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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

auf dem Kirchhof der französischen Kolonie,
den der alte Grandidier macht, als ihm das
Glück seines Hauses zusammenzustürzen scheint;
und künstlerisch sehr fein führt Rodenberg als
Blickpunkt des Ganzen immer wieder das
Denkmal des Großen Kurfürsten ein, Schlüters
Erzbild des Mannes, dem die Kolonie ihre
gastliche Aufnahme in Preußischen Landen ver¬
dankt. Das Buch aus einem heute fast ver¬
sunkenen Berlin heraus, natürlich von einem
gebürtigen Nichtberliner geschrieben, hat schon
die verschönerte Palma eines geschichtlichen
Romans überkommen und trägt die Gewähr
seiner Dauer in sich.

Dr. Heinrich Spiero

Als im Vorjahre Wilhelm Münch, der den
Lesern der Grenzboten durch seine geistvollen
Aufsätze bekannte Berliner Pädagoge, aus dem
Leben schied, habe ich versucht, auf wenigen
Seiten eine Skizze seines Wesens zu ent¬
werfen (1912, Ur. 24). Heute wird ein kleiner
Nachtrag gestattet sein. Denn in diesen Tagen
erhielt die Gemeinde nachdenklicher Leute, die
in den Schriften des Heimgegangenen den
Spuren seiner reichen Innerlichkeit nachzu¬

[Spaltenumbruch]

gehen für wertvoll hält, ein unerwartetes Ge¬
schenk in dem kleinen, als Handschrift ge¬
druckten Büchlein "Verse und Märchen" von.
Wilhelnr Münch, das einer seiner Freunde,
Geh. Regierungsrat Prof. Dr. I. Jmelmann,
den Verehrern dieses Mannes widmet. Es-
sind anspruchslose Gelegenheitsgedichte, zurru
Jahreswechsel, zum Geburtstage nahestehender
Freunde, dann ein Paar feine Übersetzungen,
englischer, französischer, italienischer Dichtungen,,
aber daneben auch einige ganz persönliche
Lieder und drei kleine Märchendichtungen,
Wohl romantisch verklärte Deutungen eigenen
Erlebnisses. Mit ihrer wehmütigen, aber
nicht mutlosen Betrachtung des Menschen¬
daseins, ihrem leisen Humor, der auch in der
gewählten Form der Gedichte sein Spiel treibt,,
treten diese kleinen Poetischen Gaben an die'
Seite der Aphorismen und so mancher Wen¬
dung in den Erzählungen und den Essays
als Selbstzeugnisse eines liebenswürdigen,
Menschen, der alle Erfahrungen und auch die
Enttäuschungen seines langen Lebens im Ausbau
seines Wesens ins Positive zu wenden wußte.
Dr. N). M. Becker

[Ende Spaltensatz]


Maßgebliches und Unmaßgebliches

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auf dem Kirchhof der französischen Kolonie,
den der alte Grandidier macht, als ihm das
Glück seines Hauses zusammenzustürzen scheint;
und künstlerisch sehr fein führt Rodenberg als
Blickpunkt des Ganzen immer wieder das
Denkmal des Großen Kurfürsten ein, Schlüters
Erzbild des Mannes, dem die Kolonie ihre
gastliche Aufnahme in Preußischen Landen ver¬
dankt. Das Buch aus einem heute fast ver¬
sunkenen Berlin heraus, natürlich von einem
gebürtigen Nichtberliner geschrieben, hat schon
die verschönerte Palma eines geschichtlichen
Romans überkommen und trägt die Gewähr
seiner Dauer in sich.

