Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Rumpfe unserer Lehrerschaft

viel größere Lebenserfahrung; in seiner Eigenschaft als Gatte und Vater dürfte
er eine größere Kenntnis des weiblichen Seelenlebens haben, als die unver¬
heiratete Lehrerin. Man hat gerade auf seiten der Lehrerinnen in der gemischten
Zusammensetzung des Lehrkörpers einer Mädchenschule Vorteile erblickt und dies
Verhältnis verglichen mit der deutschen Familienerziehung; in der deutschen
Familie aber ist der Mann der ausschlaggebende und leitende Teil. Wo dies
nicht der Fall ist, erscheinen uns die Verhältnisse ungesund und können nicht
als vorbildlich gelten.

Selbstverständlich denken wir hier nur an die Leitung öffentlicher Schulen,
und insofern hat Herr Pollatz seine Überschrift falsch gewählt. An den Privat¬
schulen, wo der Lehrer freiwillige und außerdem sehr geschätzte Dienste tut, die er
jederzeit nach eigenem Ermessen aufgeben kann, liegen die Verhältnisse ganz anders.

Die Befugnisse eines Leiters greifen sehr ins persönliche Gebiet ein; eine
solche "Frau Direktorin" hat ihre Lehrer zu vertreten, sie gegebenen Falles
unter ihren Schutz zu nehmen, sie kann an ihren Stunden teilnehmen, Berichte
über ihre sittlichen, wissenschaftlichen und methodischen Fähigkeiten erstatten, ihre
Hefte zur Nachprüfung einfordern, ihnen Weisungen oder Rügen erteilen usw.,
ihr stehen also Rechte zu, deren Ausübung von einer Frau einem Manne gegen¬
über sür einen männlich empfindenden Mann unerträglich ist.*) Es handelt
sich hier um Imponderabilien in der Brust des Mannes, die nicht verletzt werden
sollten. Es ist unsere feste Überzeugung, an dein Tage, an dem die Mehrheit
der deutschen Männer es nicht mehr als unwürdig empfände, durch behördliche
Anordnung einer Frau als Untergebener zugewiesen zu werden, hätten wir
einen bedenklichen Markstein auf der Bahn des Niederganges unseres Volkes
erreicht. Der Anspruch der Frauenrechtlerinnen auf Leitung öffentlicher Schulen,
an denen Männer wirken, bildet nur eine Staffel auf dem Wege amtlicher
Gleichstellung von Mann und Weib im ganzen öffentlichen Leben. Diese
bedeutet aber eine Verwüstung aller Gemütswerte in der weiblichen Eigenart,
gerade ihres köstlichen Besitzes, und damit eine Verwüstung des Familienlebens
und der Kindererziehung.

Die hessische, sächsische und indische Regierung haben in richtiger Wert-
schätzung männlicher und weiblicher Persönlichkeit gehandelt, als sie die weibliche
Leitung öffentlicher Schulen ausschlossen. Sie haben damit unserem Volke einen
größeren Dienst erwiesen, als wenn sie dem unheilvollen Beispiele der preußischen
Negierung gefolgt wären und dem Standpunkte der Frauenrechtlerinnen, den
durchaus nicht alle deutschen Frauen teilen, durch Gewährung weiblicher Leitung
öffentlicher Mädchenschulen Zugeständnisse gemacht hätten.


Realschuldirektor Hensing i

") Nach der preußischen Dienstanweisung ist z. B. der Direktor (und damit auch die
Direktorin) verpflichtet, wenn seine Erinnerung nicht ausreicht, mit Entschiedenheit einzu¬
greifen. Er soll die Mittel anwenden, die einem Vorgesetzten nach dem Disziplinargesetze zu¬
stehen, und diese sind Warnung und Verweis.
Rumpfe unserer Lehrerschaft

viel größere Lebenserfahrung; in seiner Eigenschaft als Gatte und Vater dürfte
er eine größere Kenntnis des weiblichen Seelenlebens haben, als die unver¬
heiratete Lehrerin. Man hat gerade auf seiten der Lehrerinnen in der gemischten
Zusammensetzung des Lehrkörpers einer Mädchenschule Vorteile erblickt und dies
Verhältnis verglichen mit der deutschen Familienerziehung; in der deutschen
Familie aber ist der Mann der ausschlaggebende und leitende Teil. Wo dies
nicht der Fall ist, erscheinen uns die Verhältnisse ungesund und können nicht
als vorbildlich gelten.

