Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Englische Mcirinepolitik

Kolonien zu einer dauernden Beisteuer für die Flotte veranlassen. Das sei aber
ein ganz neues, nicht gutzuheißendes Moment in der Politik Kanadas, welches
das Land zur Beteiligung an dem Wettrüsten Europas zwänge. Laurier will
den Bau solcher Schiffe in Kanada, wenn es selbst imstande sein wird, dies
mit eigenen Anlagen und Personal zu leisten; die Schiffe sollen zur Verteidigung
des britischen Reiches nur zur Verfügung gestellt werden, wenn der Krieg von
der kanadischen Negierung, dem Unterhause und dem Senate gebilligt wird. --
Churchill hat in seiner Rede am 31. März d. I. ausdrücklich erklärt, daß die
drei fraglichen kanadischen Großkampfschiffe von 1916 ab für die Weltinteressen
des britischen Reiches unbedingt gebraucht würden, ganz abgesehen von den
Bedürfnissen Englands in heimischen Gewässern; daß sie einen integrierender
Teil der britischen Weltreichsverteidigung bilden. Er will nun das Loch, welches
durch die Ablehnung der kanadischen Dreadnoughts in das Reichsverteidigungs¬
und "Weltgeschwader" - Programm gerissen ist. schleunigst stopfen, indem zur
Sicherstellung des Baues dreier Ersatzschiffe schon jetzt drei Großkampfschiffe des
englischen Bauplanes 1913/14, die unter anderen Umständen erst am Jahres¬
schluß begonnen wären, auf Stapel gelegt werden sollen; das bedeutet eine
Beschleunigung des Flottenbautempos um rund dreiviertel Jahr. Da nach
Churchills Äußerung vom 31. März d. I. die kanadischen Schiffe erst von 1916
an nötig gebraucht werden, so ist bei der gewohnten Bauzeit englischer Gro߬
kampfschiffe von zwei Jahren eine solche Beschleunigung des Bautempos, welche
die drei Schiffe der englischen Flotte schon 1915 zuführt, doch sonderbar, um
so mehr, als Herr Borden im Unterhause -- nach einer Meldung aus Kanada
-- erklärt hat, daß die Flottenpläne Kanadas nur aufgeschoben seien und die
drei Überdreadnoughts von Kanada noch gebaut würden.

Es gewinnt somit den Anschein, als ob die kanadischen Schiffe zum eng¬
lischen Flottenprogramm gehören, während sie doch nichts damit zu tun haben
sollten. -- Churchill hat noch immer den Standpunkt vertreten, die Kolonial¬
schiffe bei Stärkevergleichen nicht mitzuzählen, da sie nur für außerheimische
Gewässer, für die Kolonien, bestimmt seien. Gibraltar liegt aber doch als
Station des erhofften "Weltgeschwaders" (aus etwa 26 Seemeilen pro Stunde
laufenden Großkampfschiffen bestehend) der Nordsee bedenklich nahe! -- Wie
dem auch sein mag, wir werden jedenfalls mit der Beschleunigung des englischen
Flottenprogramms rechnen müssen, -- wie schön wäre das Churchillsche "Feier-
jahr" gewesen, für welches die Schiffe des Kolonialgeschwaders ja nicht mit¬
gerechnet hätten und ohne weiteres weitergebaut worden wären! -- Es hat
nicht sollen sein. -- Das Zahlenstärkeverhältnis der englischen zur deutschen
Flotte verschiebt sich infolge der Maßnahmen der englischen Marineleitung nicht
unbeträchtlich. Wenn England Ende 1913 mit 27 zu 17 deutschen Großkampf-
schiffen stehen wird, so würde 1915 dann das Verhältnis 41:23 sein. Frank¬
reich wird voraussichtlich Ende 1915: 13 Großkampfschiffe (die "Danton"-Klasse
mitgerechnet), Rußland 9 besitzen, das ergibt also für die Flottenmacht der


Englische Mcirinepolitik

Kolonien zu einer dauernden Beisteuer für die Flotte veranlassen. Das sei aber
