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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Das neue Aunsthaus in Stuttgart

Vor allein kam es dem Architekten darauf an, mit dem architektonischen
Schlußgliede, das er der Platzwand einzufügen hatte, zu dem schlicht vornehmen
Schloßbau überzuleiten und ihm doch nicht aufdringlich nahezurücken. Diese
Aufgabe ist aufs glücklichste gelöst durch eine gewölbte Halle mit schlanken
Säulen, über die sich weite Bogen hinschwingen. Dadurch ist freier Luftraum
gewonnen und dem Ganzen des Platzes ein köstlich gestalteter Gehraum an¬
gegliedert. Das breitflächige Dach des Vorbaues hält sich dem Schloß gegen¬
über in angemessenen Höhenabstand, und erst hinter der ruhigen Kalksteinwand
der Halle beginnt die Baumasse sich zu entwickeln. Doppelt erfreulich wirkt die
feine Schlichtheit dieses Vorraumes neben dem protzigen, hochherrschaftlichen
Etagenhausbarock des Olgabaues, und sehr anziehend öffnen sich die zierlichen
Wölbungsbogen dem Blick, wenn man etwa von der anderen Seite des Platzes
her, am Ehrenhof der Residenz entlang, auf das Kunsthaus zukommt.

Daß aber das Gebäude sich doch in kräftigem Ebenmaß in seiner Um¬
gebung behaupten kann, dafür sorgt die äußere Gestaltung des Hauptraumes.
Er ist nach dem Schloßgarten hin zurückgeschoben, die hallenartigen Vorraume,
die zu ihm hinführen, schließen sich um einen kleinen Brunnenhof von einfachen,
klarabgewogenen Formen, und dahinter wölbt sich dann ein Kuppeldach, dem
eine aus schräg eingebauten Fenstern und strahlenartig angeordneten Zwischen¬
wänden gefügte Laterne aufgesetzt ist. Ihre flache Kupferhaube bekrönt ein ver¬
goldeter Hirsch, dem L. Habichs Hand Leichtigkeit und Lebendigkeit gegeben hat.
Der von einer Galerie umzogene Aufsatz der Kuppel bringt die Gesamt¬
erscheinung des Baues nach der Ferne wohl zur Geltung, in der Nähe wirken
die kahlen Wandfelder der einzelnen Lichteinfallszellen befremdend nüchtern; sie
haben ihre Gestaltung nur von dem nackten Zweckbedürfnis empfangen. Was
aber diese reiz- und schmucklose Schale aus Glas und Belon von außen um¬
kleidet, ist ein Innenraum von seltener Sicherheit und Leichtigkeit des Wurfes,
von eigenwüchsiger Ursprünglichkeit der Anlage und von gewinnender Harmonie
der Durchführung. Mehrerlei Rücksichten, die beim Entwurf des Raumes zu
nehmen waren, haben die Eigenart der Lösung mitbestimmt. Der Saal sollte
große festliche Veranstaltungen aufnehmen können und doch zugleich für Aus¬
stellungen verwendbar sein. So legte ihn Theodor Fischer im Zwölfeck an und
führte aus einer horizontalen Umrandung die Decke nach Art eines Zeltdaches
zu der Laterne hinauf, durch deren hohe, schmale Fenster das Licht in aller
Fülle und in günstiger Verteilung dem Saal und seinen weiten Wandflächen
zugeleitet wird. Die Felder der Jnnenwand der Kuppel haben durch die Stuck¬
reliefs von Nidda-Rümelin einen anmutig belebten, überaus reizvollen Schmuck
empfangen.

