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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Mit den Llfern am ^6. August 5370

mit ihm anfangen. Der arme Junge that mir furchtbar leid. Langsam wurde
es Tag. Vom Rgt. sammelte sich Mann auf Mann. Man hörte daher auch
von den anderen Balls. Der Feind war zuerst von uns durchweg geworfen
worden und hatte an den meisten Stellen in wilder Flucht den Kampfplatz ver¬
lassen. Ohne Unterstützung Seitens qnderer Truppen -- wir hatten keinen
Mann Reserve hinter uns und die wenigen ankommenden Hessen griffen spät
Abends noch weiter rechts ein -- mußte sich das Regt, jedoch, da der Feind
Bataillon über Bataillon, wie es schien, eine volle Brigade, Alles kaiserl. Garde,
zur Unterstützung heranzog, aus der sehr exponirten Stellung auf die Wald-
lisiöre zu zurückziehen, welche Position auch fortdauernd gehalten worden war.
Das Hess. 2. Bat. schob sogar den linken Flügel noch vor. wobei es zum Hand¬
gemenge kam. Der wahrscheinlich gefallene PortSpöefähndrich Ripke erstach
bei dieser Gelegenheit einen franz. Offizier mit feinem Degen. Das Regiment
hat nach dem, was wir später gehört, große Dienste geleistet, da ohne sein
rechtzeitiges Eingreifen und die -- man kann wirklich fügen -- außerordentliche
Aufopferung der Leute der Feind zweifelsohne in den Besitz des Waldes und
somit wohl auch des Sieges auf seiner linken Flanke gekommen wäre. Die
Franzosen schlugen sich wie die Löwen; ihre Gewehre sind brillant und Alles,
was man darüber vorher gesagt, sicherlich unwahr. Ob Mitrailleusen in Gang
waren, weiß ich nicht; desto deutlicher haben wir sie am 18ten bei Vernville,
wo wir ans, aber nicht ins Gefecht gelangten, vernommen.

Unsere Verluste sind horrende: 43 todte und verwundete Offiziere und ca.
12--1300 Mann fehlen uns*). Sobald ich kann, schicke ich Ihnen eine ganz
genaue Todtenliste der Offiziere. Ich habe den Korrespondenten der Köln. Zeit.,
Dr. Oidtmann vom 6. Jägerbat., die meisten Notizen am 17ten gegeben; er
wollte sie auch an Dr. Hartmeyer senden. Es mag aber Manches nicht ganz
genau darin sein; wollen Sie es corrigiren, so thun Sie es vielleicht nach
diesem Briefe, nur möchte ich Nichts von den widersprechenden Befehlen vor
der Schlacht und von den engeren Personalien erwähnt haben. Ausgezeichnet
waren alle unsere 4 Stabsoffiziere, die bis auf Maj. Hauteville, der immer
weit vorn an war, sämmtlich, ebenso wie alle 4 Adjutanten verwundet sind.
Von Letzteren ist Le. v. Colomb inzwischen verstorben, über Le. v. König, ebenso
wie über Le. Reuber oder Fdrich. Ripke**) wissen wir gar Nichts. Oberst v. Schöning
ging mit unvergleichlicher Bravour vor. Ob. Le. v. Klein wurde gleich Anfangs
am Kopfe verwundet, trotz sehr starker Blutung führte er sein Bataillon bis
Zum Ende der Schlacht; er führt jetzt wieder das Regt, und sieht es seltsam
aus, an der Spitze des Regts. den braven Herrn mit einem großen braunen
Damennetz über den Kopf reiten zu sehen. Maj. v. Jsing führte das Ball.
noch fort, nachdem er einen Schuß in die linke Seite der Brust erhalten, und




D. Red. *) Tatsächlich sind 1119 Mann geblieben.
D. Red. Beide im Garnisonlazarett zu Metz an ihren Wunden gestorben.
Mit den Llfern am ^6. August 5370

mit ihm anfangen. Der arme Junge that mir furchtbar leid. Langsam wurde
es Tag. Vom Rgt. sammelte sich Mann auf Mann. Man hörte daher auch
von den anderen Balls. Der Feind war zuerst von uns durchweg geworfen
worden und hatte an den meisten Stellen in wilder Flucht den Kampfplatz ver¬
lassen. Ohne Unterstützung Seitens qnderer Truppen — wir hatten keinen
Mann Reserve hinter uns und die wenigen ankommenden Hessen griffen spät
Abends noch weiter rechts ein — mußte sich das Regt, jedoch, da der Feind
Bataillon über Bataillon, wie es schien, eine volle Brigade, Alles kaiserl. Garde,
zur Unterstützung heranzog, aus der sehr exponirten Stellung auf die Wald-
lisiöre zu zurückziehen, welche Position auch fortdauernd gehalten worden war.
Das Hess. 2. Bat. schob sogar den linken Flügel noch vor. wobei es zum Hand¬
gemenge kam. Der wahrscheinlich gefallene PortSpöefähndrich Ripke erstach
bei dieser Gelegenheit einen franz. Offizier mit feinem Degen. Das Regiment
hat nach dem, was wir später gehört, große Dienste geleistet, da ohne sein
rechtzeitiges Eingreifen und die — man kann wirklich fügen — außerordentliche
Aufopferung der Leute der Feind zweifelsohne in den Besitz des Waldes und
somit wohl auch des Sieges auf seiner linken Flanke gekommen wäre. Die
Franzosen schlugen sich wie die Löwen; ihre Gewehre sind brillant und Alles,
was man darüber vorher gesagt, sicherlich unwahr. Ob Mitrailleusen in Gang
waren, weiß ich nicht; desto deutlicher haben wir sie am 18ten bei Vernville,
wo wir ans, aber nicht ins Gefecht gelangten, vernommen.

