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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die gelbe Gefahr in Kalifornien

ficht, den dunklen Augen und dem schlichten tiefschwarzen Haar ist außer¬
ordentlich gescheit und spricht leidlich englisch, so daß ich seinen Ausführungen
sehr wohl folgen kann. Er kam als halbes Kind von Nipon hier herüber und
besuchte die Schule von unten auf. bis er sich endlich in den Hörsälen der Uni¬
versität befand.

Das mysteriös orientalische Lächeln ist von dem Gesicht des Japaners ver¬
schwunden, die gelben Wangen zeigen eine Spur von der Röte, wie sie das
Gefühl der Entrüstung zu verleihen pflegen.

"Wie Sie wissen, Herr Professor, hielt sich Japan isoliert, bis es endlich
auf Veranlassung der Amerikaner aus sich heraustrat und nach kurzer Arbeit
seinen Platz unter den zivilisierten Nationen der Welt einnahm. Wie für uns
der Fusijama das Symbol der Kraft ist. so blicken wir zu Arete Sam auf wie zu
einem Vater, dem Vorbilde für die Schöpfung des neuen Japan. Deswegen er¬
scheint uns George Washington mindestens ebenso verehrungswürdig wie Konfuzius,
Brahma oder gar Buddha, und wir beten zu Abraham Lincoln, dem Befreier
der Sklaven, dem Verkünder der Gleichheit der Schwarzen, jener Gleichheit, die
uns unglücklichen Asiaten in diesem gesegneten Lande versagt werden soll.

Viele von uns haben ihre Knie gebeugt vor Gott dem Vater und seinem
Sohn, und die Missionare, jene Mittler zwischen den beiden und uns, die aus
diesem Lande zu uns kamen, um uns zu "bekehren", rühmten das Land der
Freiheit und der Brüderlichkeit und sagten uns. daß es das einzige Land der
Erde sei, in dem völlige Gleichheit herrsche. Sie haben uns schändlich belogen;
denn heute mehr als zuvor haben wir erfahren, was das Wort "Color-line"
in Kalifornien bedeutet, wo der gesetzgebende Körper des Goldenen Staates uns
verbietet, in seinen Grenzen Land zu kaufen und uns mit dem schlechten Trost
einer Erlaubnis für dreijährige Landpachtungen abspeist, uns wie dem Hunde
einen Knochen hinwirft. Jawohl, jene Geistlichen haben uns belogen; denn
wir werden hier behandelt wie die Hunde!

Ob wir den Kampf aufgeben und in das Land unserer Geburt zurückkehren
wollen? -- Warum denn? Man kann ja hier so viel mehr Geld verdienen,
wie in dem kleinen überfüllten Inselreich unserer Väter. Die angenommene
Bill richtet sich gegen den Landerwerb von Ausländern. Wir aber werden hier
eben keine Ausländer bleiben, sondern das amerikanische Bürgerrecht erwerben.
-- Wie denn das? fragen Sie, verehrter Herr Professor aus Deutschland. Das
wird sehr einfach zu machen sein. Kein Mongole kann hier Bürger werden.
Das ist ja ganz schön und mag für unsere chinesischen Vettern gelten, nicht
aber für uns; denn wir sind überhaupt keine Mongolen, sondern eine Mischung
von Mongolen, Malayen und einem semitisch-kaukasischen Volksstamm, der sich
vor Jahrtausenden unter uns niederließ. Wenn wir aber keine Mongolen sind,
dann kann man uns das amerikanische Bürgerpapier nicht verweigern."

Ein Funken der bekannten japanischen Schlauheit blitzte in diesem Augen¬
blick aus den schwarzen Augen, und es erschien wieder jenes mysteriös uner-


Die gelbe Gefahr in Kalifornien

ficht, den dunklen Augen und dem schlichten tiefschwarzen Haar ist außer¬
ordentlich gescheit und spricht leidlich englisch, so daß ich seinen Ausführungen
sehr wohl folgen kann. Er kam als halbes Kind von Nipon hier herüber und
besuchte die Schule von unten auf. bis er sich endlich in den Hörsälen der Uni¬
versität befand.

Das mysteriös orientalische Lächeln ist von dem Gesicht des Japaners ver¬
schwunden, die gelben Wangen zeigen eine Spur von der Röte, wie sie das
Gefühl der Entrüstung zu verleihen pflegen.

„Wie Sie wissen, Herr Professor, hielt sich Japan isoliert, bis es endlich
auf Veranlassung der Amerikaner aus sich heraustrat und nach kurzer Arbeit
seinen Platz unter den zivilisierten Nationen der Welt einnahm. Wie für uns
der Fusijama das Symbol der Kraft ist. so blicken wir zu Arete Sam auf wie zu
einem Vater, dem Vorbilde für die Schöpfung des neuen Japan. Deswegen er¬
scheint uns George Washington mindestens ebenso verehrungswürdig wie Konfuzius,
Brahma oder gar Buddha, und wir beten zu Abraham Lincoln, dem Befreier
der Sklaven, dem Verkünder der Gleichheit der Schwarzen, jener Gleichheit, die
uns unglücklichen Asiaten in diesem gesegneten Lande versagt werden soll.