Dem mächtigen Hauptraume gliedern sich nach der Gartenseite die Aus-
stellungssäle an. Ihre Anlage nimmt vor allem wiederum auf das Bedürfnis
nach vorteilhafter Beleuchtung sorgsam Bedacht. Zugleich aber stellen sie in
ihrer Ausstattung eine Flucht von Räumen dar, die an sich schon harmonisch


Das neue Aunsthaus in Stuttgart

Vor allein kam es dem Architekten darauf an, mit dem architektonischen
Schlußgliede, das er der Platzwand einzufügen hatte, zu dem schlicht vornehmen
Schloßbau überzuleiten und ihm doch nicht aufdringlich nahezurücken. Diese
Aufgabe ist aufs glücklichste gelöst durch eine gewölbte Halle mit schlanken
Säulen, über die sich weite Bogen hinschwingen. Dadurch ist freier Luftraum
gewonnen und dem Ganzen des Platzes ein köstlich gestalteter Gehraum an¬
gegliedert. Das breitflächige Dach des Vorbaues hält sich dem Schloß gegen¬
über in angemessenen Höhenabstand, und erst hinter der ruhigen Kalksteinwand
der Halle beginnt die Baumasse sich zu entwickeln. Doppelt erfreulich wirkt die
feine Schlichtheit dieses Vorraumes neben dem protzigen, hochherrschaftlichen
Etagenhausbarock des Olgabaues, und sehr anziehend öffnen sich die zierlichen
Wölbungsbogen dem Blick, wenn man etwa von der anderen Seite des Platzes
her, am Ehrenhof der Residenz entlang, auf das Kunsthaus zukommt.

Daß aber das Gebäude sich doch in kräftigem Ebenmaß in seiner Um¬
gebung behaupten kann, dafür sorgt die äußere Gestaltung des Hauptraumes.
Er ist nach dem Schloßgarten hin zurückgeschoben, die hallenartigen Vorraume,
die zu ihm hinführen, schließen sich um einen kleinen Brunnenhof von einfachen,
klarabgewogenen Formen, und dahinter wölbt sich dann ein Kuppeldach, dem
eine aus schräg eingebauten Fenstern und strahlenartig angeordneten Zwischen¬
wänden gefügte Laterne aufgesetzt ist. Ihre flache Kupferhaube bekrönt ein ver¬
goldeter Hirsch, dem L. Habichs Hand Leichtigkeit und Lebendigkeit gegeben hat.
Der von einer Galerie umzogene Aufsatz der Kuppel bringt die Gesamt¬
erscheinung des Baues nach der Ferne wohl zur Geltung, in der Nähe wirken
die kahlen Wandfelder der einzelnen Lichteinfallszellen befremdend nüchtern; sie
haben ihre Gestaltung nur von dem nackten Zweckbedürfnis empfangen. Was
aber diese reiz- und schmucklose Schale aus Glas und Belon von außen um¬
kleidet, ist ein Innenraum von seltener Sicherheit und Leichtigkeit des Wurfes,
von eigenwüchsiger Ursprünglichkeit der Anlage und von gewinnender Harmonie
der Durchführung. Mehrerlei Rücksichten, die beim Entwurf des Raumes zu
nehmen waren, haben die Eigenart der Lösung mitbestimmt. Der Saal sollte
große festliche Veranstaltungen aufnehmen können und doch zugleich für Aus¬
stellungen verwendbar sein. So legte ihn Theodor Fischer im Zwölfeck an und
führte aus einer horizontalen Umrandung die Decke nach Art eines Zeltdaches
zu der Laterne hinauf, durch deren hohe, schmale Fenster das Licht in aller
Fülle und in günstiger Verteilung dem Saal und seinen weiten Wandflächen
zugeleitet wird. Die Felder der Jnnenwand der Kuppel haben durch die Stuck¬
reliefs von Nidda-Rümelin einen anmutig belebten, überaus reizvollen Schmuck
empfangen.

