, auf die sich möglichst viele unserer Volksgenossen
verschiedener Parteistellung und Gemütsanlage vereinigen können. Bei der
milden und gerechten Denkweise des deutschen Volkes wird das immer eine
Politik sein müssen, die nicht schärfere Maßregeln braucht, als zur Erreichung
des Zwecks eben notwendig sind."

Was ist das nun für ein Zweck, der erreicht werden soll? Weiter gar
nichts als die Sicherung unseres Gebietsstandes und unseres Volkstums in
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Nach den posener Raiscrtagon

Politik immer mit sich bringt, verursacht, und deshalb meint man, es müsse
immer wieder der Versuch erneuert werden, geeignete Elemente aus den Reihen
der Polen zu uns herüberzuziehen. So dürfe auch das nationale Programm,
das man ja im Prinzip nicht gut verleugnen könne, in der Praxis nicht allzu
schroff ausgeführt werden, sondern im Hinblick darauf, daß der Zweck jedes
Kampfes am letzten Ende der Friede und die Versöhnung sei. Dementsprechend
scheint man die Hoffnung zu hegen, daß in der polnischen Aristokratie sich
Elemente finden würden, die eine Art von Brücke zwischen Deutschtum und
Polentum bilden könnten, und man war hochbeglückt, daß nach einer Reihe
von vergeblichen Versuchen es endlich gelang, einige polnische Magnaten an des
Kaisers Tafel zu locken.

Die hier skizzierten Ansichten sind ja durchaus nichts Neues; sie waren von
jeher verbreitet, hatten aber bis vor vier Jahren an den maßgebenden Stellen
glücklicherweise keinen Kurswert. Seit dem Rücktritt des Fürsten Bülow und
besonders, seitdem Herr von Schorlemer als Landwirtschaftsminister an die
Stelle des Herrn von Arnim trat, wurde der Kurs der Polenpolitik langsam
aber sicher auf jenen Jdeenkreis eingestellt. Während zuerst noch die vollzogene
Schwenkung entschieden abgeleugnet wurde, sind wir jetzt bereits soweit, daß
aus der neuen Methode kein Hehl mehr gemacht wird, wenn auch fortgesetzt —
und zwar, wie ich fest überzeugt bin, in gutem Glauben — behauptet wird,
daß diese Methode keine Schwenkung bedeute, sondern im Prinzip an der
früheren Ostmarkenpolitik festhalte. Auch darin sind wir jetzt bereits einen guten
Schritt weiter, daß, wie schon angedeutet wurde, die eingeleiteten Versöhnungs¬
pläne in der geschilderten Weise offen in einem Teil der Presse angepriesen werden.

Gegen solche Auffassungen Front zu machen, ist keine angenehme Aufgabe,
nicht etwa wegen zu fürchtender Angriffe, sondern weil man dabei gegen ein
Mißverständnis zu kämpfen hat, das dem Gegner die Verteidigung sehr leicht
macht. Die Gegnerschaft gegen Versöhnungs- und Vermittlungspolitik und die
Befürwortung einer energischen und entschiedenen Ostmarkenpolilik wird ge¬
wöhnlich in einen Topf geworfen mit den gutgemeinten, aber nicht immer
nützlich wirkenden Äußerungen eines überspannten Gefühlspatriotismus, dessen
Lebenselement beständige Aufregung ist. Ich weiß mich aber von jeder
Exaltiertheit frei und darf vielleicht darauf hinweisen, daß ich in meinem Buch
über die Polenfrage („Die Polennot im deutschen Osten") als grundlegendes
Bekenntnis über meine Auffassung dieser Frage die Worte geschrieben habe: „Es
gilt, eine Politik festzulegen, auf die sich möglichst viele unserer Volksgenossen
verschiedener Parteistellung und Gemütsanlage vereinigen können. Bei der
milden und gerechten Denkweise des deutschen Volkes wird das immer eine
Politik sein müssen, die nicht schärfere Maßregeln braucht, als zur Erreichung
des Zwecks eben notwendig sind."

