Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichstag und Rcichsfinanzen

leicht erschien, was soeben erörtert wurde, zunächst als Abschweifung. Aber die
nähere Betrachtung dieser mit plausibel klingenden Scheingründen arbeitenden
Auffassung ist ein wesentlicher Bestandteil der hier aufgeworfenen Fragen. Die
Reichsfinanzfragen lassen sich nicht beurteilen und noch weniger lösen, wenn sie
mit unklaren Befürchtungen hinsichtlich der möglichen politischen Folgen bepackt
werden.




Wenn wir nun die Frage, ob es richtig ist, das sogenannte Bismarcksche
Prinzip: "dem Reiche die indirekten, den Einzelstaaten die direkten Steuern" --
aufrechtzuerhalten, aus allen nicht dazu gehörigen Betrachtungen herausgeschält
haben, so müssen wir zunächst noch weiter Kritik üben. Ist denn das, was
wir so ausgedrückt finden, wirklich Bismarcksches Prinzip? Ich möchte mir
starke Zweifel erlauben. Bismarck war überhaupt ein Gegner der direkten
Steuern, nicht nur im Reiche, sondern auch in den Einzelstaaten. Es würde
zu weit führen, in diese Betrachtung auch noch die Untersuchung hineinzubeziehen,
worauf diese Gegnerschaft Bismarcks beruhte, wieweit sie ging, womit sie zu¬
sammenhing. Die Tatsache ist nicht zu leugnen. Bismarck hat niemals ein
Hehl daraus gemacht. Es ist aber klar, daß er unmöglich daran denken konnte,
. durch eine große Umwälzung in den deutschen Staaten überall indirekte Steuern
an die Stelle der direkten zu setzen. Nun schienen ihm aber die Reichsfinanzen
die Möglichkeit zu bieten, hier das System der indirekten Steuern so aus¬
zubauen, daß das Reich einen Überschuß an Einnahmen erhielt, den es den
Einzelstaaten zugute kommen lassen konnte. Es war ein Lieblingsgedanke des
großen Kanzlers, daß die Einzelstaaten vom Reich materielle Vorteile haben
sollten. Erfüllte sich diese Hoffnung, so ergab sich daraus eine finanzielle Ent¬
lastung der Einzelstaaten, und das war mit einer Einschränkung des Geltungs¬
bereiches der direkten Steuern gleichbedeutend, -- eine echt Bismarcksche Idee.
Wie fest Bismarck an der Überzeugung hing, daß es gelingen müsse, die in¬
direkten Reichssteuern so stark auszubauen, daß sie das Übergewicht in den
gesammten öffentlichen Einnahmen innerhalb Deutschlands behaupteten, zeigt sich
deutlich in seiner Haltung gegenüber der Franckensteinschen Klausel. Er nahm
sie hin, weil sie den Grundsatz festlegte, den er selbst billigte und anstrebte,
daß nämlich das Reich von seinem Überfluß an die Einzelstaaten abgab. Daß
der Hauptzweck der Klausel die Festlegung der Matrikularbeiträge als einer
ständigen Einrichtung des Reichsfinanzwesens war. betrachtete er als etwas
Nebensächliches und Gleichgültiges. Es hätte ihm aber unmöglich gleichgültig
sein können, wenn er nicht bestimmt geglaubt hätte, durchsetzen zu können, daß
die Einnahmen aus den indirekten Reichssteuern stets so ausgiebig waren, daß
die Überweisungen die Matrikularbeiträge überstiegen. Solange das der Fall
war, blieb die Franckensteinsche Klausel nur eine rechnerische Form. Als sich
die ersten Anzeichen bemerkbar machten, daß die eigenen Einnahmen doch wohl


Reichstag und Rcichsfinanzen

leicht erschien, was soeben erörtert wurde, zunächst als Abschweifung. Aber die
nähere Betrachtung dieser mit plausibel klingenden Scheingründen arbeitenden
Auffassung ist ein wesentlicher Bestandteil der hier aufgeworfenen Fragen. Die
Reichsfinanzfragen lassen sich nicht beurteilen und noch weniger lösen, wenn sie
mit unklaren Befürchtungen hinsichtlich der möglichen politischen Folgen bepackt
werden.