Dem mächtigen Hauptraume gliedern sich nach der Gartenseite die Aus-
stellungssäle an. Ihre Anlage nimmt vor allem wiederum auf das Bedürfnis
nach vorteilhafter Beleuchtung sorgsam Bedacht. Zugleich aber stellen sie in
ihrer Ausstattung eine Flucht von Räumen dar, die an sich schon harmonisch


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[0485] Das neue Aunsthaus in Stuttgart Vor allein kam es dem Architekten darauf an, mit dem architektonischen Schlußgliede, das er der Platzwand einzufügen hatte, zu dem schlicht vornehmen Schloßbau überzuleiten und ihm doch nicht aufdringlich nahezurücken. Diese Aufgabe ist aufs glücklichste gelöst durch eine gewölbte Halle mit schlanken Säulen, über die sich weite Bogen hinschwingen. Dadurch ist freier Luftraum gewonnen und dem Ganzen des Platzes ein köstlich gestalteter Gehraum an¬ gegliedert. Das breitflächige Dach des Vorbaues hält sich dem Schloß gegen¬ über in angemessenen Höhenabstand, und erst hinter der ruhigen Kalksteinwand der Halle beginnt die Baumasse sich zu entwickeln. Doppelt erfreulich wirkt die feine Schlichtheit dieses Vorraumes neben dem protzigen, hochherrschaftlichen Etagenhausbarock des Olgabaues, und sehr anziehend öffnen sich die zierlichen Wölbungsbogen dem Blick, wenn man etwa von der anderen Seite des Platzes her, am Ehrenhof der Residenz entlang, auf das Kunsthaus zukommt. Daß aber das Gebäude sich doch in kräftigem Ebenmaß in seiner Um¬ gebung behaupten kann, dafür sorgt die äußere Gestaltung des Hauptraumes. Er ist nach dem Schloßgarten hin zurückgeschoben, die hallenartigen Vorraume, die zu ihm hinführen, schließen sich um einen kleinen Brunnenhof von einfachen, klarabgewogenen Formen, und dahinter wölbt sich dann ein Kuppeldach, dem eine aus schräg eingebauten Fenstern und strahlenartig angeordneten Zwischen¬ wänden gefügte Laterne aufgesetzt ist. Ihre flache Kupferhaube bekrönt ein ver¬ goldeter Hirsch, dem L. Habichs Hand Leichtigkeit und Lebendigkeit gegeben hat. Der von einer Galerie umzogene Aufsatz der Kuppel bringt die Gesamt¬ erscheinung des Baues nach der Ferne wohl zur Geltung, in der Nähe wirken die kahlen Wandfelder der einzelnen Lichteinfallszellen befremdend nüchtern; sie haben ihre Gestaltung nur von dem nackten Zweckbedürfnis empfangen. Was aber diese reiz- und schmucklose Schale aus Glas und Belon von außen um¬ kleidet, ist ein Innenraum von seltener Sicherheit und Leichtigkeit des Wurfes, von eigenwüchsiger Ursprünglichkeit der Anlage und von gewinnender Harmonie der Durchführung. Mehrerlei Rücksichten, die beim Entwurf des Raumes zu nehmen waren, haben die Eigenart der Lösung mitbestimmt. Der Saal sollte große festliche Veranstaltungen aufnehmen können und doch zugleich für Aus¬ stellungen verwendbar sein. So legte ihn Theodor Fischer im Zwölfeck an und führte aus einer horizontalen Umrandung die Decke nach Art eines Zeltdaches zu der Laterne hinauf, durch deren hohe, schmale Fenster das Licht in aller Fülle und in günstiger Verteilung dem Saal und seinen weiten Wandflächen zugeleitet wird. Die Felder der Jnnenwand der Kuppel haben durch die Stuck¬ reliefs von Nidda-Rümelin einen anmutig belebten, überaus reizvollen Schmuck empfangen. Dem mächtigen Hauptraume gliedern sich nach der Gartenseite die Aus- stellungssäle an. Ihre Anlage nimmt vor allem wiederum auf das Bedürfnis nach vorteilhafter Beleuchtung sorgsam Bedacht. Zugleich aber stellen sie in ihrer Ausstattung eine Flucht von Räumen dar, die an sich schon harmonisch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/485>, abgerufen am 19.10.2024.