ein ganz neues, nicht gutzuheißendes Moment in der Politik Kanadas, welches
das Land zur Beteiligung an dem Wettrüsten Europas zwänge. Laurier will
den Bau solcher Schiffe in Kanada, wenn es selbst imstande sein wird, dies
mit eigenen Anlagen und Personal zu leisten; die Schiffe sollen zur Verteidigung
des britischen Reiches nur zur Verfügung gestellt werden, wenn der Krieg von
der kanadischen Negierung, dem Unterhause und dem Senate gebilligt wird. —
Churchill hat in seiner Rede am 31. März d. I. ausdrücklich erklärt, daß die
drei fraglichen kanadischen Großkampfschiffe von 1916 ab für die Weltinteressen
des britischen Reiches unbedingt gebraucht würden, ganz abgesehen von den
Bedürfnissen Englands in heimischen Gewässern; daß sie einen integrierender
Teil der britischen Weltreichsverteidigung bilden. Er will nun das Loch, welches
durch die Ablehnung der kanadischen Dreadnoughts in das Reichsverteidigungs¬
und „Weltgeschwader" - Programm gerissen ist. schleunigst stopfen, indem zur
Sicherstellung des Baues dreier Ersatzschiffe schon jetzt drei Großkampfschiffe des
englischen Bauplanes 1913/14, die unter anderen Umständen erst am Jahres¬
schluß begonnen wären, auf Stapel gelegt werden sollen; das bedeutet eine
Beschleunigung des Flottenbautempos um rund dreiviertel Jahr. Da nach
Churchills Äußerung vom 31. März d. I. die kanadischen Schiffe erst von 1916
an nötig gebraucht werden, so ist bei der gewohnten Bauzeit englischer Gro߬
kampfschiffe von zwei Jahren eine solche Beschleunigung des Bautempos, welche
die drei Schiffe der englischen Flotte schon 1915 zuführt, doch sonderbar, um
so mehr, als Herr Borden im Unterhause — nach einer Meldung aus Kanada
— erklärt hat, daß die Flottenpläne Kanadas nur aufgeschoben seien und die
drei Überdreadnoughts von Kanada noch gebaut würden.

Es gewinnt somit den Anschein, als ob die kanadischen Schiffe zum eng¬
lischen Flottenprogramm gehören, während sie doch nichts damit zu tun haben
sollten. — Churchill hat noch immer den Standpunkt vertreten, die Kolonial¬
schiffe bei Stärkevergleichen nicht mitzuzählen, da sie nur für außerheimische
Gewässer, für die Kolonien, bestimmt seien. Gibraltar liegt aber doch als
Station des erhofften „Weltgeschwaders" (aus etwa 26 Seemeilen pro Stunde
laufenden Großkampfschiffen bestehend) der Nordsee bedenklich nahe! — Wie
dem auch sein mag, wir werden jedenfalls mit der Beschleunigung des englischen
Flottenprogramms rechnen müssen, — wie schön wäre das Churchillsche „Feier-
jahr" gewesen, für welches die Schiffe des Kolonialgeschwaders ja nicht mit¬
gerechnet hätten und ohne weiteres weitergebaut worden wären! — Es hat
nicht sollen sein. — Das Zahlenstärkeverhältnis der englischen zur deutschen
Flotte verschiebt sich infolge der Maßnahmen der englischen Marineleitung nicht
unbeträchtlich. Wenn England Ende 1913 mit 27 zu 17 deutschen Großkampf-
schiffen stehen wird, so würde 1915 dann das Verhältnis 41:23 sein. Frank¬
reich wird voraussichtlich Ende 1915: 13 Großkampfschiffe (die „Danton"-Klasse
mitgerechnet), Rußland 9 besitzen, das ergibt also für die Flottenmacht der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326573"/>
          <fw type="header" place="top"> Englische Mcirinepolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1956" prev="#ID_1955"> Kolonien zu einer dauernden Beisteuer für die Flotte veranlassen. Das sei aber<lb/>
ein ganz neues, nicht gutzuheißendes Moment in der Politik Kanadas, welches<lb/>
