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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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mactiine" im zwanzigsten Jahrhundert

Diese Anfrage war zweifellos naheliegend, da sie von großer wirtschaftlicher
Tragweite ist: die Telephongesellschaften erleiden durch die Einstellung von
ungeeigneten Personen erhebliche Verluste, um so mehr als auch die Probe¬
monate der Dienstleistung honoriert werden, und die unbrauchbaren Kandidatinnen
vergeuden Zeit und Kraft bei der Erlernung einer Tätigkeit, die ihnen bei der
Ausübung eines anderen Berufs von keinerlei Nutzen sein kann. Es wurde nun
das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit, die Intelligenz, die Genauigkeit der Raum¬
unterscheidung und die Schnelligkeit gewisserBewegungen in Klassen von über dreißig
jungen Mädchen mit Hilfe von bekannten, aber den gegebenen Umständen angepaßten
Methoden der experimentellen Psychologie untersucht, deren Kennzeichnung hier
zu weit führen würde. Überdies fanden Einzelprüfungen statt. Ohne daß die
Experimentatoren es wußten, hatte die Telephongesellschaft einige langerprobte
Telephonistinnen die Prüfung mitmachen lassen und es ergab sich nun. daß
gerade diese auf Grund der Experimente als tüchtig bezeichnet wurden: sie waren
in sämtlichen Versuchsreihen unter den fünf besten. Das Gesamtergebnis der
Untersuchung war so günstig, das die Telephongesellschaft den Wunsch nach einer
energischen Weiterführung der Versuche aussprach.

Es ist selbstverständlich, daß es zur Vornahme derartiger Untersuchungen,
wenn sie wirklich einer Vergeudung von Menschenmaterial, der Verkümmerung
der Arbeitsfreude und wirtschaftlichen Schädigungen vorbeugen und sie ver¬
mindern sollen, geschulter Psychologen bedarf, die sich auch genügende Kenntnisse
in dem jeweilig in Frage kommenden Betriebe erworben haben, um die an die
Psyche der Arbeiter gestellten Forderungen beurteilen zu können. Aber wenn
auch die Wissenschaft in den gekennzeichneten Bahnen weit fortschreiten sollte,
wird es ihr doch nie möglich sein, die verschiedenen Individuen stets den ihnen
am meisten angemessenen Wirtschaftsfunktionen zuzuweisen. Bei der Berufs"
wast werden natürlich immer soziale und lokale Gründe mitsprechen und die
Dienste, die der Wirtschaftspsychologe leisten kann, werden sich zunächst darauf
beschränken, die für eine gegebene Tätigkeit Ungeeigneten frühzeitig zu warnen
und gewisse positive Hinweise auf anderweitige Verwendbarkeit hinzuzufügen.
Weil immer viele Ungeeignete im Kampfe stehen werden, tritt das Problem
einer gesteigerten Leistungsfähigkeit, dessen Lösung ja auch vom Taylor-System
angestrebt wird, in den Vordergrund des Interesses. Es ist klar, daß die Ver¬
besserungen des Handwerkzeuges, der Maschinen und auch der Art ihrer Be¬
nutzung durch die Arbeiter mit Hilfe des psychologischen Laboratoriums noch
weit mehr gefördert werden kann als es bei dem aus der Praxis erwachsenen
Taylor-System bisher geschehen ist und tatsächlich sind in dieser Richtung bereits
mannigfache Untersuchungen vorgenommen worden. Es erweist sich immer wieder,
daß das subjektive Urteil der Arbeiter nicht maßgebend ist. So glauben z. B.
Arbeiter oft, daß sie durch ein Geräusch, an das sie sich gewöhnt haben, nicht
gestört werden und doch ist das Gegenteil der Fall: ihre Leistungsfähigkeit wird
tatsächlich beeinträchtigt. Beachtenswert ist unter anderem auch ein Befund.


mactiine" im zwanzigsten Jahrhundert

Diese Anfrage war zweifellos naheliegend, da sie von großer wirtschaftlicher
Tragweite ist: die Telephongesellschaften erleiden durch die Einstellung von
ungeeigneten Personen erhebliche Verluste, um so mehr als auch die Probe¬
monate der Dienstleistung honoriert werden, und die unbrauchbaren Kandidatinnen
vergeuden Zeit und Kraft bei der Erlernung einer Tätigkeit, die ihnen bei der
Ausübung eines anderen Berufs von keinerlei Nutzen sein kann. Es wurde nun
das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit, die Intelligenz, die Genauigkeit der Raum¬
unterscheidung und die Schnelligkeit gewisserBewegungen in Klassen von über dreißig
jungen Mädchen mit Hilfe von bekannten, aber den gegebenen Umständen angepaßten
Methoden der experimentellen Psychologie untersucht, deren Kennzeichnung hier
zu weit führen würde. Überdies fanden Einzelprüfungen statt. Ohne daß die
Experimentatoren es wußten, hatte die Telephongesellschaft einige langerprobte
Telephonistinnen die Prüfung mitmachen lassen und es ergab sich nun. daß
gerade diese auf Grund der Experimente als tüchtig bezeichnet wurden: sie waren
in sämtlichen Versuchsreihen unter den fünf besten. Das Gesamtergebnis der
Untersuchung war so günstig, das die Telephongesellschaft den Wunsch nach einer
energischen Weiterführung der Versuche aussprach.

Es ist selbstverständlich, daß es zur Vornahme derartiger Untersuchungen,
wenn sie wirklich einer Vergeudung von Menschenmaterial, der Verkümmerung
der Arbeitsfreude und wirtschaftlichen Schädigungen vorbeugen und sie ver¬
mindern sollen, geschulter Psychologen bedarf, die sich auch genügende Kenntnisse
in dem jeweilig in Frage kommenden Betriebe erworben haben, um die an die
Psyche der Arbeiter gestellten Forderungen beurteilen zu können. Aber wenn
auch die Wissenschaft in den gekennzeichneten Bahnen weit fortschreiten sollte,
wird es ihr doch nie möglich sein, die verschiedenen Individuen stets den ihnen
am meisten angemessenen Wirtschaftsfunktionen zuzuweisen. Bei der Berufs«
wast werden natürlich immer soziale und lokale Gründe mitsprechen und die
Dienste, die der Wirtschaftspsychologe leisten kann, werden sich zunächst darauf
beschränken, die für eine gegebene Tätigkeit Ungeeigneten frühzeitig zu warnen
und gewisse positive Hinweise auf anderweitige Verwendbarkeit hinzuzufügen.
Weil immer viele Ungeeignete im Kampfe stehen werden, tritt das Problem
einer gesteigerten Leistungsfähigkeit, dessen Lösung ja auch vom Taylor-System
angestrebt wird, in den Vordergrund des Interesses. Es ist klar, daß die Ver¬
besserungen des Handwerkzeuges, der Maschinen und auch der Art ihrer Be¬
nutzung durch die Arbeiter mit Hilfe des psychologischen Laboratoriums noch
weit mehr gefördert werden kann als es bei dem aus der Praxis erwachsenen
Taylor-System bisher geschehen ist und tatsächlich sind in dieser Richtung bereits
mannigfache Untersuchungen vorgenommen worden. Es erweist sich immer wieder,
daß das subjektive Urteil der Arbeiter nicht maßgebend ist. So glauben z. B.
Arbeiter oft, daß sie durch ein Geräusch, an das sie sich gewöhnt haben, nicht
gestört werden und doch ist das Gegenteil der Fall: ihre Leistungsfähigkeit wird
tatsächlich beeinträchtigt. Beachtenswert ist unter anderem auch ein Befund.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/185>, abgerufen am 19.10.2024.