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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Freie Advokatur und numerus clausus

eintragen, wenn er in dem Bezirk zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden soll.
Es entscheidet dann über den Anspruch auf Zulassung die Reihenfolge der
Meldungen oder das Dienstalter oder die Prüfungsnote, in zweifelhaften Fällen
der Vorstand der Anwaltskammer, gegen dessen Spruch Beschwerde beim Ober-
landesgerichte zulässig ist.

Diese wesentliche Grundlage des numerug c!an8U8 - Prinzips zeigt mehr
oder weniger erhebliche Schattierungen in den verschiedenen Vorschlägen. So
wollen manche die Höchstzahl nicht von der Justizverwaltung, sondern vom Vor¬
stande der Anwaltskammer unter Zuziehung industrieller und gewerblicher Kreise
festgesetzt wissen, und zwar jedes Jahr von neuem, nicht auf fünf oder acht
Jahre, wie andere vorschlagen. Einige Gutachter möchten die Höchstzahl nur
für den Landgerichtsbezirk bestimmt sehen. Endlich sollen, wie ein Rechtsanwalt
vorschlägt, die Gerichtsassessoren nach bestandenen Staatsexamen erst einen zwei¬
jährigen Vorbereitungsdienst bei der Anwaltschaft durchmachen, ehe sie ihre Zu¬
lassung beantragen dürfen.

Einen eigenartigen und in mancher Hinsicht interessanten Vorschlag macht
ein Richter: die Anwaltskammern überwachen ständig die Zahl der in ihrem
Bezirke zugelassenen Anwälte; ist nach dem Berichte der Anwaltskammern die
Zahl übermäßig groß, so eröffnet die Justizverwaltung jedem, der seine Zu¬
lassung beantragt, daß seine Tätigkeit als Anwalt in dem gewählten Bezirke
den Interessen des Anwaltsstandes und der Rechtspflege widerspreche. Läßt er
sich ungeachtet dieser Abmahnung dennoch an demi Orte nieder , so soll ihm die
Verleihung des Notariats und des Titels als Justizrat auf Berufs- und Lebens¬
zeit versagt bleiben. An diesem Vorschlage ist einmal bemerkenswert, daß er
ohne Gesetzesänderung, durch den Erlaß ganz geringfügiger Verwaltungsvor¬
schriften durchführbar wäre, ferner aber, daß er sich an das Ehr- und Takt¬
gefühl der Anwaltskandidaten selbst wendet und einen Anwalt, der dieses Ehr-
und Taktgefühl nicht besitzt, mit einer gewissen capitiZ äeminutio straft.

Man mag gegen die Vorschläge im einzelnen einwenden soviel man will:
das eine scheint sicher, daß die Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltstandes
keine Gefahr läuft, durch ihre Verwirklichung beeinträchtigt zu werden. Die
Festsetzung der Höchstzahl an sich kann nicht geeignet sein, diese Befürchtungen
wachzurufen. Denn selbst wenn die Justizverwaltung in der Festsetzung der
Höchstzahl völlig unbeschränkt wäre, so wäre es ihr doch unmöglich, dadurch
ihr unliebsame Elemente von der Rechtsanwaltschaft fernzuhalten, da sie ja bis
zur Erreichung der Zahl jeden zulassen müßte, der nach der Reihenfolge der
Meldungen oder nach dem Dienstalter an der Reihe ist. Gerade das wird ja
den Vorschlägen von mancher Seite zum Vorwurfe gemacht, daß sie bis zur
Erreichung der Höchstzahl ein mechanisches Auswahlprinzip befürworten, sei es
nun der Zufall der früheren Meldung oder das höhere Dienstalter. Nach der
Erreichung der Höchstzahl aber müßte die Justizverwaltung wieder rein mechanisch
alle ohne Ausnahme zurückweisen. Immerhin dürfte, um auch jeden Schein


Freie Advokatur und numerus clausus

eintragen, wenn er in dem Bezirk zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden soll.
Es entscheidet dann über den Anspruch auf Zulassung die Reihenfolge der
Meldungen oder das Dienstalter oder die Prüfungsnote, in zweifelhaften Fällen
der Vorstand der Anwaltskammer, gegen dessen Spruch Beschwerde beim Ober-
landesgerichte zulässig ist.

Diese wesentliche Grundlage des numerug c!an8U8 - Prinzips zeigt mehr
oder weniger erhebliche Schattierungen in den verschiedenen Vorschlägen. So
wollen manche die Höchstzahl nicht von der Justizverwaltung, sondern vom Vor¬
stande der Anwaltskammer unter Zuziehung industrieller und gewerblicher Kreise
festgesetzt wissen, und zwar jedes Jahr von neuem, nicht auf fünf oder acht
Jahre, wie andere vorschlagen. Einige Gutachter möchten die Höchstzahl nur
für den Landgerichtsbezirk bestimmt sehen. Endlich sollen, wie ein Rechtsanwalt
vorschlägt, die Gerichtsassessoren nach bestandenen Staatsexamen erst einen zwei¬
jährigen Vorbereitungsdienst bei der Anwaltschaft durchmachen, ehe sie ihre Zu¬
lassung beantragen dürfen.

