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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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vorzugehn. Die 7te Comp. ging in Folge eines anderen Befehls jedoch bald
wieder links ab. Wir (die 6te Comp.) gingen erst durch eine kleine Waldecke
und dann in aufgelösten Schützenlinien über ein 500--800 Schritt breites freies
Feld, immer von 30 zu 30 Schritt hinknieend und feuernd*). Auf diesem freien
Felde empfing uns ein Feuer von einem von uns fast völlig ungesehenen
Gegner. Tausende und Abertausende von Kugeln strichen über das Feld. Einen
Vergleich hierfür gibt es nicht; ein Platzregen ist viel zu wenig gesagt. Ueberall
hörte man die Kugeln pfeifen und sah sie rechts und links in die Erde schlagen.
Furchtbar war die Wirkung. Ein Kamerad nach dem anderen stürzte; immer
kleiner wurde die Schaar. Der Fahnenträger fällt; ein anderer Unteroffizier
ergreift die Fahne und weiter geht es. Endlich erreichen wir gegenüber wieder
ein kleines uns denkendes Wäldchen, ein Jeder der Uebriggebliebenen Gott für
die von Allen auf dem Felde fast unmöglich geglaubte Rettung dankend.
Höchstens 30 Mann waren wir noch, darunter von uns 6 Offizieren noch 4
und der neue Fahnenträger. An der Waldecke trafen wir noch ca. 20 Mann
anderer Compagnieen. dabei Hyla. v. Aigner. Les. Becker. Reineke. Nöthig. Le.
Becker treffen 2 Kugeln und verwunden ihn schwer; ruhig und mit einem letzten
Witz humpelt er mitten durch den Kugelregen wieder zurück. Wir 50 Mann
wollen links an der Waldkante wieder weiter vorgehen; einige Schritte vor¬
wärts und wiederum begrüßt uns eine neue Salve nur wenige Schritte ent¬
fernter Franzosen. Wir schmelzen auf 20 Mann zusammen und gab es daher
jetzt nur eine Parole, die die Fahne zu retten. Sofort stürzten wir uns,
Manstein voran, dann Le. v. Sydow, der Fahnenträger, ich. Aigner, rechts in
die Waldschlucht und stürmten durch den Wald. Undurchdringliches Gestrüpp
hatten wir zu passiren; immer wieder fiel Einer der Wenigen tot oder ver-
wundet nieder. Furchtbar schwer war es, sich einen Weg zu bahnen.
Gesicht und Hände von Dornen zerrissen, verlor ich nach und nach Helm,
Regenmantel. Säbelscheide, Revolver. Mit dem blanken Degen wurde für die
lange schwerfällige Fahne die Bahn geebnet. Aigner verließen die Kräfte; ich
Sog ihn bergauf, bergab vorwärts; ein Hornist unterstützte ihn. Unaufhaltsam
wurde weiter marschiert; so oft wir ein Weniges in der Waldschlucht sichtbar
wurden, empfingen uns unzählige neue Kugeln. Endlich wurde es Heller; wir
hatten. Gott sei Dank, die Richtung nicht verfehlt und den zuerst von uns be-
tretenen Waldweg wiedergefunden. Zuerst waren außer Manstein und nur nur
6^-8 Mann um die Fahne; Les. Kühne und v. Sydow I mußten sich ver-
wundet zurückziehen. Auf der Straße fanden wir auch die Fahne des I. Balls.,
die auch nur mit Mühe und durch den Mut ihres Trägers, des braven Fähndrich
Gf. Moltke I, der trotz zerschossener Hand doch nicht aus dem Gefecht gehen
wollte und die Fahne dem auch gefallenen eigentlichen Fahnenträger abgenommen
hatte, gerettet war. Wir sammelten um die Fahne Reste aller Regimenter.



*) D. Red. Die 6te Comp. schwärmte in das Ite Ball. ein.
