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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Englische Marinepolitik

für alle zu finden. Das ist ein hervorstehender und sehr angenehmer Zug der
jüngsten Geschichte der Politik gewesen. In dieser Sache haben wir in ein¬
mütigem Wunsche mit Deutschland zusammengearbeitet. Dieses Zusammen¬
arbeiten hat nicht nur den Weg der Diplomatie angenehmer gestaltet, sondern
es hat -- das ist unsere feste Überzeugung -- auch gegenseitiges Vertrauen her¬
vorgerufen, das zwischen den beiden großen Nationen andauern wird. Nach
Ansicht der britischen Regierung ist dies alles durch die Botschafterkonferenz in
London sehr erleichtert worden, und es wird mir vielleicht gestattet sein, der
außerordentlichen, ich möchte sagen beispiellosen Geduld, Entschlossenheit. Be¬
stimmtheit und Umsicht des Staatssekretärs Grey die Anerkennung zu zollen,
die gewiß auch Vonar Law ihm nicht verweigern wird." Das sind zweifellos
sehr erfreuliche, beachtenswerte Tatsachen.

Daß "England in einmütigem Wunsche mit Deutschland zusammenarbeitet"
und "dies den Weg der Diplomatie angenehmer gestaltet hat", berührt aber
Englands eigenste Interessen ebenso wie die deutschen, zeigt also kein besonderes,
deutschfreundliches Entgegenkommen; ebenso beruht das hervorgerufene "gegen¬
seitige Vertrauen" auf gleichen Interessen, gibt also keine Veranlassung, eng¬
lisches Entgegenkommen zu rühmen. Den Erfolg spricht Asquith auch besonders
dem Wirken des Staatssekretärs Grey zu, an deutsches Mitwirken wird nicht
gedacht. -- So hängt nach wie vor alles davon ab, wie es den englischen Inter¬
essen am besten entspricht, Asquiths Rede ändert daran nichts. Sie bietet uns
keine Gewähr gegen die Mithilfe einer englischen Armee auf dem Kontinent.
Weshalb sonst die lebhafte Beteiligung Englands an der Frage der Verstärkung
der niederländischen Befestigungen an der Scheldemündung! Die einzige Sicher¬
heit für uns -- auch mit Rücksicht auf Churchills freundliches Angebot des
"Flotten-Feierjahres" und angesichts der Vorschläge der englischen Marineleitung
im Flottenbauprogramm zum Ersatz der abgelehnten kanadischen Überdread-
noughts -- ist und bleibt eine entsprechende, kampfkräftige, vollwertige deutsche
Flotte. Je stärker wir sind, desto besser unsere Stellung zu jeder Macht, desto
sicherer die Wahrung des Friedens.




Englische Marinepolitik

für alle zu finden. Das ist ein hervorstehender und sehr angenehmer Zug der
jüngsten Geschichte der Politik gewesen. In dieser Sache haben wir in ein¬
mütigem Wunsche mit Deutschland zusammengearbeitet. Dieses Zusammen¬
arbeiten hat nicht nur den Weg der Diplomatie angenehmer gestaltet, sondern
es hat — das ist unsere feste Überzeugung — auch gegenseitiges Vertrauen her¬
vorgerufen, das zwischen den beiden großen Nationen andauern wird. Nach
Ansicht der britischen Regierung ist dies alles durch die Botschafterkonferenz in
London sehr erleichtert worden, und es wird mir vielleicht gestattet sein, der
außerordentlichen, ich möchte sagen beispiellosen Geduld, Entschlossenheit. Be¬
stimmtheit und Umsicht des Staatssekretärs Grey die Anerkennung zu zollen,
die gewiß auch Vonar Law ihm nicht verweigern wird." Das sind zweifellos
sehr erfreuliche, beachtenswerte Tatsachen.

