Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] A, von Gleichen'Rußwurm ist bekannt Zunächst ist da hervorzuheben, daß die Wer eine Geschichte der vornehmen Welt der vornehmen Welt, besonders viel hätte An Einzelheiten sei hervorgehoben die Von dem homerischen Haus sollte man Solche Dinge dienen dem Buche nicht Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] A, von Gleichen'Rußwurm ist bekannt Zunächst ist da hervorzuheben, daß die Wer eine Geschichte der vornehmen Welt der vornehmen Welt, besonders viel hätte An Einzelheiten sei hervorgehoben die Von dem homerischen Haus sollte man Solche Dinge dienen dem Buche nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326373"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_941"> A, von Gleichen'Rußwurm ist bekannt<lb/> als Verfasser kulturhistorischer Essays, die in<lb/> weiten Kreisen viel Beifall gefunden haben.<lb/> Sie besitzen ohne Zweifel manche Vorzüge;<lb/> es offenbart sich in ihnen ein ausgebreitetes<lb/> Wissen, eine anregende Betrachtungsart, eine<lb/> oft glänzende Darstellungsgabe. Dieser Vor¬<lb/> züge entbehrt auch sein letztes Werk, die „Ele-<lb/> gnntiae", nicht, und es ist sicherlich verdienst¬<lb/> lich, gegenüber den in anderen Werken meist<lb/> hervortretenden Schilderungen der Sitten des<lb/> „Volkes", den Blick auf die Kulturgeschichte<lb/> der „Oberen Zehntausend" allein zu lenken.<lb/> Ohne Zweifel ist das vorliegende Buch ein<lb/> Werk großen Fleißes, einer ausgedehnten Be-<lb/> lesenheit, eines philosophisch gebildeten Geistes,<lb/> der sich bemüht, große historische Entwick¬<lb/> lungen zu übersehen, zu verstehen und dar¬<lb/> zustellen. Aber gegenüber' dem in Tages¬<lb/> blättern allzu reichlich gespendeten Lob, nament¬<lb/> lich gegenüber der durch den „Waschzettel"<lb/> dem Leser zugemuteten Beurteilung ist eine<lb/> unbefangene Kritik Wohl am Platze, um einer<lb/> Irreführung der öffentlichen Meinung vor¬<lb/> zubeugen.</p> <p xml:id="ID_942"> Zunächst ist da hervorzuheben, daß die<lb/> Studien, die der Verfasser getrieben hat,<lb/> zum Teil etwas oberflächlich gewesen sein<lb/> müssen. Sonst hätte er die für unsere Kennt¬<lb/> nisse auch des antiken Privatlebens so überaus<lb/> wichtigen Inschriften nicht vernachlässigen<lb/> dürfen, hätte die bildlichen Darstellungen,<lb/> Vasen, Gemälde usw., in viel ausgedehnterem<lb/> Maße benutzen müssen und wäre jedenfalls<lb/> verpflichtet gewesen, sich mit den hervor¬<lb/> ragendsten neuen Erscheinungen auf dem Ge¬<lb/> biete antiker Kulturgeschichte gründlich bekannt<lb/> zu machen. Unter den im „Vorwort" an¬<lb/> gegebenen Hilfsmitteln vermißt man aber,<lb/> um nur zwei zu nennen, Eduard Meyers<lb/> „Geschichte des Altertums", die doch in ihren<lb/> kulturhistorischen Zusammenfassungen Aus¬<lb/> gezeichnetes bietet, und Wilamowitz' „Staat<lb/> und Gesellschaft der Griechen".</p> <p xml:id="ID_943" next="#ID_944"> Wer eine Geschichte der vornehmen Welt<lb/> ini Altertum schreiben will, der hat auch die<lb/> Pflicht, will er wissenschaftlich ernst genommen<lb/> werden, ihre Wurzeln aufzudecken, bis zu<lb/> ihren Quellen vorzudringen: von Gleichen-<lb/> Rußwurm hat eine Kulturperiode vollkommen<lb/> vernachlässigt, die gerade ihm, dem Historiker</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_944" prev="#ID_943"> der vornehmen Welt, besonders viel hätte<lb/> sagen können, ich meine die kretisch-mykenische.