Wenn wir nun die Frage, ob es richtig ist, das sogenannte Bismarcksche
Prinzip: „dem Reiche die indirekten, den Einzelstaaten die direkten Steuern" —
aufrechtzuerhalten, aus allen nicht dazu gehörigen Betrachtungen herausgeschält
haben, so müssen wir zunächst noch weiter Kritik üben. Ist denn das, was
wir so ausgedrückt finden, wirklich Bismarcksches Prinzip? Ich möchte mir
starke Zweifel erlauben. Bismarck war überhaupt ein Gegner der direkten
Steuern, nicht nur im Reiche, sondern auch in den Einzelstaaten. Es würde
zu weit führen, in diese Betrachtung auch noch die Untersuchung hineinzubeziehen,
worauf diese Gegnerschaft Bismarcks beruhte, wieweit sie ging, womit sie zu¬
sammenhing. Die Tatsache ist nicht zu leugnen. Bismarck hat niemals ein
Hehl daraus gemacht. Es ist aber klar, daß er unmöglich daran denken konnte,
. durch eine große Umwälzung in den deutschen Staaten überall indirekte Steuern
an die Stelle der direkten zu setzen. Nun schienen ihm aber die Reichsfinanzen
die Möglichkeit zu bieten, hier das System der indirekten Steuern so aus¬
zubauen, daß das Reich einen Überschuß an Einnahmen erhielt, den es den
Einzelstaaten zugute kommen lassen konnte. Es war ein Lieblingsgedanke des
großen Kanzlers, daß die Einzelstaaten vom Reich materielle Vorteile haben
sollten. Erfüllte sich diese Hoffnung, so ergab sich daraus eine finanzielle Ent¬
lastung der Einzelstaaten, und das war mit einer Einschränkung des Geltungs¬
bereiches der direkten Steuern gleichbedeutend, — eine echt Bismarcksche Idee.
Wie fest Bismarck an der Überzeugung hing, daß es gelingen müsse, die in¬
direkten Reichssteuern so stark auszubauen, daß sie das Übergewicht in den
gesammten öffentlichen Einnahmen innerhalb Deutschlands behaupteten, zeigt sich
deutlich in seiner Haltung gegenüber der Franckensteinschen Klausel. Er nahm
sie hin, weil sie den Grundsatz festlegte, den er selbst billigte und anstrebte,
daß nämlich das Reich von seinem Überfluß an die Einzelstaaten abgab. Daß
der Hauptzweck der Klausel die Festlegung der Matrikularbeiträge als einer
ständigen Einrichtung des Reichsfinanzwesens war. betrachtete er als etwas
Nebensächliches und Gleichgültiges. Es hätte ihm aber unmöglich gleichgültig
sein können, wenn er nicht bestimmt geglaubt hätte, durchsetzen zu können, daß
die Einnahmen aus den indirekten Reichssteuern stets so ausgiebig waren, daß
die Überweisungen die Matrikularbeiträge überstiegen. Solange das der Fall
war, blieb die Franckensteinsche Klausel nur eine rechnerische Form. Als sich
die ersten Anzeichen bemerkbar machten, daß die eigenen Einnahmen doch wohl


