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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Kommt die Kaperei wieder?

Häfen" überall in Hülle und Fülle. Es kann sich nicht ereignen, daß bei
Ausbruch des Krieges solche britische Dampfer als Handelsschiffe auf dem Ozean
schwimmen und keine Möglichkeit finden, den -- nach der Annahme -- nötigen
"nationalen Hafen" zu erreichen, um die Umwandlung zum Kriegsschiff zu
bewerkstelligen. Umgekehrt liegt auf der Hand, daß die deutschen Dampfer sich
in dieser Lage befinden würden, und zwar beinahe alle,, die zur fraglichen
Zeit auf hoher See lägen. Sie müßten versuchen in deutsche Heimathäfen
zu gelangen, da nach Lage der Verhältnisse Kolonialhäfen kaum in Betracht
kommen könnten. Auf dem Wege nach der Heimat würden sie größte Gefahr
laufen auf hoher See oder beim Passieren der Nordseezugänge abgefaßt, oder
auf dem Nordseekampffelde vernichtet zu werden. Gelänge es ihnen aber
wirklich, ihr Ziel zu erreichen und sich im heimischen Hafen zum Kriegs¬
schiffe umzuwandeln,, so würde ihnen erst glückliches Passieren der Nordsee
mit ihren Zugängen, der britischen "ttiZK-8ca - blvLkacls" usw., gestatten,
ihre eigentliche Aufgabe: den Schutz des deutschen und die Schädigung
des feindlichen Seehandels, in Angriff zu nehmen. Im denkbar günstigsten
Falle also wäre ein Zeitaufwand nötig, der als Zeitverlust militärisch überaus
schwer ins Gewicht fiele. In vielen Fällen würde der verspätete Hilfskreuzer
auf den Ozeanen nichts mehr zu schützen vorfinden und schnell von feindlicher
Übermacht abgetan werden. Schnell, gefechtsbereit, bzw. zum Kriegsschiffe um¬
gewandelt, am Platze zu sein, ist eine Grundbedingung erster Ordnung für die
Möglichkeit der Wirksamkeit unserer Hilfskreuzer überhaupt; ein großer, ja
vielleicht der größte Teil ihrer Daseinsberechtigung hängt davon ab. Selbst,
wenn -- Lonäitio irreali8 -- man eine deutsche Beherrschung der Nordsee von
Anfang an annähme, so würde das Versäumen der so wichtigen Anfangs¬
situation auf den Ozeanen, der Situation, wo Handelsschutz und Handels¬
schädigung am wirksamsten sind, wie gesagt, den Wert der gesamten Hilfs¬
kreuzertätigkeit in empfindlichster Weise vermindern. Wie aber die Seeherrschaftsfrage
tatsächlich liegt und wie man in England von Anfang an argumentiert hat,
würde die Annahme einer internationalen Bestimmung, welche den Akt der
Umwandlung auf die "nationalen Häfen" beschränkte, eine deutsche Hilfskreuzer¬
tätigkeit annähernd illusorisch machen. .

Die Weigerung Deutschlands -- und auch Frankreichs und Rußlands
-- jene lähmende Bestimmung anzunehmen, bedeutet also keineswegs und in
keiner Hinsicht das Bekenntnis zu einer bisher als unerlaubt und illegal be¬
trachteten Kriegführung zur See, ebensowenig, wie vorher schon ausgeführt
wurde, eine Bedrohung und Beunruhigung der legalen Schiffahrt der Neutralen.
Die Weigerung der drei Festlandmächte bezweckt vielmehr ausschließlich: diesen
Teil des seekriegsrechtlichen Gebietes unter dem Gesichtspunkte des natürlichen
und deshalb berechtigten eigenen Interesses zu beurteilen und zu behandeln, nicht
unter demjenigen des Interesses der Jnselmacht mit der seebeherrschenden Flotte
Englands. Darin liegt die grundsätzliche Bedeutung des Vorganges, dessen


Kommt die Kaperei wieder?

