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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die Festspiele des deutschen Schillerbundes in Weimar
v Traugott Friedemann on in

M)
Mor etwa fünf Jahren hatte Adolf Bartels den kühnen Gedanken,
eine Nationalbühne für die deutsche Jugend zu schaffen. Sein
Plan wurde anfangs mit Hohnlächeln aufgenommen, denn "jedes
edle Werk ist zuerst unmöglich". Aber Adolf Bartels ließ nicht
nach; in zäher Arbeit unermüdlichen Werdens brachte er trotz
Achselzuckens und erbitterter Gegnerschaft in der ihm feindlichen Presse in kurzer
Zeit einen Bund zustande, der sich über ganz Deutschland verbreitete und bald
die Unterstützung der Besten unseres Volkes fand. Ernst von Wildenbruch war
einer der ersten. Mit der ganzen Kraft seiner begeisternden Persönlichkeit legte
er sich für Bartels Plan ins Zeug. Die Jugend, namentlich der kleineren
Städte, zum Genuß der besten dramatischen Werke unserer Dichter zu erziehen,
ihnen einen bleibenden Eindruck aus einem tiefen nationalen Erlebnis zu geben,
war der Zweck des Bundes. Kein Name schien hierfür geeigneter als der
Schillers, dessen Werke in ihrer packenden dramatischen Wucht auf die Jugend
noch stets den fortreißenden Eindruck ausüben, der sie schon bei ihrem ersten
Erscheinen empfing. Kein Ort passender als Weimar, im Herzen Deutschlands
gelegen, die geweihte Stätte klassischer deutscher Kunst.

Es war eine Tat der Begeisterung, und nur von Begeisterten konnte sie
zuerst verstanden werden. Jetzt sind Jahre vergangen, und längst ist Ereignis,
reale Wirklichkeit geworden, was Utopie, Jdealistenwahn schien. Zwar hat ein
Teil der deutschen Presse, auf den Bartels Name begreiflicherweise wie das rote
Tuch wirkt, das beste Werk seines Gegners totgeschwiegen, in der breiten Öffent¬
lichkeit ist der Schillerbund kaum genannt worden; aber es hat nichts genützt.
Die stille Arbeit der wenigen, die mit ganzer Überzeugung für den Schillerbund
eintraten, hat glänzend gesiegt: die Weimarer Festspiele sind zur stehenden Ein¬
richtung geworden, sie sind in den Jahren .1909, 1911 und 1913 erprobt.

In den letzten beiden Spieljahren habe ich Schüler unseres Realgymnasiums
nach Weimar begleitet und möchte meine Erfahrungen einem größeren Leserkreis
mitteilen.

Ganz besonders angenehm fiel von vornherein auf, daß jede künstliche Auf¬
peitschung des Gefühls zu ungegorener Begeisterung vermieden war. Die Zahl




Die Festspiele des deutschen Schillerbundes in Weimar
v Traugott Friedemann on in

M)
Mor etwa fünf Jahren hatte Adolf Bartels den kühnen Gedanken,
eine Nationalbühne für die deutsche Jugend zu schaffen. Sein
Plan wurde anfangs mit Hohnlächeln aufgenommen, denn „jedes
edle Werk ist zuerst unmöglich". Aber Adolf Bartels ließ nicht
nach; in zäher Arbeit unermüdlichen Werdens brachte er trotz
Achselzuckens und erbitterter Gegnerschaft in der ihm feindlichen Presse in kurzer
Zeit einen Bund zustande, der sich über ganz Deutschland verbreitete und bald
die Unterstützung der Besten unseres Volkes fand. Ernst von Wildenbruch war
einer der ersten. Mit der ganzen Kraft seiner begeisternden Persönlichkeit legte
er sich für Bartels Plan ins Zeug. Die Jugend, namentlich der kleineren
Städte, zum Genuß der besten dramatischen Werke unserer Dichter zu erziehen,
ihnen einen bleibenden Eindruck aus einem tiefen nationalen Erlebnis zu geben,
war der Zweck des Bundes. Kein Name schien hierfür geeigneter als der
Schillers, dessen Werke in ihrer packenden dramatischen Wucht auf die Jugend
noch stets den fortreißenden Eindruck ausüben, der sie schon bei ihrem ersten
Erscheinen empfing. Kein Ort passender als Weimar, im Herzen Deutschlands
gelegen, die geweihte Stätte klassischer deutscher Kunst.