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326283"/>
          <fw type="header" place="top"> Reichstag und Rcichsfinanzen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_523" prev="#ID_522"> leicht erschien, was soeben erörtert wurde, zunächst als Abschweifung. Aber die<lb/>
nähere Betrachtung dieser mit plausibel klingenden Scheingründen arbeitenden<lb/>
Auffassung ist ein wesentlicher Bestandteil der hier aufgeworfenen Fragen. Die<lb/>
Reichsfinanzfragen lassen sich nicht beurteilen und noch weniger lösen, wenn sie<lb/>
mit unklaren Befürchtungen hinsichtlich der möglichen politischen Folgen bepackt<lb/>
werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_524" next="#ID_525"> Wenn wir nun die Frage, ob es richtig ist, das sogenannte Bismarcksche<lb/>
Prinzip: &#x201E;dem Reiche die indirekten, den Einzelstaaten die direkten Steuern" &#x2014;<lb/>
aufrechtzuerhalten, aus allen nicht dazu gehörigen Betrachtungen herausgeschält<lb/>
haben, so müssen wir zunächst noch weiter Kritik üben. Ist denn das, was<lb/>
wir so ausgedrückt finden, wirklich Bismarcksches Prinzip? Ich möchte mir<lb/>
starke Zweifel erlauben. Bismarck war überhaupt ein Gegner der direkten<lb/>
Steuern, nicht nur im Reiche, sondern auch in den Einzelstaaten. Es würde<lb/>
zu weit führen, in diese Betrachtung auch noch die Untersuchung hineinzubeziehen,<lb/>
worauf diese Gegnerschaft Bismarcks beruhte, wieweit sie ging, womit sie zu¬<lb/>
sammenhing. Die Tatsache ist nicht zu leugnen. Bismarck hat niemals ein<lb/>
Hehl daraus gemacht. Es ist aber klar, daß er unmöglich daran denken konnte,<lb/>
. durch eine große Umwälzung in den deutschen Staaten überall indirekte Steuern<lb/>
an die Stelle der direkten zu setzen. Nun schienen ihm aber die Reichsfinanzen<lb/>
die Möglichkeit zu bieten, hier das System der indirekten Steuern so aus¬<lb/>
zubauen, daß das Reich einen Überschuß an Einnahmen erhielt, den es den<lb/>
Einzelstaaten zugute kommen lassen konnte. Es war ein Lieblingsgedanke des<lb/>
großen Kanzlers, daß die Einzelstaaten vom Reich materielle Vorteile haben<lb/>
sollten. Erfüllte sich diese Hoffnung, so ergab sich daraus eine finanzielle Ent¬<lb/>
lastung der Einzelstaaten, und das war mit einer Einschränkung des Geltungs¬<lb/>
bereiches der direkten Steuern gleichbedeutend, &#x2014; eine echt Bismarcksche Idee.<lb/>
Wie fest Bismarck an der Überzeugung hing, daß es gelingen müsse, die in¬<lb/>
direkten Reichssteuern so stark auszubauen, daß sie das Übergewicht in den<lb/>
gesammten öffentlichen Einnahmen innerhalb Deutschlands behaupteten, zeigt sich<lb/>
deutlich in seiner Haltung gegenüber der Franckensteinschen Klausel. Er nahm<lb/>
sie hin, weil sie den Grundsatz festlegte, den er selbst billigte und anstrebte,<lb/>
daß nämlich das Reich von seinem Überfluß an die Einzelstaaten abgab. Daß<lb/>
der Hauptzweck der Klausel die Festlegung der Matrikularbeiträge als einer<lb/>
ständigen Einrichtung des Reichsfinanzwesens war. betrachtete er als etwas<lb/>
Nebensächliches und Gleichgültiges. Es hätte ihm aber unmöglich gleichgültig<lb/>
sein können, wenn er nicht bestimmt geglaubt hätte, durchsetzen zu können, daß<lb/>
die Einnahmen aus den indirekten Reichssteuern stets so ausgiebig waren, daß<lb/>
die Überweisungen die Matrikularbeiträge überstiegen. Solange das der Fall<lb/>
war, blieb die Franckensteinsche Klausel nur eine rechnerische Form. Als sich<lb/>
die ersten Anzeichen bemerkbar machten, daß die eigenen Einnahmen doch wohl</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] Reichstag und Rcichsfinanzen leicht erschien, was soeben erörtert wurde, zunächst als Abschweifung. Aber die nähere Betrachtung dieser mit plausibel klingenden Scheingründen arbeitenden Auffassung ist ein wesentlicher Bestandteil der hier aufgeworfenen Fragen. Die Reichsfinanzfragen lassen sich nicht beurteilen und noch weniger lösen, wenn sie mit unklaren Befürchtungen hinsichtlich der möglichen politischen Folgen bepackt werden. Wenn wir nun die Frage, ob es richtig ist, das sogenannte Bismarcksche Prinzip: „dem Reiche die indirekten, den Einzelstaaten die direkten Steuern" — aufrechtzuerhalten, aus allen nicht dazu gehörigen Betrachtungen herausgeschält haben, so müssen wir zunächst noch weiter Kritik üben. Ist denn das, was wir so ausgedrückt finden, wirklich Bismarcksches Prinzip? Ich möchte mir starke Zweifel erlauben. Bismarck war überhaupt ein Gegner der direkten Steuern, nicht nur im Reiche, sondern auch in den Einzelstaaten. Es würde zu weit führen, in diese Betrachtung auch noch die Untersuchung hineinzubeziehen, worauf diese Gegnerschaft Bismarcks beruhte, wieweit sie ging, womit sie zu¬ sammenhing. Die Tatsache ist nicht zu leugnen. Bismarck hat niemals ein Hehl daraus gemacht. Es ist aber klar, daß er unmöglich daran denken konnte, . durch eine große Umwälzung in den deutschen Staaten überall indirekte Steuern an die Stelle der direkten zu setzen. Nun schienen ihm aber die Reichsfinanzen die Möglichkeit zu bieten, hier das System der indirekten Steuern so aus¬ zubauen, daß das Reich einen Überschuß an Einnahmen erhielt, den es den Einzelstaaten zugute kommen lassen konnte. Es war ein Lieblingsgedanke des großen Kanzlers, daß die Einzelstaaten vom Reich materielle Vorteile haben sollten. Erfüllte sich diese Hoffnung, so ergab sich daraus eine finanzielle Ent¬ lastung der Einzelstaaten, und das war mit einer Einschränkung des Geltungs¬ bereiches der direkten Steuern gleichbedeutend, — eine echt Bismarcksche Idee. Wie fest Bismarck an der Überzeugung hing, daß es gelingen müsse, die in¬ direkten Reichssteuern so stark auszubauen, daß sie das Übergewicht in den gesammten öffentlichen Einnahmen innerhalb Deutschlands behaupteten, zeigt sich deutlich in seiner Haltung gegenüber der Franckensteinschen Klausel. Er nahm sie hin, weil sie den Grundsatz festlegte, den er selbst billigte und anstrebte, daß nämlich das Reich von seinem Überfluß an die Einzelstaaten abgab. Daß der Hauptzweck der Klausel die Festlegung der Matrikularbeiträge als einer ständigen Einrichtung des Reichsfinanzwesens war. betrachtete er als etwas Nebensächliches und Gleichgültiges. Es hätte ihm aber unmöglich gleichgültig sein können, wenn er nicht bestimmt geglaubt hätte, durchsetzen zu können, daß die Einnahmen aus den indirekten Reichssteuern stets so ausgiebig waren, daß die Überweisungen die Matrikularbeiträge überstiegen. Solange das der Fall war, blieb die Franckensteinsche Klausel nur eine rechnerische Form. Als sich die ersten Anzeichen bemerkbar machten, daß die eigenen Einnahmen doch wohl

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/113>, abgerufen am 20.10.2024.