Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Die armenisch-kurdische Frage Persern, Kriege, die sich bis in das sechzehnte Jahrhundert hinzogen und den Das andere armenische Reich, Klein - Armenien, hatte im Altertum seine Zu der politischen Zerrissenheit kam noch die religiöse. Seitdem die Unter der türkisch - osmanischen Herrschaft (etwa von 1520 an) ist es den *) Auch anderwärts hatten sich Armenier in hohen Staatsstellungen bewährt. Es
war ein armenischer Minister, Badr al Gamali, gewesen, der mit seinen armenischen Truppen das ägyptische Fatimidenreich in: elften Jahrhundert vor den? Untergang gerettet hat. Die armenisch-kurdische Frage Persern, Kriege, die sich bis in das sechzehnte Jahrhundert hinzogen und den Das andere armenische Reich, Klein - Armenien, hatte im Altertum seine Zu der politischen Zerrissenheit kam noch die religiöse. Seitdem die Unter der türkisch - osmanischen Herrschaft (etwa von 1520 an) ist es den *) Auch anderwärts hatten sich Armenier in hohen Staatsstellungen bewährt. Es
war ein armenischer Minister, Badr al Gamali, gewesen, der mit seinen armenischen Truppen das ägyptische Fatimidenreich in: elften Jahrhundert vor den? Untergang gerettet hat. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326187"/> <fw type="header" place="top"> Die armenisch-kurdische Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_24" prev="#ID_23"> Persern, Kriege, die sich bis in das sechzehnte Jahrhundert hinzogen und den<lb/> Ruin des Landes vollendeten.</p><lb/> <p xml:id="ID_25"> Das andere armenische Reich, Klein - Armenien, hatte im Altertum seine<lb/> Selbständigkeit schon früher verloren und war zunächst römische, dann byzantinische<lb/> Provinz geworden, schließlich Tummelplatz der Kämpfe zwischen Byzantinern und<lb/> Mohammedanern. Begünstigt durch seine Lage in zum Teil schwer zugäng¬<lb/> lichen Hochgebirge konnte sich das Land zwar in einem günstigen Moment (1080).<lb/> wo die beiden Grenzmächte erschöpft waren, zu einem neuen selbständigen<lb/> Reiche gestalten. Aber in beständigem Kampf mit den kleinasiatischen Türken<lb/> (den Seldschuken von Rum) und den Mamelukensultanen von Ägypten, seit<lb/> 1240 auch mit den Mongolen, konnte es keine größere Bedeutung gewinnen<lb/> und erlag 1375 einem stärkeren Angriff der Mameluken. Seit dieser Zeit<lb/> haben es die Armenier nie mehr zu einer staatlichen Selbständigkeit gebracht<lb/> und haben jeden Wechsel ihrer Herren über sich ergehen lassen, ohne je einen<lb/> Versuch zur Wiedergewinnung ihrer nationalen Freiheit zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_26"> Zu der politischen Zerrissenheit kam noch die religiöse. Seitdem die<lb/> armenische Kirche sich auf dem Konzil von Chalcedon 551 von Rom getrennt<lb/> hatte, waren Versuche zu einer Wiedervereinigung das ganze Mittelalter hin¬<lb/> durch von beiden Seiten unternommen worden. Aber erst 1439 kam eine Union<lb/> der außerhalb Armeniens lebenden Armenier mit Rom zustande. Römische<lb/> Propaganda, von Jesuiten betrieben, setzte in Armenien unter Ludwig dem<lb/> Vierzehnten ein. ist aber im ganzen von geringem Erfolg gewesen. Zum Ausdruck<lb/> kam der Gegensatz zwischen katholischen und orthodoxen Armeniern in den letzten<lb/> Jahrzehnten, als sich die katholischen (unierten) von der nationalistischen Propa¬<lb/> ganda fernhielten, wogegen die von der amerikanischen und englischen Mission<lb/> (seit 1839) gewonnenen Protestanten sich ihr anschlössen.</p><lb/> <p xml:id="ID_27" next="#ID_28"> Unter der türkisch - osmanischen Herrschaft (etwa von 1520 an) ist es den<lb/> Armeniern nicht schlimmer ergangen als den anderen Rajahvölkern, jedenfalls<lb/> besser als den Nationen des Balkans. Seit Jahrhunderten in Berührung mit<lb/> Stämmen türkischer Sprache (Seldschuken, Turkmanen, Osmanen) haben sich<lb/> ganze Teile des Volkes die Sprache der Herren angeeignet, wieder im Gegensatz<lb/> zu den anderen christlichen Völkern des Reiches. Dieser Vorzug und die ihre<lb/> Herren wie Konkurrenten weit überragende Begabung für das Erwerbsleben<lb/> verschaffte den Armeniern bald Zutritt zum türkischen Staatsdienst bis in die<lb/> höchsten Stellungen*), wobei Glaubenswechsel nicht so häufig vorkam wie bei<lb/> Griechen und Slawen. Die Folge war ein immer stärker anschwellender Zu¬<lb/> strom von Armeniern nach Konstantinopel und dem nordwestlichen Kleinasien,<lb/> wo sie bald gefährliche Konkurrenten der Griechen im Handel wurden. Den<lb/> Türken konnte der Gegensatz zwischen den beiden christlichen Rivalen nur will-</p><lb/> <note xml:id="FID_5" place="foot"> *) Auch anderwärts hatten sich Armenier in hohen Staatsstellungen bewährt. Es<lb/> war ein armenischer Minister, Badr al Gamali, gewesen, der mit seinen armenischen<lb/> Truppen das ägyptische Fatimidenreich in: elften Jahrhundert vor den? Untergang gerettet hat.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Die armenisch-kurdische Frage
Persern, Kriege, die sich bis in das sechzehnte Jahrhundert hinzogen und den
Ruin des Landes vollendeten.