das Land zur Beteiligung an dem Wettrüsten Europas zwänge. Laurier will<lb/>
den Bau solcher Schiffe in Kanada, wenn es selbst imstande sein wird, dies<lb/>
mit eigenen Anlagen und Personal zu leisten; die Schiffe sollen zur Verteidigung<lb/>
des britischen Reiches nur zur Verfügung gestellt werden, wenn der Krieg von<lb/>
der kanadischen Negierung, dem Unterhause und dem Senate gebilligt wird. &#x2014;<lb/>
Churchill hat in seiner Rede am 31. März d. I. ausdrücklich erklärt, daß die<lb/>
drei fraglichen kanadischen Großkampfschiffe von 1916 ab für die Weltinteressen<lb/>
des britischen Reiches unbedingt gebraucht würden, ganz abgesehen von den<lb/>
Bedürfnissen Englands in heimischen Gewässern; daß sie einen integrierender<lb/>
Teil der britischen Weltreichsverteidigung bilden. Er will nun das Loch, welches<lb/>
durch die Ablehnung der kanadischen Dreadnoughts in das Reichsverteidigungs¬<lb/>
und &#x201E;Weltgeschwader" - Programm gerissen ist. schleunigst stopfen, indem zur<lb/>
Sicherstellung des Baues dreier Ersatzschiffe schon jetzt drei Großkampfschiffe des<lb/>
englischen Bauplanes 1913/14, die unter anderen Umständen erst am Jahres¬<lb/>
schluß begonnen wären, auf Stapel gelegt werden sollen; das bedeutet eine<lb/>
Beschleunigung des Flottenbautempos um rund dreiviertel Jahr. Da nach<lb/>
Churchills Äußerung vom 31. März d. I. die kanadischen Schiffe erst von 1916<lb/>
an nötig gebraucht werden, so ist bei der gewohnten Bauzeit englischer Gro߬<lb/>
kampfschiffe von zwei Jahren eine solche Beschleunigung des Bautempos, welche<lb/>
die drei Schiffe der englischen Flotte schon 1915 zuführt, doch sonderbar, um<lb/>
so mehr, als Herr Borden im Unterhause &#x2014; nach einer Meldung aus Kanada<lb/>
&#x2014; erklärt hat, daß die Flottenpläne Kanadas nur aufgeschoben seien und die<lb/>
drei Überdreadnoughts von Kanada noch gebaut würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1957" next="#ID_1958"> Es gewinnt somit den Anschein, als ob die kanadischen Schiffe zum eng¬<lb/>
lischen Flottenprogramm gehören, während sie doch nichts damit zu tun haben<lb/>
sollten. &#x2014; Churchill hat noch immer den Standpunkt vertreten, die Kolonial¬<lb/>
schiffe bei Stärkevergleichen nicht mitzuzählen, da sie nur für außerheimische<lb/>
Gewässer, für die Kolonien, bestimmt seien. Gibraltar liegt aber doch als<lb/>
Station des erhofften &#x201E;Weltgeschwaders" (aus etwa 26 Seemeilen pro Stunde<lb/>
laufenden Großkampfschiffen bestehend) der Nordsee bedenklich nahe! &#x2014; Wie<lb/>
dem auch sein mag, wir werden jedenfalls mit der Beschleunigung des englischen<lb/>
Flottenprogramms rechnen müssen, &#x2014; wie schön wäre das Churchillsche &#x201E;Feier-<lb/>
jahr" gewesen, für welches die Schiffe des Kolonialgeschwaders ja nicht mit¬<lb/>
gerechnet hätten und ohne weiteres weitergebaut worden wären! &#x2014; Es hat<lb/>
nicht sollen sein. &#x2014; Das Zahlenstärkeverhältnis der englischen zur deutschen<lb/>
Flotte verschiebt sich infolge der Maßnahmen der englischen Marineleitung nicht<lb/>
unbeträchtlich. Wenn England Ende 1913 mit 27 zu 17 deutschen Großkampf-<lb/>
schiffen stehen wird, so würde 1915 dann das Verhältnis 41:23 sein. Frank¬<lb/>
reich wird voraussichtlich Ende 1915: 13 Großkampfschiffe (die &#x201E;Danton"-Klasse<lb/>