<lb/> Wenn diese auch nicht durch ihre schrift¬<lb/> lichen Denkmäler, die noch nicht zu uns<lb/> reden, vor Augen tritt, so um so mehr durch<lb/> die Bildwerke: welche Anregung können allein<lb/> die Fresken von Knossos und Tiryns dem<lb/> Forscher der „Elegantiae" geben I Die jonische<lb/> Kultur wurzelt ganz in jener, die darum für<lb/> die Weltkultur von höchster Bedeutung ist.<lb/> Sodann: so geistreich auch die Entwicklung<lb/> der bornehmen Geselligkeit gezeichnet ist, so<lb/> entbehrt die Schilderung doch im ganzen der<lb/> richtigen historischen Erfassung: es geht nickt<lb/> an, „die Geselligkeit des gebildeten Altertums<lb/> in großem monumentalen? Zuge zusammen¬<lb/> gefaßt" sich „in den Schilderungen Xenophons,<lb/> Platos, Plutarchs und Lukians", vorzustellen<lb/> und diese durch viele Jahrhunderte getrennten<lb/> Zeiten als Einheit aufzufassen.</p> <p xml:id="ID_945"> An Einzelheiten sei hervorgehoben die<lb/> auffallend große Menge von Druckfehlern,<lb/> darunter sehr häßlichen wie: Klysthenes (statt<lb/> Kleisthenes), Tysander (Tisander), Line (Lyke),<lb/> Taliarches (Thalmrches), satyrisch, Mythras,<lb/> Thimoteus, Sykione(I) (Sikyon) u. a. Der¬<lb/> artiges trübt die Sauberkeit und Eleganz der<lb/> Sprache fast ebenso wie die auffallenden Ver¬<lb/> sehen: Lampsachia(I) statt Lampsakus, My-<lb/> onthes (!) statt Myus, Zeus „der gastlich auf¬<lb/> genommene" (I), „Wert des Geldes" statt<lb/> „Respekt vor dem Gelde", der häufige Ge¬<lb/> brauch von „sollte" im Sinne nicht eines<lb/> „Müssens", sondern eines zukünftigen „Tuns"<lb/> oder „Geschehens", Unebenheiten, deren Zahl<lb/> sich leicht verzehnfachen ließe, wobei noch<lb/> erwähnt sein mag, daß Homers Sprache<lb/> altdorisch (I) genannt wird (S. 162).</p> <p xml:id="ID_946"> Von dem homerischen Haus sollte man<lb/> klarere Vorstellungen erwarten, als der Ver¬<lb/> fasser sie zu haben scheint, auch von Aspasia<lb/> eine andere Auffassung verlangen und für<lb/> Tiberius bei einem Kenner Ferreros eine<lb/> richtigere Anschauung voraussetzen dürfen.</p> <p xml:id="ID_947" next="#ID_948"> Solche Dinge dienen dem Buche nicht<lb/> zum Schmucke, und das ist sehr zu bedauern;<lb/> denn es verdient sonst wirklich das Interesse<lb/> aller, die für das Verständnis der Entwick¬<lb/> lung der Geselligkeit „vom Opferschmaus zum<lb/> Gastmahl der Weisen", unter der Republik<lb/> und in der römischen Hofgesellschaft bis zu</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
A, von Gleichen'Rußwurm ist bekannt
als Verfasser kulturhistorischer Essays, die in
weiten Kreisen viel Beifall gefunden haben.
Sie besitzen ohne Zweifel manche Vorzüge;
es offenbart sich in ihnen ein ausgebreitetes
Wissen, eine anregende Betrachtungsart, eine
oft glänzende Darstellungsgabe. Dieser Vor¬
züge entbehrt auch sein letztes Werk, die „Ele-
gnntiae", nicht, und es ist sicherlich verdienst¬
lich, gegenüber den in anderen Werken meist
hervortretenden Schilderungen der Sitten des
„Volkes", den Blick auf die Kulturgeschichte
der „Oberen Zehntausend" allein zu lenken.
Ohne Zweifel ist das vorliegende Buch ein
Werk großen Fleißes, einer ausgedehnten Be-
lesenheit, eines philosophisch gebildeten Geistes,
der sich bemüht, große historische Entwick¬
lungen zu übersehen, zu verstehen und dar¬
zustellen. Aber gegenüber' dem in Tages¬
blättern allzu reichlich gespendeten Lob, nament¬
lich gegenüber der durch den „Waschzettel"
dem Leser zugemuteten Beurteilung ist eine
unbefangene Kritik Wohl am Platze, um einer
Irreführung der öffentlichen Meinung vor¬
zubeugen.