Selbstverständlich denken wir hier nur an die Leitung öffentlicher Schulen,
und insofern hat Herr Pollatz seine Überschrift falsch gewählt. An den Privat¬
schulen, wo der Lehrer freiwillige und außerdem sehr geschätzte Dienste tut, die er
jederzeit nach eigenem Ermessen aufgeben kann, liegen die Verhältnisse ganz anders.

Die Befugnisse eines Leiters greifen sehr ins persönliche Gebiet ein; eine
solche „Frau Direktorin" hat ihre Lehrer zu vertreten, sie gegebenen Falles
unter ihren Schutz zu nehmen, sie kann an ihren Stunden teilnehmen, Berichte
über ihre sittlichen, wissenschaftlichen und methodischen Fähigkeiten erstatten, ihre
Hefte zur Nachprüfung einfordern, ihnen Weisungen oder Rügen erteilen usw.,
ihr stehen also Rechte zu, deren Ausübung von einer Frau einem Manne gegen¬
über sür einen männlich empfindenden Mann unerträglich ist.*) Es handelt
sich hier um Imponderabilien in der Brust des Mannes, die nicht verletzt werden
sollten. Es ist unsere feste Überzeugung, an dein Tage, an dem die Mehrheit
der deutschen Männer es nicht mehr als unwürdig empfände, durch behördliche
Anordnung einer Frau als Untergebener zugewiesen zu werden, hätten wir
einen bedenklichen Markstein auf der Bahn des Niederganges unseres Volkes
erreicht. Der Anspruch der Frauenrechtlerinnen auf Leitung öffentlicher Schulen,
an denen Männer wirken, bildet nur eine Staffel auf dem Wege amtlicher
Gleichstellung von Mann und Weib im ganzen öffentlichen Leben. Diese
bedeutet aber eine Verwüstung aller Gemütswerte in der weiblichen Eigenart,
gerade ihres köstlichen Besitzes, und damit eine Verwüstung des Familienlebens
und der Kindererziehung.

Die hessische, sächsische und indische Regierung haben in richtiger Wert-
schätzung männlicher und weiblicher Persönlichkeit gehandelt, als sie die weibliche
Leitung öffentlicher Schulen ausschlossen. Sie haben damit unserem Volke einen
größeren Dienst erwiesen, als wenn sie dem unheilvollen Beispiele der preußischen
Negierung gefolgt wären und dem Standpunkte der Frauenrechtlerinnen, den
durchaus nicht alle deutschen Frauen teilen, durch Gewährung weiblicher Leitung
öffentlicher Mädchenschulen Zugeständnisse gemacht hätten.