mitgerechnet), Rußland 9 besitzen, das ergibt also für die Flottenmacht der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0403] Englische Mcirinepolitik Kolonien zu einer dauernden Beisteuer für die Flotte veranlassen. Das sei aber ein ganz neues, nicht gutzuheißendes Moment in der Politik Kanadas, welches das Land zur Beteiligung an dem Wettrüsten Europas zwänge. Laurier will den Bau solcher Schiffe in Kanada, wenn es selbst imstande sein wird, dies mit eigenen Anlagen und Personal zu leisten; die Schiffe sollen zur Verteidigung des britischen Reiches nur zur Verfügung gestellt werden, wenn der Krieg von der kanadischen Negierung, dem Unterhause und dem Senate gebilligt wird. — Churchill hat in seiner Rede am 31. März d. I. ausdrücklich erklärt, daß die drei fraglichen kanadischen Großkampfschiffe von 1916 ab für die Weltinteressen des britischen Reiches unbedingt gebraucht würden, ganz abgesehen von den Bedürfnissen Englands in heimischen Gewässern; daß sie einen integrierender Teil der britischen Weltreichsverteidigung bilden. Er will nun das Loch, welches durch die Ablehnung der kanadischen Dreadnoughts in das Reichsverteidigungs¬ und „Weltgeschwader" - Programm gerissen ist. schleunigst stopfen, indem zur Sicherstellung des Baues dreier Ersatzschiffe schon jetzt drei Großkampfschiffe des englischen Bauplanes 1913/14, die unter anderen Umständen erst am Jahres¬ schluß begonnen wären, auf Stapel gelegt werden sollen; das bedeutet eine Beschleunigung des Flottenbautempos um rund dreiviertel Jahr. Da nach Churchills Äußerung vom 31. März d. I. die kanadischen Schiffe erst von 1916 an nötig gebraucht werden, so ist bei der gewohnten Bauzeit englischer Gro߬ kampfschiffe von zwei Jahren eine solche Beschleunigung des Bautempos, welche die drei Schiffe der englischen Flotte schon 1915 zuführt, doch sonderbar, um so mehr, als Herr Borden im Unterhause — nach einer Meldung aus Kanada — erklärt hat, daß die Flottenpläne Kanadas nur aufgeschoben seien und die drei Überdreadnoughts von Kanada noch gebaut würden. Es gewinnt somit den Anschein, als ob die kanadischen Schiffe zum eng¬ lischen Flottenprogramm gehören, während sie doch nichts damit zu tun haben sollten. — Churchill hat noch immer den Standpunkt vertreten, die Kolonial¬ schiffe bei Stärkevergleichen nicht mitzuzählen, da sie nur für außerheimische Gewässer, für die Kolonien, bestimmt seien. Gibraltar liegt aber doch als Station des erhofften „Weltgeschwaders" (aus etwa 26 Seemeilen pro Stunde laufenden Großkampfschiffen bestehend) der Nordsee bedenklich nahe! — Wie dem auch sein mag, wir werden jedenfalls mit der Beschleunigung des englischen Flottenprogramms rechnen müssen, — wie schön wäre das Churchillsche „Feier- jahr" gewesen, für welches die Schiffe des Kolonialgeschwaders ja nicht mit¬ gerechnet hätten und ohne weiteres weitergebaut worden wären! — Es hat nicht sollen sein. — Das Zahlenstärkeverhältnis der englischen zur deutschen Flotte verschiebt sich infolge der Maßnahmen der englischen Marineleitung nicht unbeträchtlich. Wenn England Ende 1913 mit 27 zu 17 deutschen Großkampf- schiffen stehen wird, so würde 1915 dann das Verhältnis 41:23 sein. Frank¬ reich wird voraussichtlich Ende 1915: 13 Großkampfschiffe (die „Danton"-Klasse mitgerechnet), Rußland 9 besitzen, das ergibt also für die Flottenmacht der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/403
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/403>, abgerufen am 20.10.2024.