Zunächst ist da hervorzuheben, daß die
Studien, die der Verfasser getrieben hat,
zum Teil etwas oberflächlich gewesen sein
müssen. Sonst hätte er die für unsere Kennt¬
nisse auch des antiken Privatlebens so überaus
wichtigen Inschriften nicht vernachlässigen
dürfen, hätte die bildlichen Darstellungen,
Vasen, Gemälde usw., in viel ausgedehnterem
Maße benutzen müssen und wäre jedenfalls
verpflichtet gewesen, sich mit den hervor¬
ragendsten neuen Erscheinungen auf dem Ge¬
biete antiker Kulturgeschichte gründlich bekannt
zu machen. Unter den im „Vorwort" an¬
gegebenen Hilfsmitteln vermißt man aber,
um nur zwei zu nennen, Eduard Meyers
„Geschichte des Altertums", die doch in ihren
kulturhistorischen Zusammenfassungen Aus¬
gezeichnetes bietet, und Wilamowitz' „Staat
und Gesellschaft der Griechen".
Wer eine Geschichte der vornehmen Welt
ini Altertum schreiben will, der hat auch die
Pflicht, will er wissenschaftlich ernst genommen
werden, ihre Wurzeln aufzudecken, bis zu
ihren Quellen vorzudringen: von Gleichen-
Rußwurm hat eine Kulturperiode vollkommen
vernachlässigt, die gerade ihm, dem Historiker
der vornehmen Welt, besonders viel hätte
sagen können, ich meine die kretisch-mykenische.
Wenn diese auch nicht durch ihre schrift¬
lichen Denkmäler, die noch nicht zu uns
reden, vor Augen tritt, so um so mehr durch
die Bildwerke: welche Anregung können allein
die Fresken von Knossos und Tiryns dem
Forscher der „Elegantiae" geben I Die jonische
Kultur wurzelt ganz in jener, die darum für
die Weltkultur von höchster Bedeutung ist.
Sodann: so geistreich auch die Entwicklung
der bornehmen Geselligkeit gezeichnet ist, so
entbehrt die Schilderung doch im ganzen der
richtigen historischen Erfassung: es geht nickt
an, „die Geselligkeit des gebildeten Altertums
in großem monumentalen? Zuge zusammen¬
gefaßt" sich „in den Schilderungen Xenophons,
Platos, Plutarchs und Lukians", vorzustellen
und diese durch viele Jahrhunderte getrennten
Zeiten als Einheit aufzufassen.
An Einzelheiten sei hervorgehoben die
auffallend große Menge von Druckfehlern,
darunter sehr häßlichen wie: Klysthenes (statt
Kleisthenes), Tysander (Tisander), Line (Lyke),
Taliarches (Thalmrches), satyrisch, Mythras,
Thimoteus, Sykione(I) (Sikyon) u. a. Der¬
artiges trübt die Sauberkeit und Eleganz der
Sprache fast ebenso wie die auffallenden Ver¬
sehen: Lampsachia(I) statt Lampsakus, My-
onthes (!) statt Myus, Zeus „der gastlich auf¬
genommene" (I), „Wert des Geldes" statt
„Respekt vor dem Gelde", der häufige Ge¬
brauch von „sollte" im Sinne nicht eines
„Müssens", sondern eines zukünftigen „Tuns"
oder „Geschehens", Unebenheiten, deren Zahl
sich leicht verzehnfachen ließe, wobei noch
erwähnt sein mag, daß Homers Sprache
altdorisch (I) genannt wird (S. 162).
Von dem homerischen Haus sollte man
klarere Vorstellungen erwarten, als der Ver¬
fasser sie zu haben scheint, auch von Aspasia
eine andere Auffassung verlangen und für
Tiberius bei einem Kenner Ferreros eine
richtigere Anschauung voraussetzen dürfen.
Solche Dinge dienen dem Buche nicht
zum Schmucke, und das ist sehr zu bedauern;
denn es verdient sonst wirklich das Interesse
aller, die für das Verständnis der Entwick¬
lung der Geselligkeit „vom Opferschmaus zum
Gastmahl der Weisen", unter der Republik
und in der römischen Hofgesellschaft bis zu
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