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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der modernen Arbeiterbewegung

ouvrer" (einfach: Lommi88ion sMäicale) errichtet. Grundsätzliche Bedingung
dieser Zentrale sollte sein, nur Organisationen anzugliedern, welche auf dem
Boden der sozialistischen Arbeiterbewegung stehen. Trotz dieser Bedingung fanden
einige größere neutrale Organisationen, wie die "^eäsrutlon cZu livro" (Buch¬
arbeiter), die "Union vsrriöre" (Glasarbeiter) und das "LyncilLat ach Oan-
tiers" (Handschuhmacher) ihren Anschluß. nennenswerte belgische Organisationen
sind hier u. a. der im Jahre 1885 von einer Reihe von Fachvereinen der
Metallindustrie gegründete Metallarbeiterverband (t^ecleration nationale ms-
tallul-Zique) mit 1906: 7400 und 1911: 14000 Mitgliedern, der im Jahre
1906 gegründete "Belgische Bauarbeiterverband" und der "Belgische Buch¬
druckerverband".

Mit Ausnahme des "Diamantarbeiterverbandes" (auch Diamantarbeiter¬
bund), dessen Mitgliederzahl von 7700 im Jahre 1906 auf 9775 im Jahre 1911
stieg, trugen bis vor wenigen Jahren alle Gewerkschaften der Niederlande mehr
oder weniger den Charakter loser Verbindungen örtlicher Fachvereine. Auf
Veranlassung des Diamantarbeiterverbandes wurde auch am 26. Februar 1905
zu Amsterdam die Zentrale der niederländischen Gewerkschaften der .Mäer-
langen Val donet van VaKvereeniZinZen" ins Leben gerufen, deren Grund¬
prinzip, die beständige organisierte Mitwirkung im industriellen und wirtschaft¬
lichen Interesse sein sollte. Von der Arbeiterschaft der Niederlande sowie von
derjenigen Belgiens ist zu bemerken, daß bei dem größten Teile derselben noch
vielfach das Bewußtsein, dauernd einer Gewerkschaft anzugehören, fehlt.

Die moderne Gewerkschaftsbewegung Finnlands datiert seit dem General¬
streik im Jahre 1905. Vor dieser Zeit und besonders in der Periode von
1899 bis 1904 war infolge der herrschenden russischen polizeilichen Willkür jede
Entwicklung der Arbeitervereinigungen geradezu undenkbar. Auf Anregung von
sozialistischer Seite erfolgte auf dem Kongreß zu Tammerfors vom 15. bis
17. April 1907 die Errichtung der finnischen "Landesorganisation" der Gewerk¬
schaften. Größere Verbände innerhalb dieser Zentrale bilden die Holzarbeiter,
Papierarbeiter, Schneider, Sägemühlenarbeiter sowie die Arbeiter des Straßen-
und Wafserbaues.

Es folgen nunmehr noch die Länder, wo der Sozialismus nur in unter¬
geordneter Weise in der Arbeiterbewegung auftritt.

In der Mitte des Jahres 1905 wurde von einer Anzahl amerikanischer
Arbeitervereinigungen auf Veranlassung der vom sozialistischen Geiste durch¬
wehten "Westlichen Föderation der Minenarbeiter" eine Zentralisatron unter
dem Namen "Juan8trat WorKe^ ok tre V/orlll" (Industriearbeiter der Welt)
ins Leben gerufen, die im Gegensatze zu der reingewerkschaftlichen "^mei'iLan
^ecieration c"f I^abor" sich politisch betätigen sollte. An der Gründung waren
beteiligt außer der "Westlichen Föderation der Minenarbeiter" der "Holzfäller¬
und Sägemüller-Verein in Butte" (Montana), der "Jndustriearbeitcrklub von
Cincinnati", der "Jndustriearbeiterverein von Pueblo", die "Bruderschaft der