Realschuldirektor Hensing i

") Nach der preußischen Dienstanweisung ist z. B. der Direktor (und damit auch die
Direktorin) verpflichtet, wenn seine Erinnerung nicht ausreicht, mit Entschiedenheit einzu¬
greifen. Er soll die Mittel anwenden, die einem Vorgesetzten nach dem Disziplinargesetze zu¬
stehen, und diese sind Warnung und Verweis.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0177" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326347"/>
            <fw type="header" place="top"> Rumpfe unserer Lehrerschaft</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_803" prev="#ID_802"> viel größere Lebenserfahrung; in seiner Eigenschaft als Gatte und Vater dürfte<lb/>
er eine größere Kenntnis des weiblichen Seelenlebens haben, als die unver¬<lb/>
heiratete Lehrerin. Man hat gerade auf seiten der Lehrerinnen in der gemischten<lb/>
Zusammensetzung des Lehrkörpers einer Mädchenschule Vorteile erblickt und dies<lb/>
Verhältnis verglichen mit der deutschen Familienerziehung; in der deutschen<lb/>
Familie aber ist der Mann der ausschlaggebende und leitende Teil. Wo dies<lb/>
nicht der Fall ist, erscheinen uns die Verhältnisse ungesund und können nicht<lb/>
als vorbildlich gelten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_804"> Selbstverständlich denken wir hier nur an die Leitung öffentlicher Schulen,<lb/>
und insofern hat Herr Pollatz seine Überschrift falsch gewählt. An den Privat¬<lb/>
schulen, wo der Lehrer freiwillige und außerdem sehr geschätzte Dienste tut, die er<lb/>
jederzeit nach eigenem Ermessen aufgeben kann, liegen die Verhältnisse ganz anders.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_805"> Die Befugnisse eines Leiters greifen sehr ins persönliche Gebiet ein; eine<lb/>
solche &#x201E;Frau Direktorin" hat ihre Lehrer zu vertreten, sie gegebenen Falles<lb/>
unter ihren Schutz zu nehmen, sie kann an ihren Stunden teilnehmen, Berichte<lb/>
über ihre sittlichen, wissenschaftlichen und methodischen Fähigkeiten erstatten, ihre<lb/>
Hefte zur Nachprüfung einfordern, ihnen Weisungen oder Rügen erteilen usw.,<lb/>
ihr stehen also Rechte zu, deren Ausübung von einer Frau einem Manne gegen¬<lb/>
über sür einen männlich empfindenden Mann unerträglich ist.*) Es handelt<lb/>
sich hier um Imponderabilien in der Brust des Mannes, die nicht verletzt werden<lb/>
sollten. Es ist unsere feste Überzeugung, an dein Tage, an dem die Mehrheit<lb/>
der deutschen Männer es nicht mehr als unwürdig empfände, durch behördliche<lb/>
Anordnung einer Frau als Untergebener zugewiesen zu werden, hätten wir<lb/>
einen bedenklichen Markstein auf der Bahn des Niederganges unseres Volkes<lb/>
erreicht. Der Anspruch der Frauenrechtlerinnen auf Leitung öffentlicher Schulen,<lb/>
an denen Männer wirken, bildet nur eine Staffel auf dem Wege amtlicher<lb/>
Gleichstellung von Mann und Weib im ganzen öffentlichen Leben. Diese<lb/>
bedeutet aber eine Verwüstung aller Gemütswerte in der weiblichen Eigenart,<lb/>
gerade ihres köstlichen Besitzes, und damit eine Verwüstung des Familienlebens<lb/>
und der Kindererziehung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_806"> Die hessische, sächsische und indische Regierung haben in richtiger Wert-<lb/>
schätzung männlicher und weiblicher Persönlichkeit gehandelt, als sie die weibliche<lb/>
Leitung öffentlicher Schulen ausschlossen. Sie haben damit unserem Volke einen<lb/>
größeren Dienst erwiesen, als wenn sie dem unheilvollen Beispiele der preußischen<lb/>
Negierung gefolgt wären und dem Standpunkte der Frauenrechtlerinnen, den<lb/>
durchaus nicht alle deutschen Frauen teilen, durch Gewährung weiblicher Leitung<lb/>
öffentlicher Mädchenschulen Zugeständnisse gemacht hätten.</p><lb/>
