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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Zur Befriedigung des alten Herrn verebbte das Feuer auch bald und die
Mannschaften sammelten sich. Als einer der letzten kam Manteuffel an. Er
hatte sein Taschentuch um die blutige Hand gewickelt, was seine Fröhlichkeit
aber nicht im geringsten dämpfte.

"Wie die Hasen sind sie in den Wald gerannt. Ich war ihnen dicht auf
den Fersen. Der Kerl auf dem Pferd hat noch in letzter Minute dran glauben
müssen!"

Der Dragoneroffizier trat herzu: "Das war die erste richtige Schlacht in
diesem Feldzug! Sechs Mann fehlen mir. Wir müssen Fackeln schaffen!"

"Das einfachste ist: wir schicken nach Sternburg. Es ist nur eine halbe
Stunde bis dahin!"

"Ah -- Herr von Wenkendorff selbst?" fragte der Offizier und schlug
klirrend die Hacken zusammen. "Eigentlich wollten wir gestern abend schon bei
Ihnen sein. Hol der Teufel den Kerl, der uns in die Irre geführt hat!
Quer durch den Wald ging es, wir mußten schließlich absitzen, so dicht wurde
das Unterholz, und wir waren froh, als wir schließlich beim Krug von Borküll
rauskamen!"

"So haben Sie doppelten Nutzen gestiftet: Sternburg und Borküll sind
gerettet!"

Des Freiherrn Hand tastete nach der des Offiziers, was bei der Dunkelheit
nicht gerade leicht war. Man begrüßte sich herzlichst.

Von Sternburg her kamen jetzt Leute mit Laternen über das Feld.

"Das wird Sandberg sein!" frohlockte Evi und rief seinen Namen in
die Nacht.

"Ja, Sandberg behält immer seinen Kopf. Er wird sich den Zusammen¬
hang schon gedacht haben!" meinte der Vater und setzte sich mit den anderen
in Bewegung, um den Lichtern entgegenzureiten.

Der Förster war es nicht, sondern Doktor Schlosser mit einem halben
Dutzend Bauern aus dem nahen Dorf.

"Ich bin vor einer halben Stunde erst nach Hause gekommen -- ahnungs¬
los, daß hier Mord und Totschlag ist. Was -- Evi! Du hier? Und Herr
von Wenkendorff zu Pferde?"

"Sie kommen wie gerufen! Es gibt Arbeit für Sie. Hier -- Herr von Man¬
teuffel blutet und sechs Dragoner liegen irgendwo in der Nacht."

Unter Führung des Offiziers begann man jetzt den Kampfplatz" abzu¬
suchen. Man rief und bekam Antwort. Ein Verwundeter nach dem anderen
wurde herangebracht.

"Gottlob, bis jetzt nur Fleischwunden!" sagte Doktor Schlosser, der hinter
dem Schober bei dem Licht weniger Laternen ein fliegendes Lazarett eingerichtet
hatte. Die Junker opferten bereitwilligst ihre Taschentücher und Hemden, und
eine Staffette sprengte nach Sternburg, um Tragbahren und richtiges Ver¬
bandzeug zu holen. "Bringen Sie Sandberg mit, Herr von Rehren. Und


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Zur Befriedigung des alten Herrn verebbte das Feuer auch bald und die
Mannschaften sammelten sich. Als einer der letzten kam Manteuffel an. Er
hatte sein Taschentuch um die blutige Hand gewickelt, was seine Fröhlichkeit
aber nicht im geringsten dämpfte.

„Wie die Hasen sind sie in den Wald gerannt. Ich war ihnen dicht auf
den Fersen. Der Kerl auf dem Pferd hat noch in letzter Minute dran glauben
müssen!"

Der Dragoneroffizier trat herzu: „Das war die erste richtige Schlacht in
diesem Feldzug! Sechs Mann fehlen mir. Wir müssen Fackeln schaffen!"

„Das einfachste ist: wir schicken nach Sternburg. Es ist nur eine halbe
Stunde bis dahin!"

„Ah — Herr von Wenkendorff selbst?" fragte der Offizier und schlug
klirrend die Hacken zusammen. „Eigentlich wollten wir gestern abend schon bei
Ihnen sein. Hol der Teufel den Kerl, der uns in die Irre geführt hat!
Quer durch den Wald ging es, wir mußten schließlich absitzen, so dicht wurde
das Unterholz, und wir waren froh, als wir schließlich beim Krug von Borküll
rauskamen!"

„So haben Sie doppelten Nutzen gestiftet: Sternburg und Borküll sind
gerettet!"

Des Freiherrn Hand tastete nach der des Offiziers, was bei der Dunkelheit
nicht gerade leicht war. Man begrüßte sich herzlichst.