Dr. Heinrich Spiero

Als im Vorjahre Wilhelm Münch, der den
Lesern der Grenzboten durch seine geistvollen
Aufsätze bekannte Berliner Pädagoge, aus dem
Leben schied, habe ich versucht, auf wenigen
Seiten eine Skizze seines Wesens zu ent¬
werfen (1912, Ur. 24). Heute wird ein kleiner
Nachtrag gestattet sein. Denn in diesen Tagen
erhielt die Gemeinde nachdenklicher Leute, die
in den Schriften des Heimgegangenen den
Spuren seiner reichen Innerlichkeit nachzu¬

[Spaltenumbruch]

gehen für wertvoll hält, ein unerwartetes Ge¬
schenk in dem kleinen, als Handschrift ge¬
druckten Büchlein „Verse und Märchen" von.
Wilhelnr Münch, das einer seiner Freunde,
Geh. Regierungsrat Prof. Dr. I. Jmelmann,
den Verehrern dieses Mannes widmet. Es-
sind anspruchslose Gelegenheitsgedichte, zurru
Jahreswechsel, zum Geburtstage nahestehender
Freunde, dann ein Paar feine Übersetzungen,
englischer, französischer, italienischer Dichtungen,,
aber daneben auch einige ganz persönliche
Lieder und drei kleine Märchendichtungen,
Wohl romantisch verklärte Deutungen eigenen
Erlebnisses. Mit ihrer wehmütigen, aber
nicht mutlosen Betrachtung des Menschen¬
daseins, ihrem leisen Humor, der auch in der
gewählten Form der Gedichte sein Spiel treibt,,
treten diese kleinen Poetischen Gaben an die'
Seite der Aphorismen und so mancher Wen¬
dung in den Erzählungen und den Essays
als Selbstzeugnisse eines liebenswürdigen,
Menschen, der alle Erfahrungen und auch die
Enttäuschungen seines langen Lebens im Ausbau
seines Wesens ins Positive zu wenden wußte.
Dr. N). M. Becker

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[0346] Maßgebliches und Unmaßgebliches auf dem Kirchhof der französischen Kolonie, den der alte Grandidier macht, als ihm das Glück seines Hauses zusammenzustürzen scheint; und künstlerisch sehr fein führt Rodenberg als Blickpunkt des Ganzen immer wieder das Denkmal des Großen Kurfürsten ein, Schlüters Erzbild des Mannes, dem die Kolonie ihre gastliche Aufnahme in Preußischen Landen ver¬ dankt. Das Buch aus einem heute fast ver¬ sunkenen Berlin heraus, natürlich von einem gebürtigen Nichtberliner geschrieben, hat schon die verschönerte Palma eines geschichtlichen Romans überkommen und trägt die Gewähr seiner Dauer in sich. Dr. Heinrich Spiero Als im Vorjahre Wilhelm Münch, der den Lesern der Grenzboten durch seine geistvollen Aufsätze bekannte Berliner Pädagoge, aus dem Leben schied, habe ich versucht, auf wenigen Seiten eine Skizze seines Wesens zu ent¬ werfen (1912, Ur. 24). Heute wird ein kleiner Nachtrag gestattet sein. Denn in diesen Tagen erhielt die Gemeinde nachdenklicher Leute, die in den Schriften des Heimgegangenen den Spuren seiner reichen Innerlichkeit nachzu¬ gehen für wertvoll hält, ein unerwartetes Ge¬ schenk in dem kleinen, als Handschrift ge¬ druckten Büchlein „Verse und Märchen" von. Wilhelnr Münch, das einer seiner Freunde, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. I. Jmelmann, den Verehrern dieses Mannes widmet. Es- sind anspruchslose Gelegenheitsgedichte, zurru Jahreswechsel, zum Geburtstage nahestehender Freunde, dann ein Paar feine Übersetzungen, englischer, französischer, italienischer Dichtungen,, aber daneben auch einige ganz persönliche Lieder und drei kleine Märchendichtungen, Wohl romantisch verklärte Deutungen eigenen Erlebnisses. Mit ihrer wehmütigen, aber nicht mutlosen Betrachtung des Menschen¬ daseins, ihrem leisen Humor, der auch in der gewählten Form der Gedichte sein Spiel treibt,, treten diese kleinen Poetischen Gaben an die' Seite der Aphorismen und so mancher Wen¬ dung in den Erzählungen und den Essays als Selbstzeugnisse eines liebenswürdigen, Menschen, der alle Erfahrungen und auch die Enttäuschungen seines langen Lebens im Ausbau seines Wesens ins Positive zu wenden wußte. Dr. N). M. Becker

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/346>, abgerufen am 19.10.2024.