Einen eigenartigen und in mancher Hinsicht interessanten Vorschlag macht
ein Richter: die Anwaltskammern überwachen ständig die Zahl der in ihrem
Bezirke zugelassenen Anwälte; ist nach dem Berichte der Anwaltskammern die
Zahl übermäßig groß, so eröffnet die Justizverwaltung jedem, der seine Zu¬
lassung beantragt, daß seine Tätigkeit als Anwalt in dem gewählten Bezirke
den Interessen des Anwaltsstandes und der Rechtspflege widerspreche. Läßt er
sich ungeachtet dieser Abmahnung dennoch an demi Orte nieder , so soll ihm die
Verleihung des Notariats und des Titels als Justizrat auf Berufs- und Lebens¬
zeit versagt bleiben. An diesem Vorschlage ist einmal bemerkenswert, daß er
ohne Gesetzesänderung, durch den Erlaß ganz geringfügiger Verwaltungsvor¬
schriften durchführbar wäre, ferner aber, daß er sich an das Ehr- und Takt¬
gefühl der Anwaltskandidaten selbst wendet und einen Anwalt, der dieses Ehr-
und Taktgefühl nicht besitzt, mit einer gewissen capitiZ äeminutio straft.

Man mag gegen die Vorschläge im einzelnen einwenden soviel man will:
das eine scheint sicher, daß die Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltstandes
keine Gefahr läuft, durch ihre Verwirklichung beeinträchtigt zu werden. Die
Festsetzung der Höchstzahl an sich kann nicht geeignet sein, diese Befürchtungen
wachzurufen. Denn selbst wenn die Justizverwaltung in der Festsetzung der
Höchstzahl völlig unbeschränkt wäre, so wäre es ihr doch unmöglich, dadurch
ihr unliebsame Elemente von der Rechtsanwaltschaft fernzuhalten, da sie ja bis
zur Erreichung der Zahl jeden zulassen müßte, der nach der Reihenfolge der
Meldungen oder nach dem Dienstalter an der Reihe ist. Gerade das wird ja
den Vorschlägen von mancher Seite zum Vorwurfe gemacht, daß sie bis zur
Erreichung der Höchstzahl ein mechanisches Auswahlprinzip befürworten, sei es
nun der Zufall der früheren Meldung oder das höhere Dienstalter. Nach der
Erreichung der Höchstzahl aber müßte die Justizverwaltung wieder rein mechanisch
alle ohne Ausnahme zurückweisen. Immerhin dürfte, um auch jeden Schein


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[0454] Freie Advokatur und numerus clausus eintragen, wenn er in dem Bezirk zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden soll. Es entscheidet dann über den Anspruch auf Zulassung die Reihenfolge der Meldungen oder das Dienstalter oder die Prüfungsnote, in zweifelhaften Fällen der Vorstand der Anwaltskammer, gegen dessen Spruch Beschwerde beim Ober- landesgerichte zulässig ist. Diese wesentliche Grundlage des numerug c!an8U8 - Prinzips zeigt mehr oder weniger erhebliche Schattierungen in den verschiedenen Vorschlägen. So wollen manche die Höchstzahl nicht von der Justizverwaltung, sondern vom Vor¬ stande der Anwaltskammer unter Zuziehung industrieller und gewerblicher Kreise festgesetzt wissen, und zwar jedes Jahr von neuem, nicht auf fünf oder acht Jahre, wie andere vorschlagen. Einige Gutachter möchten die Höchstzahl nur für den Landgerichtsbezirk bestimmt sehen. Endlich sollen, wie ein Rechtsanwalt vorschlägt, die Gerichtsassessoren nach bestandenen Staatsexamen erst einen zwei¬ jährigen Vorbereitungsdienst bei der Anwaltschaft durchmachen, ehe sie ihre Zu¬ lassung beantragen dürfen. Einen eigenartigen und in mancher Hinsicht interessanten Vorschlag macht ein Richter: die Anwaltskammern überwachen ständig die Zahl der in ihrem Bezirke zugelassenen Anwälte; ist nach dem Berichte der Anwaltskammern die Zahl übermäßig groß, so eröffnet die Justizverwaltung jedem, der seine Zu¬ lassung beantragt, daß seine Tätigkeit als Anwalt in dem gewählten Bezirke den Interessen des Anwaltsstandes und der Rechtspflege widerspreche. Läßt er sich ungeachtet dieser Abmahnung dennoch an demi Orte nieder , so soll ihm die Verleihung des Notariats und des Titels als Justizrat auf Berufs- und Lebens¬ zeit versagt bleiben. An diesem Vorschlage ist einmal bemerkenswert, daß er ohne Gesetzesänderung, durch den Erlaß ganz geringfügiger Verwaltungsvor¬ schriften durchführbar wäre, ferner aber, daß er sich an das Ehr- und Takt¬ gefühl der Anwaltskandidaten selbst wendet und einen Anwalt, der dieses Ehr- und Taktgefühl nicht besitzt, mit einer gewissen capitiZ äeminutio straft. Man mag gegen die Vorschläge im einzelnen einwenden soviel man will: das eine scheint sicher, daß die Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltstandes keine Gefahr läuft, durch ihre Verwirklichung beeinträchtigt zu werden. Die Festsetzung der Höchstzahl an sich kann nicht geeignet sein, diese Befürchtungen wachzurufen. Denn selbst wenn die Justizverwaltung in der Festsetzung der Höchstzahl völlig unbeschränkt wäre, so wäre es ihr doch unmöglich, dadurch ihr unliebsame Elemente von der Rechtsanwaltschaft fernzuhalten, da sie ja bis zur Erreichung der Zahl jeden zulassen müßte, der nach der Reihenfolge der Meldungen oder nach dem Dienstalter an der Reihe ist. Gerade das wird ja den Vorschlägen von mancher Seite zum Vorwurfe gemacht, daß sie bis zur Erreichung der Höchstzahl ein mechanisches Auswahlprinzip befürworten, sei es nun der Zufall der früheren Meldung oder das höhere Dienstalter. Nach der Erreichung der Höchstzahl aber müßte die Justizverwaltung wieder rein mechanisch alle ohne Ausnahme zurückweisen. Immerhin dürfte, um auch jeden Schein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/454>, abgerufen am 20.10.2024.