Zur Geschichte der modernen Arbeiterbewegung

ouvrer" (einfach: Lommi88ion sMäicale) errichtet. Grundsätzliche Bedingung
dieser Zentrale sollte sein, nur Organisationen anzugliedern, welche auf dem
Boden der sozialistischen Arbeiterbewegung stehen. Trotz dieser Bedingung fanden
einige größere neutrale Organisationen, wie die „^eäsrutlon cZu livro" (Buch¬
arbeiter), die „Union vsrriöre" (Glasarbeiter) und das „LyncilLat ach Oan-
tiers" (Handschuhmacher) ihren Anschluß. nennenswerte belgische Organisationen
sind hier u. a. der im Jahre 1885 von einer Reihe von Fachvereinen der
Metallindustrie gegründete Metallarbeiterverband (t^ecleration nationale ms-
tallul-Zique) mit 1906: 7400 und 1911: 14000 Mitgliedern, der im Jahre
1906 gegründete „Belgische Bauarbeiterverband" und der „Belgische Buch¬
druckerverband".

Mit Ausnahme des „Diamantarbeiterverbandes" (auch Diamantarbeiter¬
bund), dessen Mitgliederzahl von 7700 im Jahre 1906 auf 9775 im Jahre 1911
stieg, trugen bis vor wenigen Jahren alle Gewerkschaften der Niederlande mehr
oder weniger den Charakter loser Verbindungen örtlicher Fachvereine. Auf
Veranlassung des Diamantarbeiterverbandes wurde auch am 26. Februar 1905
zu Amsterdam die Zentrale der niederländischen Gewerkschaften der .Mäer-
langen Val donet van VaKvereeniZinZen" ins Leben gerufen, deren Grund¬
prinzip, die beständige organisierte Mitwirkung im industriellen und wirtschaft¬
lichen Interesse sein sollte. Von der Arbeiterschaft der Niederlande sowie von
derjenigen Belgiens ist zu bemerken, daß bei dem größten Teile derselben noch
vielfach das Bewußtsein, dauernd einer Gewerkschaft anzugehören, fehlt.

Die moderne Gewerkschaftsbewegung Finnlands datiert seit dem General¬
streik im Jahre 1905. Vor dieser Zeit und besonders in der Periode von
1899 bis 1904 war infolge der herrschenden russischen polizeilichen Willkür jede
Entwicklung der Arbeitervereinigungen geradezu undenkbar. Auf Anregung von
sozialistischer Seite erfolgte auf dem Kongreß zu Tammerfors vom 15. bis
17. April 1907 die Errichtung der finnischen „Landesorganisation" der Gewerk¬
schaften. Größere Verbände innerhalb dieser Zentrale bilden die Holzarbeiter,
Papierarbeiter, Schneider, Sägemühlenarbeiter sowie die Arbeiter des Straßen-
und Wafserbaues.

Es folgen nunmehr noch die Länder, wo der Sozialismus nur in unter¬
geordneter Weise in der Arbeiterbewegung auftritt.

In der Mitte des Jahres 1905 wurde von einer Anzahl amerikanischer
Arbeitervereinigungen auf Veranlassung der vom sozialistischen Geiste durch¬
wehten „Westlichen Föderation der Minenarbeiter" eine Zentralisatron unter
dem Namen „Juan8trat WorKe^ ok tre V/orlll" (Industriearbeiter der Welt)
ins Leben gerufen, die im Gegensatze zu der reingewerkschaftlichen „^mei'iLan
^ecieration c»f I^abor" sich politisch betätigen sollte. An der Gründung waren
beteiligt außer der „Westlichen Föderation der Minenarbeiter" der „Holzfäller¬
und Sägemüller-Verein in Butte" (Montana), der „Jndustriearbeitcrklub von
Cincinnati", der „Jndustriearbeiterverein von Pueblo", die „Bruderschaft der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/37>, abgerufen am 28.12.2024.