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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Sturm

sind die Beine ganz verschlagen von all der Faulheit heute, und der Herr
Förster war fünf Stunden im Sattel. Ich reite mit!"

Auch Herr von Burkhard meinte, es sei das gegebene, daß die Herren an¬
ritten, die vorher zurückgeblieben waren.

Eoi rief mitten in die Beratung hinein: "Also ich auch!" Aber der Vater
packte sie an den schwarzen Zöpfen: "Du beläuft es fertig, du Durchbrenner.
Kleine Mädchen gehören ins Bett!"

"Hoho! Heute gehe ich nicht ins Bett!" sagte sie trotzig und entwandte sich
dem Vater.

Vor der Rampe standen die vier Pferde und scharrten ungeduldig den Kies.

"Wo habt ihr den Braunen her?" fragte Wolff Joachim Edles, den Ober¬
stallmeister. "Es ist ja englisches Halbblut."

"Ans dem Hahnschen Stall. Sandberg hat gerettet, was zu retten war.
Sonst hätten wir auch die dreiundzwanzig Gäule nicht aufbringen können."

"Ein nervöses Pferd! Wollen Sie es reiten, Burkhard? Sind Sie
sattelfest?"

Der Gelehrte zuckte die Achsel. "Ich bin nichr für ein gutmütiges Tem¬
perament."

"Dann nehmen Sie meinen Rappen. Ich laß ihn mir gelegentlich holen,
Edles. Mich gelüstet es nach einem scharfen Ritt. Der Rappe ist mir zu brav!"

Jetzt kamen auch Alex von Rosen und Reus von Manteuffel aus dem
Hause, denen Edda das Geleit gab. In übertriebener Lustigkeit ging sie auf
die witzige Hofmacherei der beiden Junker ein.

"Ich habe Sie zuerst zum Lachen gebracht -- mir gebührt das Band!"
sagte Alex von Rosen.

"Ich habe ältere Rechte!" stritt Manteuffel. "Ich habe vor zehn Jahren
eine Hummel totgeschlagen, die meinem Cousinchen nach dem Leben trachtete."

Hell klang Ebbas Lachen in das Dunkel hinaus:

"Ich gebe die Schleife, wem ich will!" Sie hielt das blaue Seitenhaut,
das sie vorher im Haar getragen hatte, hoch empor.

"Also mir!" fiel Wolff Joachim ein und haschte danach. Da lief sie die
Treppe hinunter zu den Pferden.

"Dem Weisesten gebührt sie!" Und in der Meinung, daß Burkhard, wie
zuerst verabredet, den braunen Engländer reiten würde, flocht sie ihm geschwind
das Band in die Mähne.

Erst, als die vier Herren im Sattel saßen, bemerkte sie, an welche Adresse
ihr Pfand gelangt war.

Wolff Joachim lachte, als er ihre Bestürzung bemerkte.

"Noch war ich zwar niemals weise, aber wahrhaftig, ich glaube, ich bin
auf bestem Wege. Dein Band sei mir ein Sporn!"

Stumm wandte sich Edda ab und machte den Herren Platz, die sich jetzt
aus der Tür drängten.


Sturm

sind die Beine ganz verschlagen von all der Faulheit heute, und der Herr
Förster war fünf Stunden im Sattel. Ich reite mit!"

Auch Herr von Burkhard meinte, es sei das gegebene, daß die Herren an¬
ritten, die vorher zurückgeblieben waren.

Eoi rief mitten in die Beratung hinein: „Also ich auch!" Aber der Vater
packte sie an den schwarzen Zöpfen: „Du beläuft es fertig, du Durchbrenner.
Kleine Mädchen gehören ins Bett!"

„Hoho! Heute gehe ich nicht ins Bett!" sagte sie trotzig und entwandte sich
dem Vater.

Vor der Rampe standen die vier Pferde und scharrten ungeduldig den Kies.

„Wo habt ihr den Braunen her?" fragte Wolff Joachim Edles, den Ober¬
stallmeister. „Es ist ja englisches Halbblut."

„Ans dem Hahnschen Stall. Sandberg hat gerettet, was zu retten war.
Sonst hätten wir auch die dreiundzwanzig Gäule nicht aufbringen können."

„Ein nervöses Pferd! Wollen Sie es reiten, Burkhard? Sind Sie
sattelfest?"

Der Gelehrte zuckte die Achsel. „Ich bin nichr für ein gutmütiges Tem¬
perament."

„Dann nehmen Sie meinen Rappen. Ich laß ihn mir gelegentlich holen,
Edles. Mich gelüstet es nach einem scharfen Ritt. Der Rappe ist mir zu brav!"

Jetzt kamen auch Alex von Rosen und Reus von Manteuffel aus dem
Hause, denen Edda das Geleit gab. In übertriebener Lustigkeit ging sie auf
die witzige Hofmacherei der beiden Junker ein.

„Ich habe Sie zuerst zum Lachen gebracht — mir gebührt das Band!"
sagte Alex von Rosen.

„Ich habe ältere Rechte!" stritt Manteuffel. „Ich habe vor zehn Jahren
eine Hummel totgeschlagen, die meinem Cousinchen nach dem Leben trachtete."

Hell klang Ebbas Lachen in das Dunkel hinaus:

„Ich gebe die Schleife, wem ich will!" Sie hielt das blaue Seitenhaut,
das sie vorher im Haar getragen hatte, hoch empor.

„Also mir!" fiel Wolff Joachim ein und haschte danach. Da lief sie die
Treppe hinunter zu den Pferden.

„Dem Weisesten gebührt sie!" Und in der Meinung, daß Burkhard, wie
zuerst verabredet, den braunen Engländer reiten würde, flocht sie ihm geschwind
das Band in die Mähne.

Erst, als die vier Herren im Sattel saßen, bemerkte sie, an welche Adresse
ihr Pfand gelangt war.

Wolff Joachim lachte, als er ihre Bestürzung bemerkte.

„Noch war ich zwar niemals weise, aber wahrhaftig, ich glaube, ich bin
auf bestem Wege. Dein Band sei mir ein Sporn!"

Stumm wandte sich Edda ab und machte den Herren Platz, die sich jetzt
aus der Tür drängten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/233>, abgerufen am 20.10.2024.