Es war eine Tat der Begeisterung, und nur von Begeisterten konnte sie
zuerst verstanden werden. Jetzt sind Jahre vergangen, und längst ist Ereignis,
reale Wirklichkeit geworden, was Utopie, Jdealistenwahn schien. Zwar hat ein
Teil der deutschen Presse, auf den Bartels Name begreiflicherweise wie das rote
Tuch wirkt, das beste Werk seines Gegners totgeschwiegen, in der breiten Öffent¬
lichkeit ist der Schillerbund kaum genannt worden; aber es hat nichts genützt.
Die stille Arbeit der wenigen, die mit ganzer Überzeugung für den Schillerbund
eintraten, hat glänzend gesiegt: die Weimarer Festspiele sind zur stehenden Ein¬
richtung geworden, sie sind in den Jahren .1909, 1911 und 1913 erprobt.

In den letzten beiden Spieljahren habe ich Schüler unseres Realgymnasiums
nach Weimar begleitet und möchte meine Erfahrungen einem größeren Leserkreis
mitteilen.

Ganz besonders angenehm fiel von vornherein auf, daß jede künstliche Auf¬
peitschung des Gefühls zu ungegorener Begeisterung vermieden war. Die Zahl


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[0437] [Abbildung] Die Festspiele des deutschen Schillerbundes in Weimar v Traugott Friedemann on in M) Mor etwa fünf Jahren hatte Adolf Bartels den kühnen Gedanken, eine Nationalbühne für die deutsche Jugend zu schaffen. Sein Plan wurde anfangs mit Hohnlächeln aufgenommen, denn „jedes edle Werk ist zuerst unmöglich". Aber Adolf Bartels ließ nicht nach; in zäher Arbeit unermüdlichen Werdens brachte er trotz Achselzuckens und erbitterter Gegnerschaft in der ihm feindlichen Presse in kurzer Zeit einen Bund zustande, der sich über ganz Deutschland verbreitete und bald die Unterstützung der Besten unseres Volkes fand. Ernst von Wildenbruch war einer der ersten. Mit der ganzen Kraft seiner begeisternden Persönlichkeit legte er sich für Bartels Plan ins Zeug. Die Jugend, namentlich der kleineren Städte, zum Genuß der besten dramatischen Werke unserer Dichter zu erziehen, ihnen einen bleibenden Eindruck aus einem tiefen nationalen Erlebnis zu geben, war der Zweck des Bundes. Kein Name schien hierfür geeigneter als der Schillers, dessen Werke in ihrer packenden dramatischen Wucht auf die Jugend noch stets den fortreißenden Eindruck ausüben, der sie schon bei ihrem ersten Erscheinen empfing. Kein Ort passender als Weimar, im Herzen Deutschlands gelegen, die geweihte Stätte klassischer deutscher Kunst. Es war eine Tat der Begeisterung, und nur von Begeisterten konnte sie zuerst verstanden werden. Jetzt sind Jahre vergangen, und längst ist Ereignis, reale Wirklichkeit geworden, was Utopie, Jdealistenwahn schien. Zwar hat ein Teil der deutschen Presse, auf den Bartels Name begreiflicherweise wie das rote Tuch wirkt, das beste Werk seines Gegners totgeschwiegen, in der breiten Öffent¬ lichkeit ist der Schillerbund kaum genannt worden; aber es hat nichts genützt. Die stille Arbeit der wenigen, die mit ganzer Überzeugung für den Schillerbund eintraten, hat glänzend gesiegt: die Weimarer Festspiele sind zur stehenden Ein¬ richtung geworden, sie sind in den Jahren .1909, 1911 und 1913 erprobt. In den letzten beiden Spieljahren habe ich Schüler unseres Realgymnasiums nach Weimar begleitet und möchte meine Erfahrungen einem größeren Leserkreis mitteilen. Ganz besonders angenehm fiel von vornherein auf, daß jede künstliche Auf¬ peitschung des Gefühls zu ungegorener Begeisterung vermieden war. Die Zahl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/437>, abgerufen am 29.12.2024.