Daß „England in einmütigem Wunsche mit Deutschland zusammenarbeitet"
und „dies den Weg der Diplomatie angenehmer gestaltet hat", berührt aber
Englands eigenste Interessen ebenso wie die deutschen, zeigt also kein besonderes,
deutschfreundliches Entgegenkommen; ebenso beruht das hervorgerufene „gegen¬
seitige Vertrauen" auf gleichen Interessen, gibt also keine Veranlassung, eng¬
lisches Entgegenkommen zu rühmen. Den Erfolg spricht Asquith auch besonders
dem Wirken des Staatssekretärs Grey zu, an deutsches Mitwirken wird nicht
gedacht. — So hängt nach wie vor alles davon ab, wie es den englischen Inter¬
essen am besten entspricht, Asquiths Rede ändert daran nichts. Sie bietet uns
keine Gewähr gegen die Mithilfe einer englischen Armee auf dem Kontinent.
Weshalb sonst die lebhafte Beteiligung Englands an der Frage der Verstärkung
der niederländischen Befestigungen an der Scheldemündung! Die einzige Sicher¬
heit für uns — auch mit Rücksicht auf Churchills freundliches Angebot des
„Flotten-Feierjahres" und angesichts der Vorschläge der englischen Marineleitung
im Flottenbauprogramm zum Ersatz der abgelehnten kanadischen Überdread-
noughts — ist und bleibt eine entsprechende, kampfkräftige, vollwertige deutsche
Flotte. Je stärker wir sind, desto besser unsere Stellung zu jeder Macht, desto
sicherer die Wahrung des Friedens.




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[0407] Englische Marinepolitik für alle zu finden. Das ist ein hervorstehender und sehr angenehmer Zug der jüngsten Geschichte der Politik gewesen. In dieser Sache haben wir in ein¬ mütigem Wunsche mit Deutschland zusammengearbeitet. Dieses Zusammen¬ arbeiten hat nicht nur den Weg der Diplomatie angenehmer gestaltet, sondern es hat — das ist unsere feste Überzeugung — auch gegenseitiges Vertrauen her¬ vorgerufen, das zwischen den beiden großen Nationen andauern wird. Nach Ansicht der britischen Regierung ist dies alles durch die Botschafterkonferenz in London sehr erleichtert worden, und es wird mir vielleicht gestattet sein, der außerordentlichen, ich möchte sagen beispiellosen Geduld, Entschlossenheit. Be¬ stimmtheit und Umsicht des Staatssekretärs Grey die Anerkennung zu zollen, die gewiß auch Vonar Law ihm nicht verweigern wird." Das sind zweifellos sehr erfreuliche, beachtenswerte Tatsachen. Daß „England in einmütigem Wunsche mit Deutschland zusammenarbeitet" und „dies den Weg der Diplomatie angenehmer gestaltet hat", berührt aber Englands eigenste Interessen ebenso wie die deutschen, zeigt also kein besonderes, deutschfreundliches Entgegenkommen; ebenso beruht das hervorgerufene „gegen¬ seitige Vertrauen" auf gleichen Interessen, gibt also keine Veranlassung, eng¬ lisches Entgegenkommen zu rühmen. Den Erfolg spricht Asquith auch besonders dem Wirken des Staatssekretärs Grey zu, an deutsches Mitwirken wird nicht gedacht. — So hängt nach wie vor alles davon ab, wie es den englischen Inter¬ essen am besten entspricht, Asquiths Rede ändert daran nichts. Sie bietet uns keine Gewähr gegen die Mithilfe einer englischen Armee auf dem Kontinent. Weshalb sonst die lebhafte Beteiligung Englands an der Frage der Verstärkung der niederländischen Befestigungen an der Scheldemündung! Die einzige Sicher¬ heit für uns — auch mit Rücksicht auf Churchills freundliches Angebot des „Flotten-Feierjahres" und angesichts der Vorschläge der englischen Marineleitung im Flottenbauprogramm zum Ersatz der abgelehnten kanadischen Überdread- noughts — ist und bleibt eine entsprechende, kampfkräftige, vollwertige deutsche Flotte. Je stärker wir sind, desto besser unsere Stellung zu jeder Macht, desto sicherer die Wahrung des Friedens.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/407>, abgerufen am 19.10.2024.