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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die gelbe Gefahr in Kalifornien

Die Japaner in den Vereinigten Staaten

Die Geschichte der japanischen Einwanderung in die Vereinigten Staaten
bietet interessante Einzelheiten. Es steht fest, daß bis zum Jahre 1868 von
einer solchen nicht die Rede sein konnte, weil die bis zu dem genannten Jahre
am Ruder befindliche Tokugawa-Dynastie eine jede Auswanderung bei Todes¬
strafe verbot. 1868 wurde das erwähnte Herrscherhaus vertrieben, und das
gegenwärtig noch regierende bestieg den Thron des ostasiatischen Jnselreiches.
Die neue, durchaus liberale, für orientalische Verhältnisse sogar revolutionäre
Regierung hob das Verbot gegen die Auswanderung auf. Der Export japanischer
Arbeiter wurde aber erst im Jahre 1885 legalisiert.

Schon ein Jahr nach dem Regierungswechsel, der in Japan Veränderungen
von weittragender Bedeutung herbeiführte, gingen dreiundsechzig Japaner nach
den Vereinigten Staaten. Die Einwanderung in das Land Arete sans wuchs
im Laufe der Jahre beständig an. bis sie endlich 1907 die verhältnismäßig
stattliche Höhe von zehn bis zwölftausend erreichte. Sie fiel dann infolge
eines Übereinkommens zwischen den Vereinigten Staaten und Japan, dem¬
zufolge keine japanischen Kukis mehr eingeführt werden sollten, so daß im Jahre
1911 nur etwas über viertausend Japaner in Amerika landeten. Augenblicklich
befinden sich etwa einhunderttausend Japaner in den Vereinigten Staaten, im
Verhältnis zu der europäischen Einwanderung also eine geradezu verschwindend
kleine Anzahl.


Die Japaner in Kalifornien

Die amerikanischen Häfen, welche japanische Einwanderer empfangen, sind
natürlich San Francisco, Seattle und Portland, Oregon. Bei weitem die
größte Anzahl der orientalischen Einwanderer fanden aber ihren Weg ins Land,
wo angeblich Milch und Honig fließt, durch das Goldene Tor und blieben,
wahrscheinlich auch aus Mangel an den nötigen Mitteln zur Weiterreise, in dem
Lande des Sonnenscheines sitzen. So wurde die japanische Bevölkerung Kali¬
forniens im Jahre 1910 auf fünfundfünfzigtausend, d. h. auf fünfund vierzig-
tausend Männer, sechstausend Frauen und viertausend Kinder geschätzt. Japaner
find heutzutage in allen Teilen des Staates zu finden, namentlich in und um
Los Angeles, d. h. in dem semitropischen Paradies, in welchem die herrlichsten
Südfrüchte gezogen werden, in San Francisco, wo sie zumeist als Dienstboten
beschäftigt sind, sowie in den überaus fruchtbaren Tälern von Sacramento, San
Joaquin, Santa Clara u. a.

Etwa die Hälfte der kalifornischen Japaner sind Landarbeiter. Sie waren
als solche bei den Farmern als zuverlässig und arbeitssam beliebt. Brauchte
doch der kalifornische Landwirt und Fruchtzüchter einen Ersatz für die Chinesen,
deren Anzahl nach dem sie betreffenden Ausschließungsgesetz vom Jahre 1882
stetig abnahm:. Weiße, auch nur leidlich taugliche Arbeitskräfte waren und sind


Die gelbe Gefahr in Kalifornien

Die Japaner in den Vereinigten Staaten

Die Geschichte der japanischen Einwanderung in die Vereinigten Staaten
bietet interessante Einzelheiten. Es steht fest, daß bis zum Jahre 1868 von
einer solchen nicht die Rede sein konnte, weil die bis zu dem genannten Jahre
am Ruder befindliche Tokugawa-Dynastie eine jede Auswanderung bei Todes¬
strafe verbot. 1868 wurde das erwähnte Herrscherhaus vertrieben, und das
gegenwärtig noch regierende bestieg den Thron des ostasiatischen Jnselreiches.
Die neue, durchaus liberale, für orientalische Verhältnisse sogar revolutionäre
Regierung hob das Verbot gegen die Auswanderung auf. Der Export japanischer
Arbeiter wurde aber erst im Jahre 1885 legalisiert.

Schon ein Jahr nach dem Regierungswechsel, der in Japan Veränderungen
von weittragender Bedeutung herbeiführte, gingen dreiundsechzig Japaner nach
den Vereinigten Staaten. Die Einwanderung in das Land Arete sans wuchs
im Laufe der Jahre beständig an. bis sie endlich 1907 die verhältnismäßig
stattliche Höhe von zehn bis zwölftausend erreichte. Sie fiel dann infolge
eines Übereinkommens zwischen den Vereinigten Staaten und Japan, dem¬
zufolge keine japanischen Kukis mehr eingeführt werden sollten, so daß im Jahre
1911 nur etwas über viertausend Japaner in Amerika landeten. Augenblicklich
befinden sich etwa einhunderttausend Japaner in den Vereinigten Staaten, im
Verhältnis zu der europäischen Einwanderung also eine geradezu verschwindend
kleine Anzahl.


