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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Politischen Kampfe (1?91>, wie literarisch.
Zutreffend ist aber diese Behauptung nicht.
Die Abstammung des ersten Freiherrn aus
dem Geschlechte, zu dem übrigens auch der
Mitbegründer der "Höchster Farbwerke
Meister, Lucius und Brüning", der ver¬
storbene Dr. Eugen Lucius, gehörte, geht
bis auf einen Johann Hieronymus Lucius
zurück, der 1693 geboren war. Die zwin¬
genden Beweise für die Richtigkeit dieser
Abstammung liegen mir vor. Johann
Hieronymus besaß schon ein Haus zu Erfurt
und war, was hier wichtig ist, Mitglied der
dortigen Weberinnung, während Juden oder
Nachkommen von Juden zu jenen Zeiten
bekanntlich keinen Zutritt zu den Innungen
hatten. Überdies steht fest, daß Johann
Hieronymus, der am 27. Dezember 1766 zu
Erfurt verstorben ist. vor seinem Hinscheiden
mit den "Sterbesakramenten" versehen wurde
und in der Allerheiligen-Kirche zu Erfurt
vor dem Altar begraben liegt, also nicht nur
ein Katholik war, sondern ein sehr ange¬
sehener Katholik gewesen sein muß.

Besagter Johann Hieronymus war der
väterliche Ururgroßvater des Freiherrn Ro¬
bert. Enkel von Johann Hieronymus und
Großvater von Robert war JohannAntonLu-
cius, dessenName auf dem bekannten Erfurter
Patrizierhause der Lucius (an der Ecke des
"Anger" belegen I) steht, eines Hauses, das, als
wertvolles Altertum, unter staatlichen Denk-
malsschuu gestellt ist. DerSemigotha erwähnt
dieses "Familienhaus" auch. Um so wider¬
spruchsvoller ist es, daß er den nachmaligen
Freiherrn Robert einen "Sohn des Fuldaschen
Händlers Hecht" sein läßet

Mit den vorstehenden Feststellungen
dürste der Annahme einer jüdischen Ab¬
stammung des Geschlechtes der Boden ent¬
zogen sein und ich möchte nur noch, freilich
mit allem Vorbehalte, der Vermutung Raum
geben, daß "Lucius" hier nichts weiter ist,
als eine Verlateinung des vielverbreiteten
Geschlechtsnamens: "Lotz" oder "Lutz".

Endlich möchte ich noch einige Worte
über das bekannte österreichische Gro߬
industriellen - Geschlecht rheinischer (Eifel;
Dürenl) Herkunft der jetzigen Ritter von
Schneller sagen, von denen der Semigotha
einerseits behauptet, sie "sollen ursprünglich

[Spaltenumbruch]

auch jüdisch gewesen sein" und unter denen
er namentlich andrerseits das Haupt der Gro߬
handlung "Schneller 6c Co." in Wien: Philipp
(Wilhelm) Ritter von Schoeller, Mitglied des
Herrenhauses usw., zu Wien in das Ge¬
schlecht Schoeller lediglich durch Annahme
an Kindesstatt hineingelange und "aus jü¬
dischem Blute des Paul Gustav Neufeld"
sein läßt. Um letztere Behauptung gleich
vorweg zu erledigen, so ist sie vollkommen
unwahr. Philipp (Wilhelm) ist vielmehr
mit seinem Bruder Paul (Königlich Gro߬
britannischem Generalkonsul und ebenfalls
Mitgliede des Herrenhauses) ein Sohn des
christlichen Ehepaares: Paul Ritter von
Schoeller und dessen Ehegattin Pauline,
geborenen Schoeller, die beide aus Düren
gebürtig waren. Was das Geschlecht
Schoeller im ganzen anlangt, aus dem die
vorgenannten Personen stammen, so gibt es
eine sehr umfangreiche, vortreffliche "Ge¬
schichte der Familie Schoeller", verfaßt von
August Victor Schoeller, Rechtsanwalt bei
dem Königlichen Landgericht Berlin I, jetzt
Justizrat. Sie ist zu Berlin im Jahre 1894
erschienen, allerdings als Handschrift gedruckt
und nicht im Handel. Schon sie läßt die Ab¬
stammung, das Aufsteigen, die Verzweigungen
und die Geschichte des Geschlechtes auf das
genaueste erkennen. Nach ihr war der mit
Sicherheit damals schon nachgewiesene gemein¬
same Stammvater aller späteren Mitglieder
des Geschlechtes ein Joeris (Georg) Schoeler
auf dem Hofe Wiszgen bei Schleiden, im Jahie
15S0 zuerst dort aufgetaucht. Im Jahre 1910
hat dann der Fabrikbesitzer Hugo Schoeller
zu Düren unter dem Titel: "Beiträge zur
Geschichte der Familie Schoeller" S44 von ihm
später ausgefunoene Urkunden veröffentlicht,
die die Vorfahren des vorgenannten Joeris
bis 1450 in der gleichen Gegend fest¬
stellen. In dem stillen Schleidener Tale wur¬
den die Nachkommen des Joeris oder Georg
nun zunächst zu kleinen Eisenindustriellen
und deren Nachkommen erschließen dann vor
ungefähr 175 Jahren (also vor etwas mehr als
einem Drittel der Zeit, die die Gegenwart von
dem Jahre 1450, demjenigen der ersten Erwäh¬
nung des erwiesenen ältesten Stammvaters,
trennt I) dem Geschlechte in Düren andere
Zweige der Großindustrie. Von jüdischer