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vorzugehn. Die 7te Comp. ging in Folge eines anderen Befehls jedoch bald
wieder links ab. Wir (die 6te Comp.) gingen erst durch eine kleine Waldecke
und dann in aufgelösten Schützenlinien über ein 500—800 Schritt breites freies
Feld, immer von 30 zu 30 Schritt hinknieend und feuernd*). Auf diesem freien
Felde empfing uns ein Feuer von einem von uns fast völlig ungesehenen
Gegner. Tausende und Abertausende von Kugeln strichen über das Feld. Einen
Vergleich hierfür gibt es nicht; ein Platzregen ist viel zu wenig gesagt. Ueberall
hörte man die Kugeln pfeifen und sah sie rechts und links in die Erde schlagen.
Furchtbar war die Wirkung. Ein Kamerad nach dem anderen stürzte; immer
kleiner wurde die Schaar. Der Fahnenträger fällt; ein anderer Unteroffizier
ergreift die Fahne und weiter geht es. Endlich erreichen wir gegenüber wieder
ein kleines uns denkendes Wäldchen, ein Jeder der Uebriggebliebenen Gott für
die von Allen auf dem Felde fast unmöglich geglaubte Rettung dankend.
Höchstens 30 Mann waren wir noch, darunter von uns 6 Offizieren noch 4
und der neue Fahnenträger. An der Waldecke trafen wir noch ca. 20 Mann
anderer Compagnieen. dabei Hyla. v. Aigner. Les. Becker. Reineke. Nöthig. Le.
Becker treffen 2 Kugeln und verwunden ihn schwer; ruhig und mit einem letzten
Witz humpelt er mitten durch den Kugelregen wieder zurück. Wir 50 Mann
wollen links an der Waldkante wieder weiter vorgehen; einige Schritte vor¬
wärts und wiederum begrüßt uns eine neue Salve nur wenige Schritte ent¬
fernter Franzosen. Wir schmelzen auf 20 Mann zusammen und gab es daher
jetzt nur eine Parole, die die Fahne zu retten. Sofort stürzten wir uns,
Manstein voran, dann Le. v. Sydow, der Fahnenträger, ich. Aigner, rechts in
die Waldschlucht und stürmten durch den Wald. Undurchdringliches Gestrüpp
hatten wir zu passiren; immer wieder fiel Einer der Wenigen tot oder ver-
wundet nieder. Furchtbar schwer war es, sich einen Weg zu bahnen.
Gesicht und Hände von Dornen zerrissen, verlor ich nach und nach Helm,
Regenmantel. Säbelscheide, Revolver. Mit dem blanken Degen wurde für die
lange schwerfällige Fahne die Bahn geebnet. Aigner verließen die Kräfte; ich
Sog ihn bergauf, bergab vorwärts; ein Hornist unterstützte ihn. Unaufhaltsam
wurde weiter marschiert; so oft wir ein Weniges in der Waldschlucht sichtbar
wurden, empfingen uns unzählige neue Kugeln. Endlich wurde es Heller; wir
hatten. Gott sei Dank, die Richtung nicht verfehlt und den zuerst von uns be-
tretenen Waldweg wiedergefunden. Zuerst waren außer Manstein und nur nur
6^-8 Mann um die Fahne; Les. Kühne und v. Sydow I mußten sich ver-
wundet zurückziehen. Auf der Straße fanden wir auch die Fahne des I. Balls.,
die auch nur mit Mühe und durch den Mut ihres Trägers, des braven Fähndrich
Gf. Moltke I, der trotz zerschossener Hand doch nicht aus dem Gefecht gehen
wollte und die Fahne dem auch gefallenen eigentlichen Fahnenträger abgenommen
hatte, gerettet war. Wir sammelten um die Fahne Reste aller Regimenter.



*) D. Red. Die 6te Comp. schwärmte in das Ite Ball. ein.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/417>, abgerufen am 29.12.2024.