Häfen" überall in Hülle und Fülle. Es kann sich nicht ereignen, daß bei
Ausbruch des Krieges solche britische Dampfer als Handelsschiffe auf dem Ozean
schwimmen und keine Möglichkeit finden, den — nach der Annahme — nötigen
„nationalen Hafen" zu erreichen, um die Umwandlung zum Kriegsschiff zu
bewerkstelligen. Umgekehrt liegt auf der Hand, daß die deutschen Dampfer sich
in dieser Lage befinden würden, und zwar beinahe alle,, die zur fraglichen
Zeit auf hoher See lägen. Sie müßten versuchen in deutsche Heimathäfen
zu gelangen, da nach Lage der Verhältnisse Kolonialhäfen kaum in Betracht
kommen könnten. Auf dem Wege nach der Heimat würden sie größte Gefahr
laufen auf hoher See oder beim Passieren der Nordseezugänge abgefaßt, oder
auf dem Nordseekampffelde vernichtet zu werden. Gelänge es ihnen aber
wirklich, ihr Ziel zu erreichen und sich im heimischen Hafen zum Kriegs¬
schiffe umzuwandeln,, so würde ihnen erst glückliches Passieren der Nordsee
mit ihren Zugängen, der britischen „ttiZK-8ca - blvLkacls" usw., gestatten,
ihre eigentliche Aufgabe: den Schutz des deutschen und die Schädigung
des feindlichen Seehandels, in Angriff zu nehmen. Im denkbar günstigsten
Falle also wäre ein Zeitaufwand nötig, der als Zeitverlust militärisch überaus
schwer ins Gewicht fiele. In vielen Fällen würde der verspätete Hilfskreuzer
auf den Ozeanen nichts mehr zu schützen vorfinden und schnell von feindlicher
Übermacht abgetan werden. Schnell, gefechtsbereit, bzw. zum Kriegsschiffe um¬
gewandelt, am Platze zu sein, ist eine Grundbedingung erster Ordnung für die
Möglichkeit der Wirksamkeit unserer Hilfskreuzer überhaupt; ein großer, ja
vielleicht der größte Teil ihrer Daseinsberechtigung hängt davon ab. Selbst,
wenn — Lonäitio irreali8 — man eine deutsche Beherrschung der Nordsee von
Anfang an annähme, so würde das Versäumen der so wichtigen Anfangs¬
situation auf den Ozeanen, der Situation, wo Handelsschutz und Handels¬
schädigung am wirksamsten sind, wie gesagt, den Wert der gesamten Hilfs¬
kreuzertätigkeit in empfindlichster Weise vermindern. Wie aber die Seeherrschaftsfrage
tatsächlich liegt und wie man in England von Anfang an argumentiert hat,
würde die Annahme einer internationalen Bestimmung, welche den Akt der
Umwandlung auf die „nationalen Häfen" beschränkte, eine deutsche Hilfskreuzer¬
tätigkeit annähernd illusorisch machen. .

Die Weigerung Deutschlands — und auch Frankreichs und Rußlands
— jene lähmende Bestimmung anzunehmen, bedeutet also keineswegs und in
keiner Hinsicht das Bekenntnis zu einer bisher als unerlaubt und illegal be¬
trachteten Kriegführung zur See, ebensowenig, wie vorher schon ausgeführt
wurde, eine Bedrohung und Beunruhigung der legalen Schiffahrt der Neutralen.
Die Weigerung der drei Festlandmächte bezweckt vielmehr ausschließlich: diesen
Teil des seekriegsrechtlichen Gebietes unter dem Gesichtspunkte des natürlichen
und deshalb berechtigten eigenen Interesses zu beurteilen und zu behandeln, nicht
unter demjenigen des Interesses der Jnselmacht mit der seebeherrschenden Flotte
Englands. Darin liegt die grundsätzliche Bedeutung des Vorganges, dessen


