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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Hturm
Roman
Max Ludwig- vonsAchte Fortsetzung)

Auch im Aktienklub schäumte der Champagner in den Gläsern. Eine
tatendurstige Stimmung beseelte die Jugend, die sich in den vertrauten Räumen
zusammengefunden hatte, diesmal nicht zum sorglosen Tändeln eines Ballabends,
sondern zu ernster Beratung im Kampfe um das bedrohte Heimatland.

Das Läuten des Telephons hatte den ganzen Tag nicht ausgesetzt. Graf
Woldemar von Hahn war beauftragt worden, die Nachrichten, die aus allen
Teilen Estlands einliefen, niederzuschreiben. Viele Blätter lagen bereits auf dem
Tisch, beschrieben mit den ungeschickten Zügen seiner Schülerhandschrift. Wenn
sie jemand nicht entziffern konnte, dann eilte Wolly dienstbereit hinzu und las
mit wichtiger Stimme vor, was er geschrieben hatte.

Die Hahns waren schon seit mehreren Tagen in der Stadt. Sie hatten
Rosenhof auf das energische Verlangen Schledehausens und Wenkendorffs ver¬
lassen, noch bevor das Gut eigentlich in ernster Gefahr gewesen war.

"Ich hatte nämlich schon die ganze Verteidigung organisiert. Jeden
Morgen hatten wir Schießstunde, und selbst Mama hat auf zwanzig Schritte
ins Schwarze getroffen. Wahrhaftig -- ich hatte keine Angst. Sie hätten nur
kommen sollen. ..."

Tatsächlich hatte Graf Wolly ein Dutzend Karnickel aus dem Stall des
entlassenen Gärtners auf den Hof hinausgejagt und als Zielscheibe benutzt.
Vielleicht hätte noch mehr Kleinvieh daran glauben müssen, wenn Wenkendorff
dem kindischen Gemetzel nicht kurzerhand ein Ende gemacht, und die alte
Gräfin durch absichtliche Übertreibung der Gefahr zur schleunigen Abreise
gedrängt hätte.

Dick unterstrichen stand es in den Blättern, daß Nosenhofs linker Flügel
in der Nacht vorher in Flammen aufgegangen war. Halb weinend, halb lachend
las Wolly jedem diese Nachricht vor: "Ich bin nämlich dort geboren!" sagte
er zur Erklärung seiner Ergriffenheit. "sowas nimmt einen mit. Aber wir
sind gut versichert!" fügte er jedesmal mit listigen Ausdruck seines blassen
Jungengesichts hinzu.




Hturm
Roman
Max Ludwig- vonsAchte Fortsetzung)

Auch im Aktienklub schäumte der Champagner in den Gläsern. Eine
tatendurstige Stimmung beseelte die Jugend, die sich in den vertrauten Räumen
zusammengefunden hatte, diesmal nicht zum sorglosen Tändeln eines Ballabends,
sondern zu ernster Beratung im Kampfe um das bedrohte Heimatland.

Das Läuten des Telephons hatte den ganzen Tag nicht ausgesetzt. Graf
Woldemar von Hahn war beauftragt worden, die Nachrichten, die aus allen
Teilen Estlands einliefen, niederzuschreiben. Viele Blätter lagen bereits auf dem
Tisch, beschrieben mit den ungeschickten Zügen seiner Schülerhandschrift. Wenn
sie jemand nicht entziffern konnte, dann eilte Wolly dienstbereit hinzu und las
mit wichtiger Stimme vor, was er geschrieben hatte.

Die Hahns waren schon seit mehreren Tagen in der Stadt. Sie hatten
Rosenhof auf das energische Verlangen Schledehausens und Wenkendorffs ver¬
lassen, noch bevor das Gut eigentlich in ernster Gefahr gewesen war.

„Ich hatte nämlich schon die ganze Verteidigung organisiert. Jeden
Morgen hatten wir Schießstunde, und selbst Mama hat auf zwanzig Schritte
ins Schwarze getroffen. Wahrhaftig — ich hatte keine Angst. Sie hätten nur
kommen sollen. ..."

Tatsächlich hatte Graf Wolly ein Dutzend Karnickel aus dem Stall des
entlassenen Gärtners auf den Hof hinausgejagt und als Zielscheibe benutzt.
Vielleicht hätte noch mehr Kleinvieh daran glauben müssen, wenn Wenkendorff
dem kindischen Gemetzel nicht kurzerhand ein Ende gemacht, und die alte
Gräfin durch absichtliche Übertreibung der Gefahr zur schleunigen Abreise
gedrängt hätte.

Dick unterstrichen stand es in den Blättern, daß Nosenhofs linker Flügel
in der Nacht vorher in Flammen aufgegangen war. Halb weinend, halb lachend
las Wolly jedem diese Nachricht vor: „Ich bin nämlich dort geboren!" sagte
er zur Erklärung seiner Ergriffenheit. „sowas nimmt einen mit. Aber wir
sind gut versichert!" fügte er jedesmal mit listigen Ausdruck seines blassen
Jungengesichts hinzu.


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[0140] [Abbildung] Hturm Roman Max Ludwig- vonsAchte Fortsetzung) Auch im Aktienklub schäumte der Champagner in den Gläsern. Eine tatendurstige Stimmung beseelte die Jugend, die sich in den vertrauten Räumen zusammengefunden hatte, diesmal nicht zum sorglosen Tändeln eines Ballabends, sondern zu ernster Beratung im Kampfe um das bedrohte Heimatland. Das Läuten des Telephons hatte den ganzen Tag nicht ausgesetzt. Graf Woldemar von Hahn war beauftragt worden, die Nachrichten, die aus allen Teilen Estlands einliefen, niederzuschreiben. Viele Blätter lagen bereits auf dem Tisch, beschrieben mit den ungeschickten Zügen seiner Schülerhandschrift. Wenn sie jemand nicht entziffern konnte, dann eilte Wolly dienstbereit hinzu und las mit wichtiger Stimme vor, was er geschrieben hatte. Die Hahns waren schon seit mehreren Tagen in der Stadt. Sie hatten Rosenhof auf das energische Verlangen Schledehausens und Wenkendorffs ver¬ lassen, noch bevor das Gut eigentlich in ernster Gefahr gewesen war. „Ich hatte nämlich schon die ganze Verteidigung organisiert. Jeden Morgen hatten wir Schießstunde, und selbst Mama hat auf zwanzig Schritte ins Schwarze getroffen. Wahrhaftig — ich hatte keine Angst. Sie hätten nur kommen sollen. ..." Tatsächlich hatte Graf Wolly ein Dutzend Karnickel aus dem Stall des entlassenen Gärtners auf den Hof hinausgejagt und als Zielscheibe benutzt. Vielleicht hätte noch mehr Kleinvieh daran glauben müssen, wenn Wenkendorff dem kindischen Gemetzel nicht kurzerhand ein Ende gemacht, und die alte Gräfin durch absichtliche Übertreibung der Gefahr zur schleunigen Abreise gedrängt hätte. Dick unterstrichen stand es in den Blättern, daß Nosenhofs linker Flügel in der Nacht vorher in Flammen aufgegangen war. Halb weinend, halb lachend las Wolly jedem diese Nachricht vor: „Ich bin nämlich dort geboren!" sagte er zur Erklärung seiner Ergriffenheit. „sowas nimmt einen mit. Aber wir sind gut versichert!" fügte er jedesmal mit listigen Ausdruck seines blassen Jungengesichts hinzu.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/140>, abgerufen am 27.12.2024.