Viele von uns haben ihre Knie gebeugt vor Gott dem Vater und seinem
Sohn, und die Missionare, jene Mittler zwischen den beiden und uns, die aus
diesem Lande zu uns kamen, um uns zu „bekehren", rühmten das Land der
Freiheit und der Brüderlichkeit und sagten uns. daß es das einzige Land der
Erde sei, in dem völlige Gleichheit herrsche. Sie haben uns schändlich belogen;
denn heute mehr als zuvor haben wir erfahren, was das Wort „Color-line"
in Kalifornien bedeutet, wo der gesetzgebende Körper des Goldenen Staates uns
verbietet, in seinen Grenzen Land zu kaufen und uns mit dem schlechten Trost
einer Erlaubnis für dreijährige Landpachtungen abspeist, uns wie dem Hunde
einen Knochen hinwirft. Jawohl, jene Geistlichen haben uns belogen; denn
wir werden hier behandelt wie die Hunde!

Ob wir den Kampf aufgeben und in das Land unserer Geburt zurückkehren
wollen? — Warum denn? Man kann ja hier so viel mehr Geld verdienen,
wie in dem kleinen überfüllten Inselreich unserer Väter. Die angenommene
Bill richtet sich gegen den Landerwerb von Ausländern. Wir aber werden hier
eben keine Ausländer bleiben, sondern das amerikanische Bürgerrecht erwerben.
— Wie denn das? fragen Sie, verehrter Herr Professor aus Deutschland. Das
wird sehr einfach zu machen sein. Kein Mongole kann hier Bürger werden.
Das ist ja ganz schön und mag für unsere chinesischen Vettern gelten, nicht
aber für uns; denn wir sind überhaupt keine Mongolen, sondern eine Mischung
von Mongolen, Malayen und einem semitisch-kaukasischen Volksstamm, der sich
vor Jahrtausenden unter uns niederließ. Wenn wir aber keine Mongolen sind,
dann kann man uns das amerikanische Bürgerpapier nicht verweigern."

Ein Funken der bekannten japanischen Schlauheit blitzte in diesem Augen¬
blick aus den schwarzen Augen, und es erschien wieder jenes mysteriös uner-


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[0327] Die gelbe Gefahr in Kalifornien ficht, den dunklen Augen und dem schlichten tiefschwarzen Haar ist außer¬ ordentlich gescheit und spricht leidlich englisch, so daß ich seinen Ausführungen sehr wohl folgen kann. Er kam als halbes Kind von Nipon hier herüber und besuchte die Schule von unten auf. bis er sich endlich in den Hörsälen der Uni¬ versität befand. Das mysteriös orientalische Lächeln ist von dem Gesicht des Japaners ver¬ schwunden, die gelben Wangen zeigen eine Spur von der Röte, wie sie das Gefühl der Entrüstung zu verleihen pflegen. „Wie Sie wissen, Herr Professor, hielt sich Japan isoliert, bis es endlich auf Veranlassung der Amerikaner aus sich heraustrat und nach kurzer Arbeit seinen Platz unter den zivilisierten Nationen der Welt einnahm. Wie für uns der Fusijama das Symbol der Kraft ist. so blicken wir zu Arete Sam auf wie zu einem Vater, dem Vorbilde für die Schöpfung des neuen Japan. Deswegen er¬ scheint uns George Washington mindestens ebenso verehrungswürdig wie Konfuzius, Brahma oder gar Buddha, und wir beten zu Abraham Lincoln, dem Befreier der Sklaven, dem Verkünder der Gleichheit der Schwarzen, jener Gleichheit, die uns unglücklichen Asiaten in diesem gesegneten Lande versagt werden soll. Viele von uns haben ihre Knie gebeugt vor Gott dem Vater und seinem Sohn, und die Missionare, jene Mittler zwischen den beiden und uns, die aus diesem Lande zu uns kamen, um uns zu „bekehren", rühmten das Land der Freiheit und der Brüderlichkeit und sagten uns. daß es das einzige Land der Erde sei, in dem völlige Gleichheit herrsche. Sie haben uns schändlich belogen; denn heute mehr als zuvor haben wir erfahren, was das Wort „Color-line" in Kalifornien bedeutet, wo der gesetzgebende Körper des Goldenen Staates uns verbietet, in seinen Grenzen Land zu kaufen und uns mit dem schlechten Trost einer Erlaubnis für dreijährige Landpachtungen abspeist, uns wie dem Hunde einen Knochen hinwirft. Jawohl, jene Geistlichen haben uns belogen; denn wir werden hier behandelt wie die Hunde! Ob wir den Kampf aufgeben und in das Land unserer Geburt zurückkehren wollen? — Warum denn? Man kann ja hier so viel mehr Geld verdienen, wie in dem kleinen überfüllten Inselreich unserer Väter. Die angenommene Bill richtet sich gegen den Landerwerb von Ausländern. Wir aber werden hier eben keine Ausländer bleiben, sondern das amerikanische Bürgerrecht erwerben. — Wie denn das? fragen Sie, verehrter Herr Professor aus Deutschland. Das wird sehr einfach zu machen sein. Kein Mongole kann hier Bürger werden. Das ist ja ganz schön und mag für unsere chinesischen Vettern gelten, nicht aber für uns; denn wir sind überhaupt keine Mongolen, sondern eine Mischung von Mongolen, Malayen und einem semitisch-kaukasischen Volksstamm, der sich vor Jahrtausenden unter uns niederließ. Wenn wir aber keine Mongolen sind, dann kann man uns das amerikanische Bürgerpapier nicht verweigern." Ein Funken der bekannten japanischen Schlauheit blitzte in diesem Augen¬ blick aus den schwarzen Augen, und es erschien wieder jenes mysteriös uner-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/327>, abgerufen am 28.12.2024.