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[0304] Kommt die Kaperei wieder? Häfen" überall in Hülle und Fülle. Es kann sich nicht ereignen, daß bei Ausbruch des Krieges solche britische Dampfer als Handelsschiffe auf dem Ozean schwimmen und keine Möglichkeit finden, den — nach der Annahme — nötigen „nationalen Hafen" zu erreichen, um die Umwandlung zum Kriegsschiff zu bewerkstelligen. Umgekehrt liegt auf der Hand, daß die deutschen Dampfer sich in dieser Lage befinden würden, und zwar beinahe alle,, die zur fraglichen Zeit auf hoher See lägen. Sie müßten versuchen in deutsche Heimathäfen zu gelangen, da nach Lage der Verhältnisse Kolonialhäfen kaum in Betracht kommen könnten. Auf dem Wege nach der Heimat würden sie größte Gefahr laufen auf hoher See oder beim Passieren der Nordseezugänge abgefaßt, oder auf dem Nordseekampffelde vernichtet zu werden. Gelänge es ihnen aber wirklich, ihr Ziel zu erreichen und sich im heimischen Hafen zum Kriegs¬ schiffe umzuwandeln,, so würde ihnen erst glückliches Passieren der Nordsee mit ihren Zugängen, der britischen „ttiZK-8ca - blvLkacls" usw., gestatten, ihre eigentliche Aufgabe: den Schutz des deutschen und die Schädigung des feindlichen Seehandels, in Angriff zu nehmen. Im denkbar günstigsten Falle also wäre ein Zeitaufwand nötig, der als Zeitverlust militärisch überaus schwer ins Gewicht fiele. In vielen Fällen würde der verspätete Hilfskreuzer auf den Ozeanen nichts mehr zu schützen vorfinden und schnell von feindlicher Übermacht abgetan werden. Schnell, gefechtsbereit, bzw. zum Kriegsschiffe um¬ gewandelt, am Platze zu sein, ist eine Grundbedingung erster Ordnung für die Möglichkeit der Wirksamkeit unserer Hilfskreuzer überhaupt; ein großer, ja vielleicht der größte Teil ihrer Daseinsberechtigung hängt davon ab. Selbst, wenn — Lonäitio irreali8 — man eine deutsche Beherrschung der Nordsee von Anfang an annähme, so würde das Versäumen der so wichtigen Anfangs¬ situation auf den Ozeanen, der Situation, wo Handelsschutz und Handels¬ schädigung am wirksamsten sind, wie gesagt, den Wert der gesamten Hilfs¬ kreuzertätigkeit in empfindlichster Weise vermindern. Wie aber die Seeherrschaftsfrage tatsächlich liegt und wie man in England von Anfang an argumentiert hat, würde die Annahme einer internationalen Bestimmung, welche den Akt der Umwandlung auf die „nationalen Häfen" beschränkte, eine deutsche Hilfskreuzer¬ tätigkeit annähernd illusorisch machen. . Die Weigerung Deutschlands — und auch Frankreichs und Rußlands — jene lähmende Bestimmung anzunehmen, bedeutet also keineswegs und in keiner Hinsicht das Bekenntnis zu einer bisher als unerlaubt und illegal be¬ trachteten Kriegführung zur See, ebensowenig, wie vorher schon ausgeführt wurde, eine Bedrohung und Beunruhigung der legalen Schiffahrt der Neutralen. Die Weigerung der drei Festlandmächte bezweckt vielmehr ausschließlich: diesen Teil des seekriegsrechtlichen Gebietes unter dem Gesichtspunkte des natürlichen und deshalb berechtigten eigenen Interesses zu beurteilen und zu behandeln, nicht unter demjenigen des Interesses der Jnselmacht mit der seebeherrschenden Flotte Englands. Darin liegt die grundsätzliche Bedeutung des Vorganges, dessen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/304>, abgerufen am 29.12.2024.