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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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der der Praxis bisher entgangen zu sein scheint, daß nämlich für die Zuver¬
lässigkeit gewisser technischer Leistungen die Gleichförmigkeit der Verbindung
zwischen Neiz und Bewegung von Bedeutung ist: so ist es verkehrt, daß dem
Lokomotivführer die Signale des Tages mittelst beweglicher Arme der Signal¬
masten, des Nachts aber mittelst verschiedenfarbiger Lichter gegeben werden.
Letztere müßten den Tagessignalen entsprechend durch verschieden gelagerte Licht¬
streifen ersetzt werden.

Alle derartigen Verbesserungen sind aber durchaus nicht auf den großwirt¬
schaftlichen Betrieb beschränkt. Auch in der einfachen Hauswirtschaft ließe sich
die zu leistende Arbeit viel besser an die psychophysischen Bedingungen anpassen,
als es bisher der Fall ist und könnte durch eine entsprechende Änderung eine
erhebliche Zeit- und Kostenersparnis erzielt werden. Eine wesentliche, ja wohl
die bedeutsamste Rolle bei der ökonomischen Gestaltung der Arbeit spielen die
Bewegungen und ihre planmäßige Organisierung, wie dies ja auch aus dem
Taylor-System hervorgeht, aber natürlich sind damit die in Frage kommenden
psychophysischen Momente nicht erschöpft, den Schwankungen der Aufmerksam¬
keit, den Gesetzen der Ermüdung ist längst Beachtung geschenkt worden, wenn
auch das praktische Leben über manchen wertvollen Befund mit souveräner Ver¬
achtung hinweggeschritten ist.

Recht interessant sind die Ergebnisse der Wirtschaftspsychologie bezüglich der
einförmigen Arbeit. Für die Popularpsychologie gilt es für ausgemacht, daß
die Arbeitsteilung, wie sie der moderne Fabrikbetrieb mit sich bringt, geistige
Verkümmerung erzeugt und keine Arbeitsfreude aufkommen läßt, weil das einzelne
Individuum in abwechslungsloser Wiederholung Detailarbeit leistet, ohne den
Zusammenschluß zu einem Ganzen übersehen zu können. Münsterberg hat nun
in einer Reihe größerer Fabriken beobachtet, befragt und gefunden, daß selbst
aus scheinbar völlig einförmiger Arbeit Anregung und Interesse geschöpft werden
kann und tatsächlich geschöpft wird. Da es aber auch Arbeiter gibt, die bei
wirklich abwechslungsreicher Arbeit über Einförmigkeit und Langeweile klagen,
muß das Gefühl der Monotonie nicht sowohl von der Art der Arbeit als von
gewissen Dispositionen des Individuums abhängig sein. Demnach müßte jeweils
durch entsprechende Versuche, für die Münsterberg übrigens gewisse Grundlinien
angibt, festgestellt werden, welche Menschen psychophystsch für gleichförmige Arbeit
geeignet sind und welche nicht. Jedenfalls ist es unrichtig, von einem ganz
allgemein vorhandenen subjektiven Widerwillen gegen die Einförmigkeit, Gleich¬
förmigkeit und Abwechslungslosigkeit der Arbeit zu sprechen und es sind auch
durchaus nicht>etwa die stumpfsinnigen Individuen, die diesen Widerwillen nicht
verspüren.




Wir wollen die Kritik der erwähnten Untersuchungen beiseite lassen, es
kam hier nur darauf an, gewisse Grundtendenzen des wirschaftlichen Entwick-


„I^'Komme msekine" im zwanzigsten Jahrhundert

der der Praxis bisher entgangen zu sein scheint, daß nämlich für die Zuver¬
lässigkeit gewisser technischer Leistungen die Gleichförmigkeit der Verbindung
zwischen Neiz und Bewegung von Bedeutung ist: so ist es verkehrt, daß dem
Lokomotivführer die Signale des Tages mittelst beweglicher Arme der Signal¬
masten, des Nachts aber mittelst verschiedenfarbiger Lichter gegeben werden.
Letztere müßten den Tagessignalen entsprechend durch verschieden gelagerte Licht¬
streifen ersetzt werden.

Alle derartigen Verbesserungen sind aber durchaus nicht auf den großwirt¬
schaftlichen Betrieb beschränkt. Auch in der einfachen Hauswirtschaft ließe sich
die zu leistende Arbeit viel besser an die psychophysischen Bedingungen anpassen,
als es bisher der Fall ist und könnte durch eine entsprechende Änderung eine
erhebliche Zeit- und Kostenersparnis erzielt werden. Eine wesentliche, ja wohl
die bedeutsamste Rolle bei der ökonomischen Gestaltung der Arbeit spielen die
Bewegungen und ihre planmäßige Organisierung, wie dies ja auch aus dem
Taylor-System hervorgeht, aber natürlich sind damit die in Frage kommenden
psychophysischen Momente nicht erschöpft, den Schwankungen der Aufmerksam¬
keit, den Gesetzen der Ermüdung ist längst Beachtung geschenkt worden, wenn
auch das praktische Leben über manchen wertvollen Befund mit souveräner Ver¬
achtung hinweggeschritten ist.

Recht interessant sind die Ergebnisse der Wirtschaftspsychologie bezüglich der
einförmigen Arbeit. Für die Popularpsychologie gilt es für ausgemacht, daß
die Arbeitsteilung, wie sie der moderne Fabrikbetrieb mit sich bringt, geistige
Verkümmerung erzeugt und keine Arbeitsfreude aufkommen läßt, weil das einzelne
Individuum in abwechslungsloser Wiederholung Detailarbeit leistet, ohne den
Zusammenschluß zu einem Ganzen übersehen zu können. Münsterberg hat nun
in einer Reihe größerer Fabriken beobachtet, befragt und gefunden, daß selbst
aus scheinbar völlig einförmiger Arbeit Anregung und Interesse geschöpft werden
kann und tatsächlich geschöpft wird. Da es aber auch Arbeiter gibt, die bei
wirklich abwechslungsreicher Arbeit über Einförmigkeit und Langeweile klagen,
muß das Gefühl der Monotonie nicht sowohl von der Art der Arbeit als von
gewissen Dispositionen des Individuums abhängig sein. Demnach müßte jeweils
durch entsprechende Versuche, für die Münsterberg übrigens gewisse Grundlinien
angibt, festgestellt werden, welche Menschen psychophystsch für gleichförmige Arbeit
geeignet sind und welche nicht. Jedenfalls ist es unrichtig, von einem ganz
allgemein vorhandenen subjektiven Widerwillen gegen die Einförmigkeit, Gleich¬
förmigkeit und Abwechslungslosigkeit der Arbeit zu sprechen und es sind auch
durchaus nicht>etwa die stumpfsinnigen Individuen, die diesen Widerwillen nicht
verspüren.




Wir wollen die Kritik der erwähnten Untersuchungen beiseite lassen, es
kam hier nur darauf an, gewisse Grundtendenzen des wirschaftlichen Entwick-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/186>, abgerufen am 19.10.2024.