Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Das Blättchen Wegebreit Sie trat am Stock hinaus, hat sich mühsam gebückt, Vom Rain am Rasen ein Blättchen dir gepflückt. Sie nahm es und preßt es von der Spitze bis zum Schafte, Und prüfte auf dem Daumen ein Tröpfchen vom Safte. ,Ein Blättchen Wegebreit macht alles gut. Den Saft auf seine Wunden, das stillt das Blut. Nur weg mit Band und Binden und allem Plunder, Das Heiltrank macht genesen, und Gottes Wunder/" Jan Leuthold aufrecht in seinem Bette saß, Zwei Blättchen in den Händen, gebunden mit Gras. Er sah im Fieber wilde Gestalten ziehen) Vor seinen Blicken tanzt ein Kranz von Marien. Er schaut um sich. Sie schlafen. Er löst den Verband. Das Blut aus Stirn und Brust rinnt über die Hand. Er legt sich zurück und legt das Kraut auf die Wunden. Das Blut gestillt, so haben sie ihn gefunden. Rot, rot und weiß, todweiß und blutgefleckt. Wie von Marien ein Kranz um die Stirn gesteckt.. Die Schwester steht und lockert das Band an der Haube. Und atmet heiß und liest. -- "Einer Mutter Glaube!" Sie wendet den Brief und schreibt für die Mutter ein Wort. Man trägt den Toten mit hundert anderen fort. "Der Eure ist von den Tapfersten einer gewesen, Ihr habt ihm das Blut gestillt, er ist genesen." Das Blättchen Wegebreit Sie trat am Stock hinaus, hat sich mühsam gebückt, Vom Rain am Rasen ein Blättchen dir gepflückt. Sie nahm es und preßt es von der Spitze bis zum Schafte, Und prüfte auf dem Daumen ein Tröpfchen vom Safte. ,Ein Blättchen Wegebreit macht alles gut. Den Saft auf seine Wunden, das stillt das Blut. Nur weg mit Band und Binden und allem Plunder, Das Heiltrank macht genesen, und Gottes Wunder/" Jan Leuthold aufrecht in seinem Bette saß, Zwei Blättchen in den Händen, gebunden mit Gras. Er sah im Fieber wilde Gestalten ziehen) Vor seinen Blicken tanzt ein Kranz von Marien. Er schaut um sich. Sie schlafen. Er löst den Verband. Das Blut aus Stirn und Brust rinnt über die Hand. Er legt sich zurück und legt das Kraut auf die Wunden. Das Blut gestillt, so haben sie ihn gefunden. Rot, rot und weiß, todweiß und blutgefleckt. Wie von Marien ein Kranz um die Stirn gesteckt.. Die Schwester steht und lockert das Band an der Haube. Und atmet heiß und liest. — „Einer Mutter Glaube!" Sie wendet den Brief und schreibt für die Mutter ein Wort. Man trägt den Toten mit hundert anderen fort. „Der Eure ist von den Tapfersten einer gewesen, Ihr habt ihm das Blut gestillt, er ist genesen." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326592"/> <fw type="header" place="top"> Das Blättchen Wegebreit</fw><lb/> <lg xml:id="POEMID_28" type="poem"> <l> Sie trat am Stock hinaus, hat sich mühsam gebückt,<lb/> Vom Rain am Rasen ein Blättchen dir gepflückt.<lb/> Sie nahm es und preßt es von der Spitze bis zum Schafte,<lb/> Und prüfte auf dem Daumen ein Tröpfchen vom Safte.</l> <l> ,Ein Blättchen Wegebreit macht alles gut.<lb/> Den Saft auf seine Wunden, das stillt das Blut.<lb/> Nur weg mit Band und Binden und allem Plunder,<lb/> Das Heiltrank macht genesen, und Gottes Wunder/"</l> <l> Jan Leuthold aufrecht in seinem Bette saß,<lb/> Zwei Blättchen in den Händen, gebunden mit Gras.<lb/> Er sah im Fieber wilde Gestalten ziehen)<lb/> Vor seinen Blicken tanzt ein Kranz von Marien.</l> <l> Er schaut um sich. Sie schlafen. Er löst den Verband.<lb/> Das Blut aus Stirn und Brust rinnt über die Hand.<lb/> Er legt sich zurück und legt das Kraut auf die Wunden.<lb/> Das Blut gestillt, so haben sie ihn gefunden.</l> <l> Rot, rot und weiß, todweiß und blutgefleckt.<lb/> Wie von Marien ein Kranz um die Stirn gesteckt..<lb/> Die Schwester steht und lockert das Band an der Haube.<lb/> Und atmet heiß und liest. — „Einer Mutter Glaube!"</l> <l> Sie wendet den Brief und schreibt für die Mutter ein Wort.<lb/> Man trägt den Toten mit hundert anderen fort.<lb/> „Der Eure ist von den Tapfersten einer gewesen,<lb/> Ihr habt ihm das Blut gestillt, er ist genesen."</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
Das Blättchen Wegebreit
Sie trat am Stock hinaus, hat sich mühsam gebückt,
Vom Rain am Rasen ein Blättchen dir gepflückt.
Sie nahm es und preßt es von der Spitze bis zum Schafte,
Und prüfte auf dem Daumen ein Tröpfchen vom Safte. ,Ein Blättchen Wegebreit macht alles gut.
Den Saft auf seine Wunden, das stillt das Blut.
Nur weg mit Band und Binden und allem Plunder,
Das Heiltrank macht genesen, und Gottes Wunder/" Jan Leuthold aufrecht in seinem Bette saß,
Zwei Blättchen in den Händen, gebunden mit Gras.
Er sah im Fieber wilde Gestalten ziehen)
Vor seinen Blicken tanzt ein Kranz von Marien. Er schaut um sich. Sie schlafen. Er löst den Verband.
Das Blut aus Stirn und Brust rinnt über die Hand.
Er legt sich zurück und legt das Kraut auf die Wunden.
Das Blut gestillt, so haben sie ihn gefunden. Rot, rot und weiß, todweiß und blutgefleckt.
Wie von Marien ein Kranz um die Stirn gesteckt..
Die Schwester steht und lockert das Band an der Haube.
Und atmet heiß und liest. — „Einer Mutter Glaube!" Sie wendet den Brief und schreibt für die Mutter ein Wort.
Man trägt den Toten mit hundert anderen fort.
„Der Eure ist von den Tapfersten einer gewesen,
Ihr habt ihm das Blut gestillt, er ist genesen."
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