            <note type="byline"> Realschuldirektor Hensing i</note><lb/>
            <note xml:id="FID_65" place="foot"> ") Nach der preußischen Dienstanweisung ist z. B. der Direktor (und damit auch die<lb/>
Direktorin) verpflichtet, wenn seine Erinnerung nicht ausreicht, mit Entschiedenheit einzu¬<lb/>
greifen. Er soll die Mittel anwenden, die einem Vorgesetzten nach dem Disziplinargesetze zu¬<lb/>
stehen, und diese sind Warnung und Verweis.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0177] Rumpfe unserer Lehrerschaft viel größere Lebenserfahrung; in seiner Eigenschaft als Gatte und Vater dürfte er eine größere Kenntnis des weiblichen Seelenlebens haben, als die unver¬ heiratete Lehrerin. Man hat gerade auf seiten der Lehrerinnen in der gemischten Zusammensetzung des Lehrkörpers einer Mädchenschule Vorteile erblickt und dies Verhältnis verglichen mit der deutschen Familienerziehung; in der deutschen Familie aber ist der Mann der ausschlaggebende und leitende Teil. Wo dies nicht der Fall ist, erscheinen uns die Verhältnisse ungesund und können nicht als vorbildlich gelten. Selbstverständlich denken wir hier nur an die Leitung öffentlicher Schulen, und insofern hat Herr Pollatz seine Überschrift falsch gewählt. An den Privat¬ schulen, wo der Lehrer freiwillige und außerdem sehr geschätzte Dienste tut, die er jederzeit nach eigenem Ermessen aufgeben kann, liegen die Verhältnisse ganz anders. Die Befugnisse eines Leiters greifen sehr ins persönliche Gebiet ein; eine solche „Frau Direktorin" hat ihre Lehrer zu vertreten, sie gegebenen Falles unter ihren Schutz zu nehmen, sie kann an ihren Stunden teilnehmen, Berichte über ihre sittlichen, wissenschaftlichen und methodischen Fähigkeiten erstatten, ihre Hefte zur Nachprüfung einfordern, ihnen Weisungen oder Rügen erteilen usw., ihr stehen also Rechte zu, deren Ausübung von einer Frau einem Manne gegen¬ über sür einen männlich empfindenden Mann unerträglich ist.*) Es handelt sich hier um Imponderabilien in der Brust des Mannes, die nicht verletzt werden sollten. Es ist unsere feste Überzeugung, an dein Tage, an dem die Mehrheit der deutschen Männer es nicht mehr als unwürdig empfände, durch behördliche Anordnung einer Frau als Untergebener zugewiesen zu werden, hätten wir einen bedenklichen Markstein auf der Bahn des Niederganges unseres Volkes erreicht. Der Anspruch der Frauenrechtlerinnen auf Leitung öffentlicher Schulen, an denen Männer wirken, bildet nur eine Staffel auf dem Wege amtlicher Gleichstellung von Mann und Weib im ganzen öffentlichen Leben. Diese bedeutet aber eine Verwüstung aller Gemütswerte in der weiblichen Eigenart, gerade ihres köstlichen Besitzes, und damit eine Verwüstung des Familienlebens und der Kindererziehung. Die hessische, sächsische und indische Regierung haben in richtiger Wert- schätzung männlicher und weiblicher Persönlichkeit gehandelt, als sie die weibliche Leitung öffentlicher Schulen ausschlossen. Sie haben damit unserem Volke einen größeren Dienst erwiesen, als wenn sie dem unheilvollen Beispiele der preußischen Negierung gefolgt wären und dem Standpunkte der Frauenrechtlerinnen, den durchaus nicht alle deutschen Frauen teilen, durch Gewährung weiblicher Leitung öffentlicher Mädchenschulen Zugeständnisse gemacht hätten. Realschuldirektor Hensing i ") Nach der preußischen Dienstanweisung ist z. B. der Direktor (und damit auch die Direktorin) verpflichtet, wenn seine Erinnerung nicht ausreicht, mit Entschiedenheit einzu¬ greifen. Er soll die Mittel anwenden, die einem Vorgesetzten nach dem Disziplinargesetze zu¬ stehen, und diese sind Warnung und Verweis.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/177
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/177>, abgerufen am 28.12.2024.