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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Sturm

"Danke!" Ein Streichholz flammte auf und beschien für einige Momente
die abenteuerliche Szene. Paul von der Borke stand, die Hände in den Mantel¬
taschen und den Kragen hochgeklappt, schweigend da. Maddis war vom Bock
geklettert und zitterte an allen Gliedern vor Angst. Er sah die Gewehre und
Revolver in den schwarzen Fäusten der Gesellen und bebte um das Leben seiner
Herren.

"Was wollt ihr denn?" fragte er weinerlich. "Die Barone hier kommen
eben vom Ausland. Haben euch nichts getan. Geht, macht keine Spähne --
laßt uns fahren!"

"Halts Maul, altes Waschweib. Du weißt viel, was ein Baron sür eine
Bestie ist. Dir ist nicht wohl, wenn du nicht dienen kannst. Marsch, ab --
geh deiner Wege. Wirst du woll!"

Einer der Kerle hatte die Peitsche genommen und schlug sie dem Kutscher
um die Beine. Da trat Baron Alexander dazwischen:

"Lassen Sie den alten Mann! Maddis -- geh ruhig nach Hause!"

Der Alte rang die Hände und schluchzte laut auf. Nur zögernd und gedrängt
und gestoßen ging er von dannen.

"Dürfen wir nun Ihre Absichten erfahren?" fragte Herr von der Borke.

"Ich nehme an, daß wir durch irgend etwas Ihr Mißfallen erregt haben.
Sprechen Sie sich aus!"

"Gebt ihm eins aufs Maul, dem Schwätzer. Dann weiß er, was wir wollen!"

"Angst soll er kriegen, daß ihm die Zähne klappern!"

"Hängt ihn auf -- den deutscheu Blutsauger, und den anderen dazu."

"Dann können sie Zigaretten rauchen so viel sie wollen."

So brüllten die Stimmen durcheinander.

"Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Kosaken unterwegs sind. Wenn
Sie sich nicht bald über unser Schicksal schlüssig sind, wird man unsere Unter¬
haltung stören!"

Die Worte des Barons machten Eindruck. Es waren tatsächlich Kosaken
gemeldet. Deshalb schien es der Bande geraten, zunächst mit ihren Gefangenen
davonzufahren. Zwei der Kerls schwangen sich auf den Bock und zwei andere
schoben die Barone wieder in den Wagen und setzten sich zu ihnen.

"KouAö on noir, mon aller? ()ne 6ne8 vous?" Baron Alexander
drückte die Hand seines Sohnes. "Um dich tat es mir leid!"

Herzlich erwiderte Paul die spontane Zärtlichkeit des Vaters.

"Ich habe dich nie gekannt, bis heute, Papi!"

Und eine ganze Weile ruhten die Hände der Männer ineinander. Dann
führte der alte Baron wieder seine Zigarette zum Munde. In gelassenen Zügen
zog er den Rauch ein und blies ihn von sich.

So saßen sie schweigend und fragten nicht nach Ziel und Richtung der
nächtlichen Fahrt. . .

(Fortsetzung folgt)


Sturm

„Danke!" Ein Streichholz flammte auf und beschien für einige Momente
die abenteuerliche Szene. Paul von der Borke stand, die Hände in den Mantel¬
taschen und den Kragen hochgeklappt, schweigend da. Maddis war vom Bock
geklettert und zitterte an allen Gliedern vor Angst. Er sah die Gewehre und
Revolver in den schwarzen Fäusten der Gesellen und bebte um das Leben seiner
Herren.

„Was wollt ihr denn?" fragte er weinerlich. „Die Barone hier kommen
eben vom Ausland. Haben euch nichts getan. Geht, macht keine Spähne —
laßt uns fahren!"

„Halts Maul, altes Waschweib. Du weißt viel, was ein Baron sür eine
Bestie ist. Dir ist nicht wohl, wenn du nicht dienen kannst. Marsch, ab —
geh deiner Wege. Wirst du woll!"

Einer der Kerle hatte die Peitsche genommen und schlug sie dem Kutscher
um die Beine. Da trat Baron Alexander dazwischen:

„Lassen Sie den alten Mann! Maddis — geh ruhig nach Hause!"

Der Alte rang die Hände und schluchzte laut auf. Nur zögernd und gedrängt
und gestoßen ging er von dannen.

„Dürfen wir nun Ihre Absichten erfahren?" fragte Herr von der Borke.

„Ich nehme an, daß wir durch irgend etwas Ihr Mißfallen erregt haben.
Sprechen Sie sich aus!"

