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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Sturm

"Hab den Pritz nich mitgenommen. Ist auch nicht mehr kanscher! Trauen
kann man keinem nich mehr. Alle rennen sie in den Wald zu den Meetings. Ich
wollt dem Herrn Baron viel erzählenI"

"Also los, Maddis! Laß mich kutschieren und sprich du!"

Wolfs Joachim schwang sich auf den hohen Sitz des leichten Lnar ü bane.
Maddis folgte ihm, und auf den Zungenschlag des Herrn stoben die Rappen
davon in den Wald hinein.

"Kein Mann war im Haus!" jammerte der Alte, nachdem er von Kirschs
Verschwinden berichtet hatte. "Denn was der Maler ist, das ist nu eigentlich
kein Mann!"

"Der Maler?"

"Da ist doch einer auf dem Schloß, der, wo der Vetter is von das
Fräulein Madelung. Das weiß doch der Herr Baron. Unser Pastor hat sie
geheiratet."

"Ach -- Fräulein Angsthase!"

"Ja, ja. Der is nu zu Besuch gekommen, und auf einmal war er auf
dem Schlosse. Na -- und nu war doch die Geschichte mit dem Barry. Es
war ja auch unheimlich für die Damen. Da blieb er denn und is nu nich
wieder wech. Das gnädige Fräulein Mara ist immerzu mit ihm gegangen und
-- na ja -- und -- sie reden den ganzen Tag und überhaupt reden tut er
mehr wie malen. Auf dem Hof bei dem Streik hat er auch geredt, und der
Herr Baron Schledehausen war so wütend, als ers gehört hat und wollte, daß
er auf der Stelle nach Hause sollte. Aber Fräulein Mara paßte das woll
nich, und nu is er eben immer noch da,"

"Den wollen wir uns mal ansehen!"

"Ach ja, bitte, JungherrI" Maddis seufzte erleichtert. "Man wußte gar
nicht, woran mer waren. Frau Gräfin hat geschimpft und will keine Prennerei
und der Mensch von Maler sagt, ist richtig: Prennerei ist Sünde. Land ist
besser wie Geld. Wollt den Arbeitern Rodeland geben. Arbeiter schrien:
Land ist gut, aber Geld wollen wir auch. Und sie haben gestreikt".

"Teufel auch -- diese Wirtschaft! Na -- da soll ein Blitz drein-
schlagen!"

"Nein Jungherr! nicht Blitz, nicht Blitz! Is schlimme Sache schon zu
schlimm, das reine Pulverfaß! Blitz is gefährlich. Ableiters braucht Borküll ..."

"Na -- werden sehen ..."

Der Wagen verließ jetzt den Wald und zu beiden Seiten der Landstraße
breiteten sich Felder und Wiesen. Der Sturm, gegen den die Mauer der hohen
Bäume bis jetzt Schutz gewährt hatte, faßte das leichte Gefährt mit voller
Wucht, so daß der Lenker Mühe hatte, die Pferde in der Mitte der Straße zu
halten. Wie ein Chorus gewaltiger Stimmen brauste es über die Ebene her
und übertönte die Worte der beiden Männer.


Sturm

„Hab den Pritz nich mitgenommen. Ist auch nicht mehr kanscher! Trauen
kann man keinem nich mehr. Alle rennen sie in den Wald zu den Meetings. Ich
wollt dem Herrn Baron viel erzählenI"

„Also los, Maddis! Laß mich kutschieren und sprich du!"

Wolfs Joachim schwang sich auf den hohen Sitz des leichten Lnar ü bane.
Maddis folgte ihm, und auf den Zungenschlag des Herrn stoben die Rappen
davon in den Wald hinein.

„Kein Mann war im Haus!" jammerte der Alte, nachdem er von Kirschs
Verschwinden berichtet hatte. „Denn was der Maler ist, das ist nu eigentlich
kein Mann!"

„Der Maler?"

„Da ist doch einer auf dem Schloß, der, wo der Vetter is von das
Fräulein Madelung. Das weiß doch der Herr Baron. Unser Pastor hat sie
geheiratet."

„Ach — Fräulein Angsthase!"

„Ja, ja. Der is nu zu Besuch gekommen, und auf einmal war er auf
dem Schlosse. Na — und nu war doch die Geschichte mit dem Barry. Es
war ja auch unheimlich für die Damen. Da blieb er denn und is nu nich
wieder wech. Das gnädige Fräulein Mara ist immerzu mit ihm gegangen und
— na ja — und — sie reden den ganzen Tag und überhaupt reden tut er
mehr wie malen. Auf dem Hof bei dem Streik hat er auch geredt, und der
Herr Baron Schledehausen war so wütend, als ers gehört hat und wollte, daß
er auf der Stelle nach Hause sollte. Aber Fräulein Mara paßte das woll
nich, und nu is er eben immer noch da,"

„Den wollen wir uns mal ansehen!"

„Ach ja, bitte, JungherrI" Maddis seufzte erleichtert. „Man wußte gar
nicht, woran mer waren. Frau Gräfin hat geschimpft und will keine Prennerei
und der Mensch von Maler sagt, ist richtig: Prennerei ist Sünde. Land ist
besser wie Geld. Wollt den Arbeitern Rodeland geben. Arbeiter schrien:
Land ist gut, aber Geld wollen wir auch. Und sie haben gestreikt".

„Teufel auch — diese Wirtschaft! Na — da soll ein Blitz drein-
schlagen!"

„Nein Jungherr! nicht Blitz, nicht Blitz! Is schlimme Sache schon zu
schlimm, das reine Pulverfaß! Blitz is gefährlich. Ableiters braucht Borküll ..."

„Na — werden sehen ..."

Der Wagen verließ jetzt den Wald und zu beiden Seiten der Landstraße
breiteten sich Felder und Wiesen. Der Sturm, gegen den die Mauer der hohen
Bäume bis jetzt Schutz gewährt hatte, faßte das leichte Gefährt mit voller
Wucht, so daß der Lenker Mühe hatte, die Pferde in der Mitte der Straße zu
halten. Wie ein Chorus gewaltiger Stimmen brauste es über die Ebene her
und übertönte die Worte der beiden Männer.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/145>, abgerufen am 28.12.2024.