Von Sternburg her kamen jetzt Leute mit Laternen über das Feld.

„Das wird Sandberg sein!" frohlockte Evi und rief seinen Namen in
die Nacht.

„Ja, Sandberg behält immer seinen Kopf. Er wird sich den Zusammen¬
hang schon gedacht haben!" meinte der Vater und setzte sich mit den anderen
in Bewegung, um den Lichtern entgegenzureiten.

Der Förster war es nicht, sondern Doktor Schlosser mit einem halben
Dutzend Bauern aus dem nahen Dorf.

„Ich bin vor einer halben Stunde erst nach Hause gekommen — ahnungs¬
los, daß hier Mord und Totschlag ist. Was — Evi! Du hier? Und Herr
von Wenkendorff zu Pferde?"

„Sie kommen wie gerufen! Es gibt Arbeit für Sie. Hier — Herr von Man¬
teuffel blutet und sechs Dragoner liegen irgendwo in der Nacht."

Unter Führung des Offiziers begann man jetzt den Kampfplatz" abzu¬
suchen. Man rief und bekam Antwort. Ein Verwundeter nach dem anderen
wurde herangebracht.

„Gottlob, bis jetzt nur Fleischwunden!" sagte Doktor Schlosser, der hinter
dem Schober bei dem Licht weniger Laternen ein fliegendes Lazarett eingerichtet
hatte. Die Junker opferten bereitwilligst ihre Taschentücher und Hemden, und
eine Staffette sprengte nach Sternburg, um Tragbahren und richtiges Ver¬
bandzeug zu holen. „Bringen Sie Sandberg mit, Herr von Rehren. Und


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[0330] ?turn Zur Befriedigung des alten Herrn verebbte das Feuer auch bald und die Mannschaften sammelten sich. Als einer der letzten kam Manteuffel an. Er hatte sein Taschentuch um die blutige Hand gewickelt, was seine Fröhlichkeit aber nicht im geringsten dämpfte. „Wie die Hasen sind sie in den Wald gerannt. Ich war ihnen dicht auf den Fersen. Der Kerl auf dem Pferd hat noch in letzter Minute dran glauben müssen!" Der Dragoneroffizier trat herzu: „Das war die erste richtige Schlacht in diesem Feldzug! Sechs Mann fehlen mir. Wir müssen Fackeln schaffen!" „Das einfachste ist: wir schicken nach Sternburg. Es ist nur eine halbe Stunde bis dahin!" „Ah — Herr von Wenkendorff selbst?" fragte der Offizier und schlug klirrend die Hacken zusammen. „Eigentlich wollten wir gestern abend schon bei Ihnen sein. Hol der Teufel den Kerl, der uns in die Irre geführt hat! Quer durch den Wald ging es, wir mußten schließlich absitzen, so dicht wurde das Unterholz, und wir waren froh, als wir schließlich beim Krug von Borküll rauskamen!" „So haben Sie doppelten Nutzen gestiftet: Sternburg und Borküll sind gerettet!" Des Freiherrn Hand tastete nach der des Offiziers, was bei der Dunkelheit nicht gerade leicht war. Man begrüßte sich herzlichst. Von Sternburg her kamen jetzt Leute mit Laternen über das Feld. „Das wird Sandberg sein!" frohlockte Evi und rief seinen Namen in die Nacht. „Ja, Sandberg behält immer seinen Kopf. Er wird sich den Zusammen¬ hang schon gedacht haben!" meinte der Vater und setzte sich mit den anderen in Bewegung, um den Lichtern entgegenzureiten. Der Förster war es nicht, sondern Doktor Schlosser mit einem halben Dutzend Bauern aus dem nahen Dorf. „Ich bin vor einer halben Stunde erst nach Hause gekommen — ahnungs¬ los, daß hier Mord und Totschlag ist. Was — Evi! Du hier? Und Herr von Wenkendorff zu Pferde?" „Sie kommen wie gerufen! Es gibt Arbeit für Sie. Hier — Herr von Man¬ teuffel blutet und sechs Dragoner liegen irgendwo in der Nacht." Unter Führung des Offiziers begann man jetzt den Kampfplatz" abzu¬ suchen. Man rief und bekam Antwort. Ein Verwundeter nach dem anderen wurde herangebracht. „Gottlob, bis jetzt nur Fleischwunden!" sagte Doktor Schlosser, der hinter dem Schober bei dem Licht weniger Laternen ein fliegendes Lazarett eingerichtet hatte. Die Junker opferten bereitwilligst ihre Taschentücher und Hemden, und eine Staffette sprengte nach Sternburg, um Tragbahren und richtiges Ver¬ bandzeug zu holen. „Bringen Sie Sandberg mit, Herr von Rehren. Und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/330>, abgerufen am 20.10.2024.