Was ist das nun für ein Zweck, der erreicht werden soll? Weiter gar
nichts als die Sicherung unseres Gebietsstandes und unseres Volkstums in
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[0495] Nach den posener Raiscrtagon Politik immer mit sich bringt, verursacht, und deshalb meint man, es müsse immer wieder der Versuch erneuert werden, geeignete Elemente aus den Reihen der Polen zu uns herüberzuziehen. So dürfe auch das nationale Programm, das man ja im Prinzip nicht gut verleugnen könne, in der Praxis nicht allzu schroff ausgeführt werden, sondern im Hinblick darauf, daß der Zweck jedes Kampfes am letzten Ende der Friede und die Versöhnung sei. Dementsprechend scheint man die Hoffnung zu hegen, daß in der polnischen Aristokratie sich Elemente finden würden, die eine Art von Brücke zwischen Deutschtum und Polentum bilden könnten, und man war hochbeglückt, daß nach einer Reihe von vergeblichen Versuchen es endlich gelang, einige polnische Magnaten an des Kaisers Tafel zu locken. Die hier skizzierten Ansichten sind ja durchaus nichts Neues; sie waren von jeher verbreitet, hatten aber bis vor vier Jahren an den maßgebenden Stellen glücklicherweise keinen Kurswert. Seit dem Rücktritt des Fürsten Bülow und besonders, seitdem Herr von Schorlemer als Landwirtschaftsminister an die Stelle des Herrn von Arnim trat, wurde der Kurs der Polenpolitik langsam aber sicher auf jenen Jdeenkreis eingestellt. Während zuerst noch die vollzogene Schwenkung entschieden abgeleugnet wurde, sind wir jetzt bereits soweit, daß aus der neuen Methode kein Hehl mehr gemacht wird, wenn auch fortgesetzt — und zwar, wie ich fest überzeugt bin, in gutem Glauben — behauptet wird, daß diese Methode keine Schwenkung bedeute, sondern im Prinzip an der früheren Ostmarkenpolitik festhalte. Auch darin sind wir jetzt bereits einen guten Schritt weiter, daß, wie schon angedeutet wurde, die eingeleiteten Versöhnungs¬ pläne in der geschilderten Weise offen in einem Teil der Presse angepriesen werden. Gegen solche Auffassungen Front zu machen, ist keine angenehme Aufgabe, nicht etwa wegen zu fürchtender Angriffe, sondern weil man dabei gegen ein Mißverständnis zu kämpfen hat, das dem Gegner die Verteidigung sehr leicht macht. Die Gegnerschaft gegen Versöhnungs- und Vermittlungspolitik und die Befürwortung einer energischen und entschiedenen Ostmarkenpolilik wird ge¬ wöhnlich in einen Topf geworfen mit den gutgemeinten, aber nicht immer nützlich wirkenden Äußerungen eines überspannten Gefühlspatriotismus, dessen Lebenselement beständige Aufregung ist. Ich weiß mich aber von jeder Exaltiertheit frei und darf vielleicht darauf hinweisen, daß ich in meinem Buch über die Polenfrage („Die Polennot im deutschen Osten") als grundlegendes Bekenntnis über meine Auffassung dieser Frage die Worte geschrieben habe: „Es gilt, eine Politik festzulegen, auf die sich möglichst viele unserer Volksgenossen verschiedener Parteistellung und Gemütsanlage vereinigen können. Bei der milden und gerechten Denkweise des deutschen Volkes wird das immer eine Politik sein müssen, die nicht schärfere Maßregeln braucht, als zur Erreichung des Zwecks eben notwendig sind." Was ist das nun für ein Zweck, der erreicht werden soll? Weiter gar nichts als die Sicherung unseres Gebietsstandes und unseres Volkstums in * 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/495>, abgerufen am 21.10.2024.