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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Verdeutschen und Verdeutschungen

In Wetter Ferne sah man die gejagten Wolken rot beleuchtet.

"Was ist das dort. Maddis?" schrie Wolfs Joachim.

"Weiß nicht, Jungherr!" schrie der Alte zmück. "Brennt jede Nacht
irgendwo. Gott schütze Borküll!"

Da tauchten die hohen Pappeln auf, bei denen der Weg aufs Gut abbog.
Hell leuchteten die drei großen Saalfenster des Schlosses.

Wolfs Joachim atmete befreit auf. Noch stand die Heimat unversehrt.
Noch weckten die hohen alten Dächer in seinem Herzen dieselbe Freude, die
den Knaben erfüllt hatte, wenn er aus der Pension zu den Ferien nach Hause kam.

Nein -- dieses liebe alte Borküll gab man nicht so ohne weiteres auf. . .

(Fortsetzung folgt)




Verdeutschen und Verdeutschungen
Dr. Fritz Roepke von in

usländer pflegen sich über die große Zahl unserer Fremdwörter
lustig zu machen. Der veistorbene Adolf Tobler gab gewöhnlich
solchen Leuten als Abwehr zur Antwort: der Gebrauch von
Fremdwörtern ist keine Schande; nur ein Beweis, daß man sich
in der Welt umgesehen hat.

Deutschland ist das Land der Übersetzungen. Nirgends werden so viele
fremde Autoren verlegt und gelesen wie bei uns. Eduard Engel hat einmal
von der Übersetzungsseuche in Deutschland gesprochen. Aber ebensowenig wie
der Gebrauch von Fremdwörtern auf eine wortarme Muttersprache deutet, kann
man von der Schätzung ausländischer Literatur auf mangelnde Originalität der
heimischen schließen. Sie beweist nur Kenntnis und Einfühlungsvermögen.
Sie ist kein Hauptfaktor unserer Kultur, aber sie erhebt uns in die Sphäre
kosmischen Miterlebens und erhöht unser Menschheitsbewußtsein.

Damit soll nicht der Verlegenheitsübersetzung das Wort geredet werden.
Überflüssigkeiten stellungsloser Gouvernanten und von spekulativen Verlegern
ausgegrabene Nichtigkeiten können nicht energisch genug in den Grund gebohrt
werden. Was uns nicht neue, assozierbare Werte bringt, vergeudet unsere Zeit
und Energie, kann unser nationales geistiges Leben verfälschen und hemmen.
Die erste Forderung an alle Übersetzer lautet: abwägende Auswahl.


Verdeutschen und Verdeutschungen

In Wetter Ferne sah man die gejagten Wolken rot beleuchtet.

„Was ist das dort. Maddis?" schrie Wolfs Joachim.

„Weiß nicht, Jungherr!" schrie der Alte zmück. „Brennt jede Nacht
irgendwo. Gott schütze Borküll!"

Da tauchten die hohen Pappeln auf, bei denen der Weg aufs Gut abbog.
Hell leuchteten die drei großen Saalfenster des Schlosses.

Wolfs Joachim atmete befreit auf. Noch stand die Heimat unversehrt.
Noch weckten die hohen alten Dächer in seinem Herzen dieselbe Freude, die
den Knaben erfüllt hatte, wenn er aus der Pension zu den Ferien nach Hause kam.

Nein — dieses liebe alte Borküll gab man nicht so ohne weiteres auf. . .

(Fortsetzung folgt)




Verdeutschen und Verdeutschungen
Dr. Fritz Roepke von in

usländer pflegen sich über die große Zahl unserer Fremdwörter
lustig zu machen. Der veistorbene Adolf Tobler gab gewöhnlich
solchen Leuten als Abwehr zur Antwort: der Gebrauch von
Fremdwörtern ist keine Schande; nur ein Beweis, daß man sich
in der Welt umgesehen hat.

Deutschland ist das Land der Übersetzungen. Nirgends werden so viele
fremde Autoren verlegt und gelesen wie bei uns. Eduard Engel hat einmal
von der Übersetzungsseuche in Deutschland gesprochen. Aber ebensowenig wie
der Gebrauch von Fremdwörtern auf eine wortarme Muttersprache deutet, kann
man von der Schätzung ausländischer Literatur auf mangelnde Originalität der
heimischen schließen. Sie beweist nur Kenntnis und Einfühlungsvermögen.
Sie ist kein Hauptfaktor unserer Kultur, aber sie erhebt uns in die Sphäre
kosmischen Miterlebens und erhöht unser Menschheitsbewußtsein.

Damit soll nicht der Verlegenheitsübersetzung das Wort geredet werden.
Überflüssigkeiten stellungsloser Gouvernanten und von spekulativen Verlegern
ausgegrabene Nichtigkeiten können nicht energisch genug in den Grund gebohrt
werden. Was uns nicht neue, assozierbare Werte bringt, vergeudet unsere Zeit
und Energie, kann unser nationales geistiges Leben verfälschen und hemmen.
Die erste Forderung an alle Übersetzer lautet: abwägende Auswahl.


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[0146] Verdeutschen und Verdeutschungen In Wetter Ferne sah man die gejagten Wolken rot beleuchtet. „Was ist das dort. Maddis?" schrie Wolfs Joachim. „Weiß nicht, Jungherr!" schrie der Alte zmück. „Brennt jede Nacht irgendwo. Gott schütze Borküll!" Da tauchten die hohen Pappeln auf, bei denen der Weg aufs Gut abbog. Hell leuchteten die drei großen Saalfenster des Schlosses. Wolfs Joachim atmete befreit auf. Noch stand die Heimat unversehrt. Noch weckten die hohen alten Dächer in seinem Herzen dieselbe Freude, die den Knaben erfüllt hatte, wenn er aus der Pension zu den Ferien nach Hause kam. Nein — dieses liebe alte Borküll gab man nicht so ohne weiteres auf. . . (Fortsetzung folgt) Verdeutschen und Verdeutschungen Dr. Fritz Roepke von in usländer pflegen sich über die große Zahl unserer Fremdwörter lustig zu machen. Der veistorbene Adolf Tobler gab gewöhnlich solchen Leuten als Abwehr zur Antwort: der Gebrauch von Fremdwörtern ist keine Schande; nur ein Beweis, daß man sich in der Welt umgesehen hat. Deutschland ist das Land der Übersetzungen. Nirgends werden so viele fremde Autoren verlegt und gelesen wie bei uns. Eduard Engel hat einmal von der Übersetzungsseuche in Deutschland gesprochen. Aber ebensowenig wie der Gebrauch von Fremdwörtern auf eine wortarme Muttersprache deutet, kann man von der Schätzung ausländischer Literatur auf mangelnde Originalität der heimischen schließen. Sie beweist nur Kenntnis und Einfühlungsvermögen. Sie ist kein Hauptfaktor unserer Kultur, aber sie erhebt uns in die Sphäre kosmischen Miterlebens und erhöht unser Menschheitsbewußtsein. Damit soll nicht der Verlegenheitsübersetzung das Wort geredet werden. Überflüssigkeiten stellungsloser Gouvernanten und von spekulativen Verlegern ausgegrabene Nichtigkeiten können nicht energisch genug in den Grund gebohrt werden. Was uns nicht neue, assozierbare Werte bringt, vergeudet unsere Zeit und Energie, kann unser nationales geistiges Leben verfälschen und hemmen. Die erste Forderung an alle Übersetzer lautet: abwägende Auswahl.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/146>, abgerufen am 27.12.2024.