Das andere armenische Reich, Klein - Armenien, hatte im Altertum seine
Selbständigkeit schon früher verloren und war zunächst römische, dann byzantinische
Provinz geworden, schließlich Tummelplatz der Kämpfe zwischen Byzantinern und
Mohammedanern. Begünstigt durch seine Lage in zum Teil schwer zugäng¬
lichen Hochgebirge konnte sich das Land zwar in einem günstigen Moment (1080).
wo die beiden Grenzmächte erschöpft waren, zu einem neuen selbständigen
Reiche gestalten. Aber in beständigem Kampf mit den kleinasiatischen Türken
(den Seldschuken von Rum) und den Mamelukensultanen von Ägypten, seit
1240 auch mit den Mongolen, konnte es keine größere Bedeutung gewinnen
und erlag 1375 einem stärkeren Angriff der Mameluken. Seit dieser Zeit
haben es die Armenier nie mehr zu einer staatlichen Selbständigkeit gebracht
und haben jeden Wechsel ihrer Herren über sich ergehen lassen, ohne je einen
Versuch zur Wiedergewinnung ihrer nationalen Freiheit zu machen.
Zu der politischen Zerrissenheit kam noch die religiöse. Seitdem die
armenische Kirche sich auf dem Konzil von Chalcedon 551 von Rom getrennt
hatte, waren Versuche zu einer Wiedervereinigung das ganze Mittelalter hin¬
durch von beiden Seiten unternommen worden. Aber erst 1439 kam eine Union
der außerhalb Armeniens lebenden Armenier mit Rom zustande. Römische
Propaganda, von Jesuiten betrieben, setzte in Armenien unter Ludwig dem
Vierzehnten ein. ist aber im ganzen von geringem Erfolg gewesen. Zum Ausdruck
kam der Gegensatz zwischen katholischen und orthodoxen Armeniern in den letzten
Jahrzehnten, als sich die katholischen (unierten) von der nationalistischen Propa¬
ganda fernhielten, wogegen die von der amerikanischen und englischen Mission
(seit 1839) gewonnenen Protestanten sich ihr anschlössen.
Unter der türkisch - osmanischen Herrschaft (etwa von 1520 an) ist es den
Armeniern nicht schlimmer ergangen als den anderen Rajahvölkern, jedenfalls
besser als den Nationen des Balkans. Seit Jahrhunderten in Berührung mit
Stämmen türkischer Sprache (Seldschuken, Turkmanen, Osmanen) haben sich
ganze Teile des Volkes die Sprache der Herren angeeignet, wieder im Gegensatz
zu den anderen christlichen Völkern des Reiches. Dieser Vorzug und die ihre
Herren wie Konkurrenten weit überragende Begabung für das Erwerbsleben
verschaffte den Armeniern bald Zutritt zum türkischen Staatsdienst bis in die
höchsten Stellungen*), wobei Glaubenswechsel nicht so häufig vorkam wie bei
Griechen und Slawen. Die Folge war ein immer stärker anschwellender Zu¬
strom von Armeniern nach Konstantinopel und dem nordwestlichen Kleinasien,
wo sie bald gefährliche Konkurrenten der Griechen im Handel wurden. Den
Türken konnte der Gegensatz zwischen den beiden christlichen Rivalen nur will-
*) Auch anderwärts hatten sich Armenier in hohen Staatsstellungen bewährt. Es
war ein armenischer Minister, Badr al Gamali, gewesen, der mit seinen armenischen
Truppen das ägyptische Fatimidenreich in: elften Jahrhundert vor den? Untergang gerettet hat.
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