Die Japaner in Kalifornien

Die amerikanischen Häfen, welche japanische Einwanderer empfangen, sind
natürlich San Francisco, Seattle und Portland, Oregon. Bei weitem die
größte Anzahl der orientalischen Einwanderer fanden aber ihren Weg ins Land,
wo angeblich Milch und Honig fließt, durch das Goldene Tor und blieben,
wahrscheinlich auch aus Mangel an den nötigen Mitteln zur Weiterreise, in dem
Lande des Sonnenscheines sitzen. So wurde die japanische Bevölkerung Kali¬
forniens im Jahre 1910 auf fünfundfünfzigtausend, d. h. auf fünfund vierzig-
tausend Männer, sechstausend Frauen und viertausend Kinder geschätzt. Japaner
find heutzutage in allen Teilen des Staates zu finden, namentlich in und um
Los Angeles, d. h. in dem semitropischen Paradies, in welchem die herrlichsten
Südfrüchte gezogen werden, in San Francisco, wo sie zumeist als Dienstboten
beschäftigt sind, sowie in den überaus fruchtbaren Tälern von Sacramento, San
Joaquin, Santa Clara u. a.

Etwa die Hälfte der kalifornischen Japaner sind Landarbeiter. Sie waren
als solche bei den Farmern als zuverlässig und arbeitssam beliebt. Brauchte
doch der kalifornische Landwirt und Fruchtzüchter einen Ersatz für die Chinesen,
deren Anzahl nach dem sie betreffenden Ausschließungsgesetz vom Jahre 1882
stetig abnahm:. Weiße, auch nur leidlich taugliche Arbeitskräfte waren und sind


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[0323] Die gelbe Gefahr in Kalifornien Die Japaner in den Vereinigten Staaten Die Geschichte der japanischen Einwanderung in die Vereinigten Staaten bietet interessante Einzelheiten. Es steht fest, daß bis zum Jahre 1868 von einer solchen nicht die Rede sein konnte, weil die bis zu dem genannten Jahre am Ruder befindliche Tokugawa-Dynastie eine jede Auswanderung bei Todes¬ strafe verbot. 1868 wurde das erwähnte Herrscherhaus vertrieben, und das gegenwärtig noch regierende bestieg den Thron des ostasiatischen Jnselreiches. Die neue, durchaus liberale, für orientalische Verhältnisse sogar revolutionäre Regierung hob das Verbot gegen die Auswanderung auf. Der Export japanischer Arbeiter wurde aber erst im Jahre 1885 legalisiert. Schon ein Jahr nach dem Regierungswechsel, der in Japan Veränderungen von weittragender Bedeutung herbeiführte, gingen dreiundsechzig Japaner nach den Vereinigten Staaten. Die Einwanderung in das Land Arete sans wuchs im Laufe der Jahre beständig an. bis sie endlich 1907 die verhältnismäßig stattliche Höhe von zehn bis zwölftausend erreichte. Sie fiel dann infolge eines Übereinkommens zwischen den Vereinigten Staaten und Japan, dem¬ zufolge keine japanischen Kukis mehr eingeführt werden sollten, so daß im Jahre 1911 nur etwas über viertausend Japaner in Amerika landeten. Augenblicklich befinden sich etwa einhunderttausend Japaner in den Vereinigten Staaten, im Verhältnis zu der europäischen Einwanderung also eine geradezu verschwindend kleine Anzahl. Die Japaner in Kalifornien Die amerikanischen Häfen, welche japanische Einwanderer empfangen, sind natürlich San Francisco, Seattle und Portland, Oregon. Bei weitem die größte Anzahl der orientalischen Einwanderer fanden aber ihren Weg ins Land, wo angeblich Milch und Honig fließt, durch das Goldene Tor und blieben, wahrscheinlich auch aus Mangel an den nötigen Mitteln zur Weiterreise, in dem Lande des Sonnenscheines sitzen. So wurde die japanische Bevölkerung Kali¬ forniens im Jahre 1910 auf fünfundfünfzigtausend, d. h. auf fünfund vierzig- tausend Männer, sechstausend Frauen und viertausend Kinder geschätzt. Japaner find heutzutage in allen Teilen des Staates zu finden, namentlich in und um Los Angeles, d. h. in dem semitropischen Paradies, in welchem die herrlichsten Südfrüchte gezogen werden, in San Francisco, wo sie zumeist als Dienstboten beschäftigt sind, sowie in den überaus fruchtbaren Tälern von Sacramento, San Joaquin, Santa Clara u. a. Etwa die Hälfte der kalifornischen Japaner sind Landarbeiter. Sie waren als solche bei den Farmern als zuverlässig und arbeitssam beliebt. Brauchte doch der kalifornische Landwirt und Fruchtzüchter einen Ersatz für die Chinesen, deren Anzahl nach dem sie betreffenden Ausschließungsgesetz vom Jahre 1882 stetig abnahm:. Weiße, auch nur leidlich taugliche Arbeitskräfte waren und sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/323>, abgerufen am 19.10.2024.