Unsere Verluste sind horrende: 43 todte und verwundete Offiziere und ca.
12—1300 Mann fehlen uns*). Sobald ich kann, schicke ich Ihnen eine ganz
genaue Todtenliste der Offiziere. Ich habe den Korrespondenten der Köln. Zeit.,
Dr. Oidtmann vom 6. Jägerbat., die meisten Notizen am 17ten gegeben; er
wollte sie auch an Dr. Hartmeyer senden. Es mag aber Manches nicht ganz
genau darin sein; wollen Sie es corrigiren, so thun Sie es vielleicht nach
diesem Briefe, nur möchte ich Nichts von den widersprechenden Befehlen vor
der Schlacht und von den engeren Personalien erwähnt haben. Ausgezeichnet
waren alle unsere 4 Stabsoffiziere, die bis auf Maj. Hauteville, der immer
weit vorn an war, sämmtlich, ebenso wie alle 4 Adjutanten verwundet sind.
Von Letzteren ist Le. v. Colomb inzwischen verstorben, über Le. v. König, ebenso
wie über Le. Reuber oder Fdrich. Ripke**) wissen wir gar Nichts. Oberst v. Schöning
ging mit unvergleichlicher Bravour vor. Ob. Le. v. Klein wurde gleich Anfangs
am Kopfe verwundet, trotz sehr starker Blutung führte er sein Bataillon bis
Zum Ende der Schlacht; er führt jetzt wieder das Regt, und sieht es seltsam
aus, an der Spitze des Regts. den braven Herrn mit einem großen braunen
Damennetz über den Kopf reiten zu sehen. Maj. v. Jsing führte das Ball.
noch fort, nachdem er einen Schuß in die linke Seite der Brust erhalten, und




D. Red. *) Tatsächlich sind 1119 Mann geblieben.
D. Red. Beide im Garnisonlazarett zu Metz an ihren Wunden gestorben.
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[0419] Mit den Llfern am ^6. August 5370 mit ihm anfangen. Der arme Junge that mir furchtbar leid. Langsam wurde es Tag. Vom Rgt. sammelte sich Mann auf Mann. Man hörte daher auch von den anderen Balls. Der Feind war zuerst von uns durchweg geworfen worden und hatte an den meisten Stellen in wilder Flucht den Kampfplatz ver¬ lassen. Ohne Unterstützung Seitens qnderer Truppen — wir hatten keinen Mann Reserve hinter uns und die wenigen ankommenden Hessen griffen spät Abends noch weiter rechts ein — mußte sich das Regt, jedoch, da der Feind Bataillon über Bataillon, wie es schien, eine volle Brigade, Alles kaiserl. Garde, zur Unterstützung heranzog, aus der sehr exponirten Stellung auf die Wald- lisiöre zu zurückziehen, welche Position auch fortdauernd gehalten worden war. Das Hess. 2. Bat. schob sogar den linken Flügel noch vor. wobei es zum Hand¬ gemenge kam. Der wahrscheinlich gefallene PortSpöefähndrich Ripke erstach bei dieser Gelegenheit einen franz. Offizier mit feinem Degen. Das Regiment hat nach dem, was wir später gehört, große Dienste geleistet, da ohne sein rechtzeitiges Eingreifen und die — man kann wirklich fügen — außerordentliche Aufopferung der Leute der Feind zweifelsohne in den Besitz des Waldes und somit wohl auch des Sieges auf seiner linken Flanke gekommen wäre. Die Franzosen schlugen sich wie die Löwen; ihre Gewehre sind brillant und Alles, was man darüber vorher gesagt, sicherlich unwahr. Ob Mitrailleusen in Gang waren, weiß ich nicht; desto deutlicher haben wir sie am 18ten bei Vernville, wo wir ans, aber nicht ins Gefecht gelangten, vernommen. Unsere Verluste sind horrende: 43 todte und verwundete Offiziere und ca. 12—1300 Mann fehlen uns*). Sobald ich kann, schicke ich Ihnen eine ganz genaue Todtenliste der Offiziere. Ich habe den Korrespondenten der Köln. Zeit., Dr. Oidtmann vom 6. Jägerbat., die meisten Notizen am 17ten gegeben; er wollte sie auch an Dr. Hartmeyer senden. Es mag aber Manches nicht ganz genau darin sein; wollen Sie es corrigiren, so thun Sie es vielleicht nach diesem Briefe, nur möchte ich Nichts von den widersprechenden Befehlen vor der Schlacht und von den engeren Personalien erwähnt haben. Ausgezeichnet waren alle unsere 4 Stabsoffiziere, die bis auf Maj. Hauteville, der immer weit vorn an war, sämmtlich, ebenso wie alle 4 Adjutanten verwundet sind. Von Letzteren ist Le. v. Colomb inzwischen verstorben, über Le. v. König, ebenso wie über Le. Reuber oder Fdrich. Ripke**) wissen wir gar Nichts. Oberst v. Schöning ging mit unvergleichlicher Bravour vor. Ob. Le. v. Klein wurde gleich Anfangs am Kopfe verwundet, trotz sehr starker Blutung führte er sein Bataillon bis Zum Ende der Schlacht; er führt jetzt wieder das Regt, und sieht es seltsam aus, an der Spitze des Regts. den braven Herrn mit einem großen braunen Damennetz über den Kopf reiten zu sehen. Maj. v. Jsing führte das Ball. noch fort, nachdem er einen Schuß in die linke Seite der Brust erhalten, und D. Red. *) Tatsächlich sind 1119 Mann geblieben. D. Red. Beide im Garnisonlazarett zu Metz an ihren Wunden gestorben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/419>, abgerufen am 20.10.2024.