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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Mit den Llfern am 56. August >S?o

Befehl, der Brigade Rex zu folgen. Letzteres geschah denn auch. Vor Comp
wurden sämmtliche Tornister abgelegt. Wir überschritten die wunderbarer Weise
von den Franzosen stehen gelassene Kettenbrücke. Novöant wurde passirt. Die
ersten Gefangenen, französ. 76er, begegneten uns, dann Wagen mit Verwundeten.
Endlose Wagenreihen, Train-, Proviant-Colonnen, Munitions-Colonnen, von
denen alle Munition schon ausgegeben war. Ordonnanzen folgten auf Ordon¬
nanzen. Immer näher kamen wir dem Kanonendonner, in den sich schon die
Salven der Infanterie mischten; trotzdem versicherte Alles, wir kämen zu spät.
Mit rasender Eile wurde marschirt. Wir erreichten Gorze; wieder unzählige
Transporte Verwundeter. In der ersten Straße gleich der gräßlichst denkbare
Anblick, der für alles Weitere abstumpfte; ein Mann, der auf Verwundete
geschossen haben sollte, halb zerfleischt, nur mit halbem Gesicht und Hals wurde
mit einer Kette um den Rest des letzteren und einem Strick unter dem Leib
von wüthenden Soldaten unter schauderhaften Mißhandlungen davon geschleppt.
Am anderen Tage hing sein verstümmelter Leichnam an einer Laterne. Vor¬
wärts ging es ohne Aufenthalt, fast im Laufschritt, einen Bergweg, der um
die ganze Stadt auf ein hohes Plateau führt, hinauf. Oben angekommen,
standen wir in unmittelbarster Nähe des Schlachtplatzes; nur ein Wäldchen
trennte uns davon.

Das Regt, wurde zum Gefecht rangiert; '/^ Stunde wurde gerastet.
Während dieser Zeit kam von der 18ten Divis, die Weisung, sofort ins Bivouak
bei Arry zurückzukehren, da der coma. General die Maßregel der Divis., uns
dem 8ten Corps (Grat. v. Goben) zur Unterstützung zu geben, nicht gebillitg
hätte. Zugleich kamen aber auch Oberst v. Witzendorff und Gil. v. Barneckow
und erklärten, das Gefecht stehe ungünstig, wir müßten eingreifen, Pz. Friedrich
Carl habe den Nachmarsch des ganzen Ren Corps befohlen. Der Oberst befahl
in Folge dessen natürlich den Vormarsch, zumal da 3 Bataillone der Brigade
Rex, die erst ganz vor kurzem vorgerückt war, sich diesseits des Waldes um
ihre Fahnen zu sammeln begannen. Wir rückten rechts in den Wald, um eine
von Genie. v. Barneckow gewünschte Umgehung rechts zu machen. Diese zeigte
sich bald wegen Terrainschwierigkeiten unausführbar und ging darauf das Ite
Ball. auf dem Wege von Gorze nach Rezonville, links von dem Weg bis zur
Schlucht das 2te Bat., links davon in der Schlucht das Fuh.-Bat. vor.

Wir passirten. ehe wir aus dem Walde herauskamen, einen ziemlich langen
Waldweg; kaum hatten wir denselben betreten, als uns schon Verwundete in
zahllosen Mengen begegneten, darunter auch gleich sehr Viele von unserem dicht
vor uns marschirenden Iten Ball. Wir kamen aus dem Wald heraus und
erhielt Le. v. Manstein, der das Halbbataillon (6te und 7te Comp.) führte, von einem
an der Waldlisiere haltenden Stabs-Offizier den Befehl*), rechts von der Straße



*) Davon steht nichts in der RegimentsgeschichteI -- Gemeine ist Wohl das Illte Bataillon.
D. Red.
Mit den Llfern am 56. August >S?o

Befehl, der Brigade Rex zu folgen. Letzteres geschah denn auch. Vor Comp
wurden sämmtliche Tornister abgelegt. Wir überschritten die wunderbarer Weise
von den Franzosen stehen gelassene Kettenbrücke. Novöant wurde passirt. Die
ersten Gefangenen, französ. 76er, begegneten uns, dann Wagen mit Verwundeten.
Endlose Wagenreihen, Train-, Proviant-Colonnen, Munitions-Colonnen, von
denen alle Munition schon ausgegeben war. Ordonnanzen folgten auf Ordon¬
nanzen. Immer näher kamen wir dem Kanonendonner, in den sich schon die
Salven der Infanterie mischten; trotzdem versicherte Alles, wir kämen zu spät.
Mit rasender Eile wurde marschirt. Wir erreichten Gorze; wieder unzählige
Transporte Verwundeter. In der ersten Straße gleich der gräßlichst denkbare
Anblick, der für alles Weitere abstumpfte; ein Mann, der auf Verwundete
geschossen haben sollte, halb zerfleischt, nur mit halbem Gesicht und Hals wurde
mit einer Kette um den Rest des letzteren und einem Strick unter dem Leib
von wüthenden Soldaten unter schauderhaften Mißhandlungen davon geschleppt.
Am anderen Tage hing sein verstümmelter Leichnam an einer Laterne. Vor¬
wärts ging es ohne Aufenthalt, fast im Laufschritt, einen Bergweg, der um
die ganze Stadt auf ein hohes Plateau führt, hinauf. Oben angekommen,
standen wir in unmittelbarster Nähe des Schlachtplatzes; nur ein Wäldchen
trennte uns davon.

Das Regt, wurde zum Gefecht rangiert; '/^ Stunde wurde gerastet.
Während dieser Zeit kam von der 18ten Divis, die Weisung, sofort ins Bivouak
bei Arry zurückzukehren, da der coma. General die Maßregel der Divis., uns
dem 8ten Corps (Grat. v. Goben) zur Unterstützung zu geben, nicht gebillitg
hätte. Zugleich kamen aber auch Oberst v. Witzendorff und Gil. v. Barneckow
und erklärten, das Gefecht stehe ungünstig, wir müßten eingreifen, Pz. Friedrich
Carl habe den Nachmarsch des ganzen Ren Corps befohlen. Der Oberst befahl
in Folge dessen natürlich den Vormarsch, zumal da 3 Bataillone der Brigade
Rex, die erst ganz vor kurzem vorgerückt war, sich diesseits des Waldes um
ihre Fahnen zu sammeln begannen. Wir rückten rechts in den Wald, um eine
von Genie. v. Barneckow gewünschte Umgehung rechts zu machen. Diese zeigte
sich bald wegen Terrainschwierigkeiten unausführbar und ging darauf das Ite
Ball. auf dem Wege von Gorze nach Rezonville, links von dem Weg bis zur
Schlucht das 2te Bat., links davon in der Schlucht das Fuh.-Bat. vor.

Wir passirten. ehe wir aus dem Walde herauskamen, einen ziemlich langen
Waldweg; kaum hatten wir denselben betreten, als uns schon Verwundete in
zahllosen Mengen begegneten, darunter auch gleich sehr Viele von unserem dicht
vor uns marschirenden Iten Ball. Wir kamen aus dem Wald heraus und
erhielt Le. v. Manstein, der das Halbbataillon (6te und 7te Comp.) führte, von einem
an der Waldlisiere haltenden Stabs-Offizier den Befehl*), rechts von der Straße



*) Davon steht nichts in der RegimentsgeschichteI — Gemeine ist Wohl das Illte Bataillon.
D. Red.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/416>, abgerufen am 19.10.2024.