„Gebt ihm eins aufs Maul, dem Schwätzer. Dann weiß er, was wir wollen!"

„Angst soll er kriegen, daß ihm die Zähne klappern!"

„Hängt ihn auf — den deutscheu Blutsauger, und den anderen dazu."

„Dann können sie Zigaretten rauchen so viel sie wollen."

So brüllten die Stimmen durcheinander.

„Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Kosaken unterwegs sind. Wenn
Sie sich nicht bald über unser Schicksal schlüssig sind, wird man unsere Unter¬
haltung stören!"

Die Worte des Barons machten Eindruck. Es waren tatsächlich Kosaken
gemeldet. Deshalb schien es der Bande geraten, zunächst mit ihren Gefangenen
davonzufahren. Zwei der Kerls schwangen sich auf den Bock und zwei andere
schoben die Barone wieder in den Wagen und setzten sich zu ihnen.

„KouAö on noir, mon aller? ()ne 6ne8 vous?" Baron Alexander
drückte die Hand seines Sohnes. „Um dich tat es mir leid!"

Herzlich erwiderte Paul die spontane Zärtlichkeit des Vaters.

„Ich habe dich nie gekannt, bis heute, Papi!"

Und eine ganze Weile ruhten die Hände der Männer ineinander. Dann
führte der alte Baron wieder seine Zigarette zum Munde. In gelassenen Zügen
zog er den Rauch ein und blies ihn von sich.

So saßen sie schweigend und fragten nicht nach Ziel und Richtung der
nächtlichen Fahrt. . .

(Fortsetzung folgt)


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[0384] Sturm „Danke!" Ein Streichholz flammte auf und beschien für einige Momente die abenteuerliche Szene. Paul von der Borke stand, die Hände in den Mantel¬ taschen und den Kragen hochgeklappt, schweigend da. Maddis war vom Bock geklettert und zitterte an allen Gliedern vor Angst. Er sah die Gewehre und Revolver in den schwarzen Fäusten der Gesellen und bebte um das Leben seiner Herren. „Was wollt ihr denn?" fragte er weinerlich. „Die Barone hier kommen eben vom Ausland. Haben euch nichts getan. Geht, macht keine Spähne — laßt uns fahren!" „Halts Maul, altes Waschweib. Du weißt viel, was ein Baron sür eine Bestie ist. Dir ist nicht wohl, wenn du nicht dienen kannst. Marsch, ab — geh deiner Wege. Wirst du woll!" Einer der Kerle hatte die Peitsche genommen und schlug sie dem Kutscher um die Beine. Da trat Baron Alexander dazwischen: „Lassen Sie den alten Mann! Maddis — geh ruhig nach Hause!" Der Alte rang die Hände und schluchzte laut auf. Nur zögernd und gedrängt und gestoßen ging er von dannen. „Dürfen wir nun Ihre Absichten erfahren?" fragte Herr von der Borke. „Ich nehme an, daß wir durch irgend etwas Ihr Mißfallen erregt haben. Sprechen Sie sich aus!" „Gebt ihm eins aufs Maul, dem Schwätzer. Dann weiß er, was wir wollen!" „Angst soll er kriegen, daß ihm die Zähne klappern!" „Hängt ihn auf — den deutscheu Blutsauger, und den anderen dazu." „Dann können sie Zigaretten rauchen so viel sie wollen." So brüllten die Stimmen durcheinander. „Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Kosaken unterwegs sind. Wenn Sie sich nicht bald über unser Schicksal schlüssig sind, wird man unsere Unter¬ haltung stören!" Die Worte des Barons machten Eindruck. Es waren tatsächlich Kosaken gemeldet. Deshalb schien es der Bande geraten, zunächst mit ihren Gefangenen davonzufahren. Zwei der Kerls schwangen sich auf den Bock und zwei andere schoben die Barone wieder in den Wagen und setzten sich zu ihnen. „KouAö on noir, mon aller? ()ne 6ne8 vous?" Baron Alexander drückte die Hand seines Sohnes. „Um dich tat es mir leid!" Herzlich erwiderte Paul die spontane Zärtlichkeit des Vaters. „Ich habe dich nie gekannt, bis heute, Papi!" Und eine ganze Weile ruhten die Hände der Männer ineinander. Dann führte der alte Baron wieder seine Zigarette zum Munde. In gelassenen Zügen zog er den Rauch ein und blies ihn von sich. So saßen sie schweigend und fragten nicht nach Ziel und Richtung der nächtlichen Fahrt. . . (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/384>, abgerufen am 28.12.2024.