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Politischen Kampfe (1?91>, wie literarisch.
Zutreffend ist aber diese Behauptung nicht.
Die Abstammung des ersten Freiherrn aus
dem Geschlechte, zu dem übrigens auch der
Mitbegründer der „Höchster Farbwerke
Meister, Lucius und Brüning", der ver¬
storbene Dr. Eugen Lucius, gehörte, geht
bis auf einen Johann Hieronymus Lucius
zurück, der 1693 geboren war. Die zwin¬
genden Beweise für die Richtigkeit dieser
Abstammung liegen mir vor. Johann
Hieronymus besaß schon ein Haus zu Erfurt
und war, was hier wichtig ist, Mitglied der
dortigen Weberinnung, während Juden oder
Nachkommen von Juden zu jenen Zeiten
bekanntlich keinen Zutritt zu den Innungen
hatten. Überdies steht fest, daß Johann
Hieronymus, der am 27. Dezember 1766 zu
Erfurt verstorben ist. vor seinem Hinscheiden
mit den „Sterbesakramenten" versehen wurde
und in der Allerheiligen-Kirche zu Erfurt
vor dem Altar begraben liegt, also nicht nur
ein Katholik war, sondern ein sehr ange¬
sehener Katholik gewesen sein muß.

Besagter Johann Hieronymus war der
väterliche Ururgroßvater des Freiherrn Ro¬
bert. Enkel von Johann Hieronymus und
Großvater von Robert war JohannAntonLu-
cius, dessenName auf dem bekannten Erfurter
Patrizierhause der Lucius (an der Ecke des
„Anger" belegen I) steht, eines Hauses, das, als
wertvolles Altertum, unter staatlichen Denk-
malsschuu gestellt ist. DerSemigotha erwähnt
dieses „Familienhaus" auch. Um so wider¬
spruchsvoller ist es, daß er den nachmaligen
Freiherrn Robert einen „Sohn des Fuldaschen
Händlers Hecht" sein läßet

Mit den vorstehenden Feststellungen
dürste der Annahme einer jüdischen Ab¬
stammung des Geschlechtes der Boden ent¬
zogen sein und ich möchte nur noch, freilich
mit allem Vorbehalte, der Vermutung Raum
geben, daß „Lucius" hier nichts weiter ist,
als eine Verlateinung des vielverbreiteten
Geschlechtsnamens: „Lotz" oder „Lutz".

Endlich möchte ich noch einige Worte
über das bekannte österreichische Gro߬
industriellen - Geschlecht rheinischer (Eifel;
Dürenl) Herkunft der jetzigen Ritter von
Schneller sagen, von denen der Semigotha
einerseits behauptet, sie „sollen ursprünglich

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auch jüdisch gewesen sein" und unter denen
er namentlich andrerseits das Haupt der Gro߬
handlung „Schneller 6c Co." in Wien: Philipp
(Wilhelm) Ritter von Schoeller, Mitglied des
Herrenhauses usw., zu Wien in das Ge¬
schlecht Schoeller lediglich durch Annahme
an Kindesstatt hineingelange und „aus jü¬
dischem Blute des Paul Gustav Neufeld"
sein läßt. Um letztere Behauptung gleich
vorweg zu erledigen, so ist sie vollkommen
unwahr. Philipp (Wilhelm) ist vielmehr
mit seinem Bruder Paul (Königlich Gro߬
britannischem Generalkonsul und ebenfalls
Mitgliede des Herrenhauses) ein Sohn des
christlichen Ehepaares: Paul Ritter von
Schoeller und dessen Ehegattin Pauline,
geborenen Schoeller, die beide aus Düren
gebürtig waren. Was das Geschlecht
Schoeller im ganzen anlangt, aus dem die
vorgenannten Personen stammen, so gibt es
eine sehr umfangreiche, vortreffliche „Ge¬
schichte der Familie Schoeller", verfaßt von
August Victor Schoeller, Rechtsanwalt bei
dem Königlichen Landgericht Berlin I, jetzt
Justizrat. Sie ist zu Berlin im Jahre 1894
erschienen, allerdings als Handschrift gedruckt
und nicht im Handel. Schon sie läßt die Ab¬
stammung, das Aufsteigen, die Verzweigungen
und die Geschichte des Geschlechtes auf das
genaueste erkennen. Nach ihr war der mit
Sicherheit damals schon nachgewiesene gemein¬
same Stammvater aller späteren Mitglieder
des Geschlechtes ein Joeris (Georg) Schoeler
auf dem Hofe Wiszgen bei Schleiden, im Jahie
15S0 zuerst dort aufgetaucht. Im Jahre 1910
hat dann der Fabrikbesitzer Hugo Schoeller
zu Düren unter dem Titel: „Beiträge zur
Geschichte der Familie Schoeller" S44 von ihm
später ausgefunoene Urkunden veröffentlicht,
die die Vorfahren des vorgenannten Joeris
bis 1450 in der gleichen Gegend fest¬
stellen. In dem stillen Schleidener Tale wur¬
den die Nachkommen des Joeris oder Georg
nun zunächst zu kleinen Eisenindustriellen
und deren Nachkommen erschließen dann vor
ungefähr 175 Jahren (also vor etwas mehr als
einem Drittel der Zeit, die die Gegenwart von
dem Jahre 1450, demjenigen der ersten Erwäh¬
nung des erwiesenen ältesten Stammvaters,
trennt I) dem Geschlechte in Düren andere
Zweige der Großindustrie. Von jüdischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/247>, abgerufen am 20.10.2024.